Kreuztal. Die Stadt Kreuztal richtet sich darauf ein, gegen den von der Bezirksregierung vorgelegten Regionalplan zu klagen.
Bei drei Stimmenthaltungen der Grünen hat die Stadt Kreuztal ihre Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans verabschiedet. Die Kritik an den Vorgaben ist fundamental und belässt es nicht bei der üblichen Mahnung, die Planungshoheit der Kommunen zu respektieren. „Wir müssen damit rechnen, dass wir diesen Regionalplan gegebenenfalls auch beklagen müssen“, sagte Stadtplanerin Petra Kramer im Infrastrukturausschuss. Schriftlich heißt es: „Die Planung der Bezirksregierung erfolgte weitgehend losgelöst von den Zielsetzungen und Argumenten der Kommunen.“
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SPD-Fraktionschef Jochen Schreiber bezeichnete das Planwerk mit seinen Vorgaben für die Flächennutzung als „völlig inakzeptabel“. Erstaunlich sei solches „obrigkeitsstaatliches Vorgehen“, nachdem der Versuch eines Teil-Regionalplans für das Thema Energie vor allem am Widerstand gegen vorgesehene Windkraftzonen („sehr viel Wirbel“) gescheitert war. Der erneute Anlauf, „die Kommunen zu entmündigen“, gehe „auf keine Kuhhaut“, sagte Schreiber, „es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als den Klageweg zu beschreiten.“
Der Entwurf des Regionalplans war den Städten und Gemeinden in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe und dem Märkischen Kreis Ende Januar zugeleitet worden. Über die Bitte, die bis Ende Juni gesetzte Frist zur Stellungnahme zu verlängern, wird der Regionalrat erst eine Woche vorher entscheiden. Der Kreuztaler Rat tagt erst wieder im Juli, an ihm wird das Thema somit völlig vorbeigehen. Auch Bürger hätten kaum eine Chance, sich zu dem Papier zu äußern. Sie seien angesichts von mehr als tausend Seiten Texten und Karten wohl „überwiegend überfordert“, stellte Stadtplanerin Petra Kramer fest.
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Gewerbe und Industrie: Brauerei im Überschwemmungsgebiet
Bis auf eine Neuausweisung zwischen Littfeld und Krombach, der Erweiterung Auf den Heidfeld, werden vorhandene Flächen durch die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten beschnitten – auf der Grundlage von „gänzlich veralteten Karten“, wie Petra Kramer feststellte: Einbezogen worden seien sogar die „Preußischen Überschwemmungsgebiete“, die in den Jahren 1905 bis 1912 in die Karten eingetragen wurden – für inzwischen längst verlegte oder ausgebaute Flussläufe von Littfe und Ferndorf. Auch die Krombacher Brauerei liege mitten drin, „Konflikte sind programmiert“. Hinderlich wirke sich auch die Festsetzung aus, die Industriegebiete für „stark störendes Gewerbe“ zu reservieren. Das könne anderen Gewerbebetrieben Erweiterungsmöglichkeiten nehmen.
Kölsches Heck nicht auf Kreuztaler Seite
In einem vorbereitenden „Werkstattgespräch“ brachte die Bezirksregierung erstmals ein interkommunales Gewerbegebiet Kölsches Heck für Kreuztal, Wenden und Olpe ins Gespräch – nachdem der Standort Landhecke bei Osthelden aufgegeben werden musste. Der Wunsch der Stadt Kreuztal, auch die Fläche auf der östlichen, Kreuztaler Seite der B 54 (zwischen A 4 und Kreisel Krombacher Höhe) zu berücksichtigen, wurde nicht berücksichtigt, ebenso wenig die von den drei Kommunen genannte Alternative Ruttenberg am Autobahnkreuz Olpe-Süd.
