Siegen. Mit einem Fensterkonzert von der Baustelle des entstehenden Hauses der Musik in Siegen stellt sich die Philharmonie Südwestfalen den Nachbarn vor

Doppelt ungeduldig sei die Philharmonie Südwestfalen in diesen Zeiten, sagt Intendant Michael Nassauer. „Wir wollen, dass Corona rum ist und dass das Haus offen ist.“ Für letzteres steht zumindest ein Datum fest, der November 2022, nach aktuellem Stand durchaus realistisch, auch wenn der Leiter des Landesorchesters hofft, dass die Pandemie – mindestens aber die Zwangspause für seine Musiker – vorher endet. Einen Vorgeschmack auf bessere Zeiten und das, was an der Oranienstraße in Siegen im Entstehen begriffen ist, bot das Fensterkonzert der Horngruppe der Philharmonie, für das auch Nassauer selbst zum Instrument griff.

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Das Haus der Musik in Siegen

Im Zentrum von Siegen bekommt die Philharmonie Südwestfalen eine neue Probenstätte. Im Haus der Musik an der Oranienstraße wird es zehn sogenannte Stimmzimmer geben, damit die fünf Streichergruppen, die vier Holzbläsergruppen (die sich jeweils ein Zimmer teilen), die schweren Blechbläser, die Schlagzeuger und die Horngruppe getrennt proben können. Das Herzstück wird ein 410 m² großer Probensaal für das gesamte Orchester – mit 199 Sitzplätzen für Zuhörer.

Genau dort, wo dieser gerade entsteht, formierten sich die Hornisten, um ein Fensterkonzert zu spielen. Die Mauern stehen bislang exakt zur Hälfte, der Probenraum wird sich für eine bessere Akustik über die gesamte Höhe des zweistöckigen Bauwerks erstrecken. Es sei höchste Zeit, sich den neuen Nachbarn, auf die sich das Orchester freue, vorzustellen, so Michael Nassauer. Das Konzert sei aber auch ein Dank an die Mitarbeiter der Firmen Runkel und Quast, die „unser Haus bauen“, und die Unterstützer, die den Bau finanzieren. „Dass dieses Haus gebaut wird, ist für uns ein wahres Geschenk“, sagt Michael Nassauer.

Umzug aus Hilchenbach

Bislang ist die Philharmonie Südwestfalen in Hilchenbach beheimatet. Die Proben, die wegen Corona jedoch auch stark eingeschränkt sind, finden in der Schützenhalle im Langen Feld statt. Dort zog das Orchester 1962 direkt nach dem Bau ein, der Wunsch nach einem Umzug bestand trotz des guten Verhältnisses zu den Schützen jedoch schon länger. Nach aktuellem Stand erfolgt dieser nun genau 60 Jahre später, wieder in einen Neubau, diesmal jedoch in einen, der exklusiv für die Musiker gebaut wird.

16,7 Millionen Euro soll das Haus der Musik kosten, in das auch die gesamte Verwaltung einzieht. Finanziert wird es vollständig aus Spenden und Stiftungsgeld. Einen Großteil steuert Mäzenin Barbara Lambrecht-Schadeberg bei, die über das Smartphone aus Bonn beim Fensterkonzert zusah.

Philharmonie Südwestfalen: Rund 100 Gastspiele im Jahr

Zuletzt durfte die Philharmonie Ende Oktober 2020 im Apollo-Theater auftreten. Eine „verflixt lange Zeit“ für die Musiker, die sprichwörtlich vom Applaus lebten, so Nassauer. Und Joseph Rauch, Katja Schubert, Grigory Yakubovich, Florent Lepetit, Lisa Erchinger – und Michael Nassauer, der nur für das Fensterkonzert noch einmal von den Hornisten aufgenommen worden war – war die Freude am Spielen, vor allem aber auch über den Applaus, den es von den wenigen Zuschauern auf der Baustelle und von Fenstern und Balkonen an der Oranienstraße gab, deutlich anzumerken.

Mit einer Intrade des aus Olpe stammenden Komponisten Alexander Reuber eröffnete die Horngruppe das Konzert. Vor zehn Jahren habe er selbst das Stück mit einer Kollegin gemeinsam aus der Taufe gehoben, deshalb erschien es ihm als passende Eröffnung zur Würdigung des entstehenden Hauses der Musik, erklärte Nassauer. Mit Kerry Turners „The Casbah of Tetouan“, entführten die Musiker die Zuhörer auf die Straße nach Gibraltar – Eine Erinnerung an die vielen Reisen, die die Philharmonie bereits nach China, Frankreich oder in die Schweiz führten. Normalerweise hat das Orchester rund 100 Gastspiele in der Saison.

Fensterkonzerte gegen den Corona-Blues

Als Landesorchester spiele die Philharmonie jedoch in erster Linie für das heimische Publikum. Mit „Somewhere over the Rainbow“ luden die Bläser dieses zum Hoffen auf bessere Zeiten ein. Mit einem Potpourri aus verschiedenen Walzern – alle aus dem laut Nassauer bei jedem Hornisten bekannten kleinen, grünen Buch – erinnerten sie an die beliebten Neujahrskonzerte. Der Tango „A Punta y Taco“ von José Carli würdigte die Internationalität des Orchesters. Jeder Musiker bringe Musik aus seiner Heimat ein und bereichere so die Philharmonie. Mit einem Medley aus „Der Fluch der Karibik“ von Klaus Badelt und Hans Zimmer spielten die Musiker auf die ebenfalls beliebten Filmmusikkonzerte an. Mit dem irischen Segenslied „Möge die Straße uns zusammenführen“ verabschiedete sich das Sextett schließlich und Nassauer bezieht diesen Wunsch auf die Arbeit der Philharmonie, die Kultur für die Menschen in der Region erlebbar machen möchte. „Möge es bald wieder so sein“, wünscht sich der Intendant.

Die Spielfreude, die Vielseitigkeit und die Qualität, die die Horngruppe unter strahlend blauem Himmel bewies, steigern die Vorfreude auf das Haus der Musik und eine Zeit, in der Konzerte wieder stattfinden können. Bis dahin wollen sich auch die anderen Gruppen der Philharmonie Südwestfalen mit Fensterkonzerten vorstellen. Das sei die einzige Form der musikalischen Darbietung, die durch die Corona-Schutzverordnung zugelassen wird, so Intendant Michael Nassauer.

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