Siegen. Der Verurteilte muss sich in psychiatrische Behandlung begeben. Wahnvorstellungen haben ihn zu seiner Tat getrieben.

Urteil und Begründung sind kurz und folgen inhaltlich den Anträgen von Staatsanwalt und Verteidiger. Der Mann aus Netphen (53), der am 4. Januar 2020 seiner Wut gegen einen Nachbarn freien Lauf ließ, den Mann ins Gesicht schlug und dabei mit einem Messer in der Faust erheblich verletzte, ist für das Schwurgericht der schweren Körperverletzung schuldig. Das Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung, mit vier Jahren eine ungewöhnlich lange Bewährungszeit und die verbindliche Auflage, sich in ambulante psychiatrische Behandlung zu begeben.

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Ganz Netphen gegen sich

„Sie müssen den Anweisungen des Arztes folgen und die Medikamente nehmen, die er Ihnen verordnet. Das war uns sehr wichtig bei der Bewährung“, betont die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach. „Ja, mir auch“, sagt der nunmehr Verurteilte und nimmt das Urteil direkt an. „Das machen wir einfach so. Besser geht es doch nicht“, ruft er aus, wohl wissend, dass die Entscheidung auch ganz anders hätte ausfallen können.

Irgendwann vor der Tat müsse sich beim Angeklagten eine paranoide Schizophrenie entwickelt haben, die zu Wahnvorstellungen geführt habe, unter anderem dem Hören von Stimmen, hat die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach davor ausgeführt. Er sei der Ansicht gewesen, ganz Netphen habe sich gegen ihn verschworen und ihm Schlechtes gewollt. Der bis dato weitgehend unauffällig lebende Mann habe sich über den – eingebildeten – Austausch des Vergasers in seinem Mofa durch sein Opfer über einen längeren Zeitraum aufgeregt, am Tattag sei es dann zu einem spontanen Wutausbruch gekommen, bei dem infolge der Krankheit seine Steuerungs- und damit Schuldfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.

Es sollte „nur“ ein Faustschlag sein

Der Täter hätte die Gefährlichkeit seines Tuns bei einigem Nachdenken erkennen können. Er habe sein Gegenüber auch verletzen wollen, aber nur mit der Faust, heißt es in der Begründung des Urteils. Es gebe keinerlei Hinweis auf eine Absicht, den anderen mit dem Messer derart schwer zu verwunden. Das Opfer habe nach dem Schnitt ins Gesicht mit enormem Blutverlust „zu Recht Todesangst gehabt“, unterstreicht die Richterin. „Gott sei Dank“ sei schnell genug Hilfe gekommen, „lange hätte er das nicht überlebt“.

Noch heute fürchte sich der Geschädigte vor dem Angeklagten und träume nachts davon, am eigenen Blut zu ersticken. Beide lebten aber inzwischen räumlich getrennt, die Krankheit des Angeklagten sei weniger akut. „Eigentlich ist das zu wenig“, stellt Elfriede Dreisbach in Richtung des Täters fest, der zustimmend nickt. Aufgrund der Umstände, seiner glaubhaften Reue und Mitarbeit sei die Strafentscheidung aber angemessen, schiebt sie nach: „So was macht er nicht noch mal.“ „Auf gar keinen Fall“, versichert ihr Gegenüber.

Der Nebenklagevertreter hatte einen Antrag auf Schmerzensgeld gegen ihn gestellt, aber nicht beziffert. Das sei unzulässig, lehnt das Gericht ab. Die nachträgliche Änderung im Plädoyer sei zu spät gekommen und könne nicht mehr berücksichtigt werden. Der Geschädigte wird diesbezüglich also das Zivilgericht anrufen müssen.

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