Netphen. Eigentlich hat Netphen das Eisstadion schon abgeschrieben – was tun mit der Zusage von drei Millionen Euro Bundesmitteln?
Viele Netphener freuen sich über die drei Millionen Euro, die aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereich Sport, Jugend und Kultur“ für die Sanierung des Eisstadions fließen sollen. Die Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD verbreiten die Freude über ihren Erfolg auf Facebook, ihre Netphener Parteifreunde halten sich zurück. Denn eigentlich hat die Stadt das Eisstadion schon abgeschrieben. Am Donnerstagnachmittag trafen sich Fraktionsvorsitzende und Verwaltungsführung zum Krisengespräch: Die Bürger sollen direkt befragt werden. Mit der Eishalle, so die Rechnung des Kämmerers, würde sich der jährliche Zuschussbedarf der Freizeitpark Obernautal GmbH von 750.000 auf 1,1 Millionen Euro erhöhen.
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Der Stand der Dinge
Im Frühjahr 2017 ging die letzte Saison des 1978 eröffneten Eisstadions zu Ende und in der Folge die Betreibergesellschaft Sportpark Siegerland (SPS) in Insolvenz – die Eistechnik war marode, das Membran-Hallendach erneuerungsbedürftig. Die Stadt richtete die Trampolinhalle ein und übergab sie ihrer Freizeitpark Obernautal GmbH (FON).
Mehrere Versuche, Geld für die Eishalle zu bekommen, schlugen fehl. Im September 2019 gab der Rat einem letzten Zuschussantrag eine Chance: Sollte der nicht ziehen (was im April 2020 feststand), sei ab Mitte 2020 der Abbruch vorzubereiten.
Mit der Pandemie kamen die Konjunkturprogramme des Bundes, die Eiszeit ging in die Verlängerung. Der Rat stimmte im September dem Förderantrag zu, der jetzt in Berlin angenommen wurde, beschloss aber im Dezember den Rückzug, auf Antrag der UWG mit 20 gegen 11 Stimmen in geheimer Abstimmung. Auf dem Tisch lag ein Wirtschaftlichkeitsgutachten. Danach ist eine Eishalle nur defizitär zu betreiben. An dem Konzept „Beach & Ice 57“, das einen Sommerbetrieb mit Veranstaltungsfläche, Strandbar und Beachvolleyballfeld vorsah, ließ der Gutachter kein gutes Haar: Kein Mensch brauche im Sommer einen überdachten Strand, zudem sei der Standort zu abgelegen.
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Die Verwaltung
Vier Tage nach dem Ratsbeschluss sei die Rücknahme des Förderantrags auf den Dienstweg zur Bezirksregierung gegangen, sagt Bürgermeister Paul Wagener. Im Rathaus wurden inzwischen Planungen für die Nutzung des Grundstücks nach einem Abbruch der Halle aufgenommen. Es gebe Zeichnungen für einen Campingplatz, bestätigte Wagener. Dass es jetzt dennoch zu dem Votum des Haushaltsausschusses im Bundestag gekommen sei, sei „völlig ungewöhnlich“. Kämmerer Hans-Georg Rosemann ist sich nicht sicher, dass das Geld wirklich kommt: Dazu müsse ein Bewilligungsbescheid ausgestellt werden – und den könne es nun einmal bei nicht vorhandenem Antrag nicht geben.