Mehr Wald als Mensch
Kreuztal bestreitet in der Stellungnahme den Anspruch der Bezirksregierung, mit dem Regionalplan nachhaltig zu planen. Ein Großteil der von den UN beschlossenen Ziele werde missachtet. „Begriffe wie beispielsweise Armut, Geschlechtergerechtigkeit/Gender, Integration, Migration, Flüchtlinge/Flüchtende/Geflüchtete/Geflohene, Familien, barrierearm, Pendler, Berufstätige, Studierende, Alleinerziehende, Kinder, Jugendliche, Arbeitssuchende oder Pandemie sucht man vergebens.“ Das Wort „barrierefrei“ gebe es einmal, ebenso das Wort „Fachkräfte“. Das Wort „Mensch“ tauche 29 Mal auf, das Wort „Natur“ werde dagegen 415 Mal verwendet, das Wort „Freiraum“ 140 Mal, das Wort „Wald“ 813 Mal. Der Regionalplan sei „unsozial, weil er dringende gesellschaftliche Themen ignoriert.“
Siedlung: Naturschutz mitten in Osthelden
Die Allgemeinen Siedlungsbereiche seien „ganz stark reduziert“ worden, unter anderem auch der Hanker in Eichen, berichtete Petra Kramer. „Wir haben praktisch keine Auswahl mehr.“ Die Folge seien steigende Grundstückspreise, „das Bauen wird teurer“ – im Widerspruch zu Bemühungen der Stadt, bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Als „gedankenlose Plattitüden“ kritisiert die Stadt in ihrer schriftlichen Stellungnahme Vorgaben, durch mehrgeschossige und multifunktionale Gebäude Raum zu sparen – die stünden am Ende womöglich den ebenfalls neuerdings zu schützenden „Kaltluftriegeln“ im Wege. Immobilien, so die Bezirksregierung, könnten gleichzeitig für die Nahversorgung und für digitale Dienstleistungen, zum Beispiel digitale Arztpraxen, genutzt werden. Der Kommentar aus Kreuztal dazu ist gallig: „Es verwundert, dass nicht auch Vorschläge zur Innenraumgestaltung aufgegriffen wurden.“
Buschhütten kein Zentralort
Nicht akzeptieren will die Stadt, dass Buschhütten als zweitgrößter Stadtteil nicht als zentraler Siedlungsbereich erscheint und Kredenbach als Standort eines großen Einkaufszentrums kein „dezentraler Versorgungsbereich“ ist.
Kritisch sieht die Stadt die wachsenden Bereiche zum Schutz der Natur: Am Altenberg und am Littfelder Grubengelände müsse die Pflege und Präsentation der Bodendenkmäler in dem ehemaligen Bergrevier und die Nutzung des Modellflugplatzes möglich bleiben.
Künftige Bereiche für den Schutz der Natur reichten zum Beispiel in Osthelden und Fellinghausen bis an die Bebauung heran. „Das kann zu Einschränkungen auf den Wohngrundstücken führen.“ In der schriftlichen Stellungnahme wird die Stadt deutlich: „Darf künftig in einem in Osthelden gelegenen Gebäude jemand bei geöffnetem Fenster Pflanzen mit Frucht-/Samenständen auf die Fensterbank stellen oder Klavier spielen? Dürfen die Hausgärten bepflanzt und zum Grillen oder für Feiern genutzt werden?“
Solcher „Ton“ der Äußerungen, merkte Markus Fuhrmann als Vertreter der Naturschutzverbände an, sei „nicht richtig, auf beiden Seiten“. „Wenn man unsere Arbeit einfach ignoriert, müssen wir eine Stellungnahme abgeben, die im Ton schärfer ausfällt“, meinte dagegen Ausschussvorsitzender Andreas Müller (SPD), „es ist ernst.“ Hubertus Brombach (Grüne) versuchte, die Rechtfertigung der Schutzgebiete zu verstehen: „Vielleicht haben wir irgendwann die falschen Bebauungspläne erstellt.“ Stadtplanerin Petra Kramer sah das anders: Die Vielfalt erhaltenswerter Natur sei schließlich nur durch verantwortungsvolles Handeln der Stadt noch vorhanden. „Die anderen haben alles platt gemacht und werden dafür noch belohnt.“
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