Siegen. Landgericht: Aus voller Fußgängerzone Siegen lockt der Täter sein weg: Äußerlich eine junge Frau, ist sie geistig auf dem Niveau einer 3-Jährigen

Der 12. September 2020 sei ein Tag mit „brechend voller“ Siegener Innenstadt gewesen, sagt die Polizistin. Am späten Nachmittag dieses Samstag verschwand eine junge Frau für ein paar Stunden, wurde danach in einem alten Lagerhaus an der Friedrichstraße wiedergefunden. Dorthin soll sie ein 38-jähriger Mann gebracht haben, gegen ihren Willen, der ihr dann trotz Abwehrhandlungen und Schreien sexuelle Gewalt antat.

So steht es jedenfalls in der Anklage, die bereits am 11. März verlesen wurde. Der zweite Verhandlungstag vor der 1. Großen Strafkammer bringt weitere Einzelheiten über das Geschehen. Der Angeklagte sagt aus, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit, danach zahlreiche Zeugen.

Ganz in Weiß gekleidet in der Siegener Fußgängerzone auf dem Boden

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Demnach habe die Mutter des Opfers ihre Tochter, nach übereinstimmenden Erklärungen äußerlich eine junge Frau mit dem geistigen Entwicklungsstand einer Dreijährigen sie in der Fußgängerzone zurückgelassen haben, auf dem Boden sitzend. „Ganz in Weiß“ gekleidet, berichtet eine Siegenerin, die das Geschehen vom Balkon eines nahen China-Restaurants beobachtete. Weil es so auffällig gewesen sei, eine scheinbar Erwachsene dort am Boden liegen zu sehen. Kinder wären gekommen und hätten die Frau aufgefordert, sich zu erheben, was sie aber nicht gewollt hätte.

Irgendwann sei sie dann doch aufgestanden, habe sich auf eine Bank neben einen älteren Mann gesetzt, der angesichts des auffälligen Verhaltens etwas weggerückt sei. „Dann setzte sich ein anderer Mann dazu“, erzählt die Zeugin weiter. Dieser sei langsam nähergekommen, habe der Frau etwas ins Ohr geflüstert, sie gestreichelt und auf die Wange geküsst, sei schließlich mit dem Arm um sie „oder Hand in Hand“ davongegangen. Als die Zeugin den Vorfall schon fast vergessen hatte, sei ihr dann eine ältere Frau aufgefallen, die der jüngeren glich, Passanten ein Foto zeigte und Fragen stellte. Da habe sie sich bei ihr gemeldet.

Anlieger hört in Siegener Innenstadt leises Jammern, Schreie und geht nachsehen

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„Ich habe ihr gesagt, sie ist selbst schuld“, erklärt eine andere Zeugin bezüglich der Mutter. Die 79-Jährige ist sich sicher, dass die Mutter wenigstens „eine Stunde“ in dem Laden gewesen sei, hatte das Geschehen ebenfalls aufmerksam verfolgt. Bis diese vom Fremden angesprochen wurde, den die Zeugin vom Sehen bereits kannte. „Wenn sie jetzt mit dem weggeht, ist sie verratscht“, habe sie sich „innerlich gedacht“, sagt die Seniorin.

Dass der Vorfall vergleichsweise schnell endete, ist dem guten Gehör eines Anliegers zu verdanken: Der hatte an jenem Abend das Küchenfenster geöffnet, das Luftlinie nur ein paar Meter von der offiziell leerstehenden Halle und jenem Raum entfernt lag, in dem der Angeklagte sein Opfer festgehalten haben soll. Der Zeuge hörte ein leises Jammern und gelegentliches spitzes Schreien, ein Stöhnen, das er „aber nicht als lustvoll“ empfand, „wie von einer Frau oder einem Kind“. Er habe dabei keine guten Gedanken gehabt, sagt er, suchte zunächst nach einer Quelle und rief dann einen Freund an.

Polizei kennt das Opfer: Ein Nachbar habe sich ihr bereits einmal genähert

Beide drangen von hinten durch ein offenes Fenster in das Gebäude ein, trafen schon im Erdgeschoss auf einen schlafenden Menschen, „der uns aber nicht wahrnahm“, hörten danach beide wieder Jammern und folgten diesem durch Flure voller Unrat und Fäkalien bis zu einer Tür im Obergeschoss. Nicht wissend, was dahinter auf sie warten könnte, verständigten sie die Polizei, die im Raum den Angeklagten und sein mutmaßliches Opfer nebeneinander sitzend antraf.

Die Geschädigte wies frische Spuren von Gewalt und sexueller Belästigung auf. Sie habe vor Ort einen verwirrten Eindruck gemacht, später aber glaubhaft erklären können, dass es zu Vorfällen gekommen sei, die sie nicht gewollt habe – und das auch deutlich gemacht. Eine Polizistin traf die Geschädigte im Rahmen des Opferschutzes und erkannte sie wieder, „weil ein Nachbar sich auch schon einmal genähert haben sollte“. Die Geschädigte wird am 19. April unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört. Dann sind auch weitere Zeugen geladen.

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