Dem Eissport in Netphen sei vom Rat „der Garaus gemacht“ worden, stellt der Bürgermeister fest. Die Politik müsse sich nun positionieren, wie sie mit einer etwaigen Mittelbewilligung umgehen wolle. „Wir werden versuchen, zu machen, was machbar ist.“ Im Gespräch mit dieser Zeitung spricht Wagener von einem „wahlkampfmotivierten“ Vorgehen des CDU-Abgeordneten – Volkmar Klein hatte die Ausschussentscheidung am Mittwochnachmittag öffentlich gemacht: „Das funktioniert so nicht.“ In einer Pressemitteilung aus dem Rathaus heißt es: „In der jüngsten Haushaltsberatung hat die Verwaltung eine Stellenmehrung von 4,416 Stellen gefordert, um ihre Kapazitäten zu verstärken, diese wurde abgelehnt. Personelle Ressourcen für die Umsetzung einer Fördermaßnahme in diesem Umfang fehlen. Um den Eigenanteil der Stadt zu stemmen, wären weitere erhebliche Anstrengungen erforderlich.“
Die großen Fraktionen
CDU-Fraktionschef Sebastian Zimmermann ist dafür, die Fördermittel anzunehmen. „Drei Millionen Euro zurückzugeben, ist nicht in Ordnung.“ Die – wie bisher – offene Halle, wie sie in „Beach & Ice 57“ vorgesehen ist, sei schon wegen des Schallschutzes und des Energieverbrauchs „nicht mehr zeitgemäß“. Dafür wären die 3 Millionen Euro aus Berlin bestimmt, nach der zuletzt vorgelegten Rechnung wären von der Stadt 850.000 Euro Eigenanteil aufzubringen. Ursprünglich wollte die Stadt für 8 Millionen Euro eine geschlossene Eishalle neu bauen. „Mit dem Rückhalt aus der Bevölkerung muss es möglich sein, gemeinsam mit Investoren zu einer großen Lösung zu kommen.“ Der Freizeitpark könne mit Bädern, Eis- und Trampolinhalle, Bewegungspark und Reitanlage wieder zu einer Attraktion der „Sportstadt Netphen“ werden. „Wenn man ein bisschen kreativ ist, gibt es da Möglichkeiten.“ Trampolin- und Eishalle sollten gemeinsam betrieben werden. Er sei „grundsätzlich offen“, ob das weiter unter dem Dach der städtischen FON oder wieder in privater Regie erfolge, sagt der CDU-Fraktionschef. Mit der Entscheidung für eine städtisch finanzierte Trampolinhalle, so Sebastian Zimmermann, sei den Überlegungen für die Zukunft des Freizeitparks allerdings „Spielraum genommen“ worden. Eine Zeit lang war damals auch ein privat betriebener Indoor-Spielplatz im Gespräch.
SPD-Fraktionschef Manfred Heinz sieht die Stadt in der Klemme: „Man schlägt drei Millionen Euro nicht mal einfach so aus. Im Dezember wollten wir diese Situation verhindern.“ Jetzt habe sich der Sachverhalt verändert, „wir müssen damit umgehen.“ Die Lösung, die nun womöglich gefördert werde, sei „unvollkommen“. Gewünscht sei die geschlossene Halle, die einmal mit acht Millionen Euro veranschlagt war: „Dafür hätten wir sechs Millionen Euro Zuschuss gebraucht.“ Wenn Beach & Ice nun umgesetzt werde, habe das Konsequenzen: „Wenn sich eine Mehrheit findet, das zu realisieren, müssen wir sehen, woher das restliche Geld kommt.“ Eine drastische Erhöhung der Grundsteuer wäre die Folge: Darüber, so Manfred Heinz, sollten die Bürger „unbedingt“ in einer Abstimmung direkt mitentscheiden.
UWG-Fraktionschef Klaus-Peter Wilhelm zeigt sich „überrascht“, dass der bereits zurückgezogene Förderantrag bewilligt werden soll: „Manchmal ist es besser, überhaupt keinen Antrag zu stellen.“ Wilhelm erneuert die Position seiner Fraktion: „Mit den drei Millionen können wir überhaupt nichts tun. Man könnte meinen, es ist ein Wahlgeschenk.“ Der Betrieb der Eishalle „bleibt ein Zuschussgeschäft“, stellt Klaus-Peter Wilhelm fest und verweist auf die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, „deshalb hatten wir ja auch gefordert, den Förderantrag zurückzuziehen.“
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