Siegen-Wittgenstein. Integrationshelfer für Kinder mit Handicap werden auch während der Lockdowns bezahlt. Der Kreistag hat lange darüber gestritten.
Auch im ersten Vierteljahr 2021 stockt der Kreis Siegen-Wittgenstein den Einkommensersatz für Schulassistenten und Integrationshelfer für Kinder und Jugendliche mit Behinderung auf. 75 Prozent sieht das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz vor, der Kreis stockt weiterhin – wie auch die Stadt Siegen – auf 100 Prozent auf. Das hat der Kreistag mit 30 gegen 24 Stimmen beschlossen.
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SPD, Grüne, SWM, Linke und Teile der UWG stimmten dafür, CDU, AfD, FDP und Teile der UWG dagegen. Um welchen Betrag es geht, wird erst nach der Abrechnung feststehen und hängt auch davon ab, in welchem Rahmen Integrationshelfer während der Lockdowns eingesetzt werden konnten. Gerechnet wird mit einem Betrag von bis zu rund 350.000 Euro.
Der Hintergrund: Kurzarbeit ist keine Alternative
Einer der betroffenen im Gesetz so genannten „Sozialdienstleister“ ist der Kreuztaler Verein Invema. 65 Fotos mit Gesichtern, montiert auf Pappfiguren und mit Transparenten versehen, standen stellvertretend für die betreuten Kinder und Jugendlichen Spalier am Aufgang zum Gläsersaal, wo der Kreistag tagt. Geschäftsführer Stephan Lück erklärte den vorbeigehenden Kreistagsmitgliedern, warum die Integrationshelfer in einer besonders prekäre Situation zu geraten drohen: Die rund 280 Mitarbeitenden sind durchweg in Teilzeit beschäftigt, einige auch nur auf 450-Euro-Basis. Bei nur 75 Prozent Kostenerstattung, so hat Stephan Lück ausgerechnet, würden 90 von ihnen sofort Hartz IV beantragen müssen.
Kurzarbeitergeld ist keine Alternative für den kleinen Träger: Hier gibt es, anders als bei den großen Wohlfahrtsverbänden, weder Tarif noch Betriebsrat – beides Voraussetzungen für dieses in der Industrie gebräuchliche Instrument. Kurzarbeit würde auch sonst nicht passen: „Wir sind ja immer in Bereitschaft, jederzeit auf Abruf“ – je nach den spontanen Beschlüssen des Schulministeriums.
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Die Debatte: „Sozialindustrie“ oder „Herzensangelegenheit“
Die 100-Prozent-Erstattung sei „Herzensangelegenheit“ und „Selbstverständlichkeit“, sagte Michael Plügge (SPD). Dass seine Fraktion im Jugendhilfeausschuss nicht mitgestimmt habe, „bitte ich zu entschuldigen“ – die Fraktion habe zu diesem Zeitpunkt noch über den Haushalt beraten. „Wir sind verpflichtet“, sagte Horst.-Günter Linde (UWG). Dagegen verwies Gabriele Stinner (CDU) auf „klare Regeln im Gesetz“, die die 75-Prozent-Erstattung vorsähen. Die Krankenkassen, zunächst aber die „Sozialindustrie“ sei gefragt, sagte Guido Müller (FDP): „Es ist Arbeitgeber-Thema, Sicherheit für die Arbeitnehmer darzustellen.“
Katrin Fey (Linke) nannte es „nicht hinnehmbar“, wenn der Kreis das Geld für die Integrationshelfer zurückhielte: „Die Pandemie schüttelt die Familien genug durcheinander. Die dürfen wir nicht im Regen stehen lassen.“ Regine Stephan (AfD) sagte, dass viele Menschen derzeit um ihre wirtschaftliche Existenz bangten, die „Besserstellung“ einer Berufsgruppe sei nicht gerechtfertigt. Die AfD-Kreistagsabgeordnete stellte die Inklusions-Politik in Frage. Dafür sei „ein gut differenziertes System an Förderschulen zerschlagen“ worden.
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Horst-Günter Linde (UWG) widersprach: „Wenn es vielen Leuten schlecht geht, ist das keine Begründung, warum es anderen auch schlecht gehen soll.“ Stephan Hoffmann (CDU) sah einen Unterschied. Im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern, seien „ihre Stellen nach der Pandemie gesichert“. Man möge „kritischen Menschen nicht unterstellen, sie wären unsozial.“ Ullrich Georgi (Linke) wies darauf hin, dass die Debatte gar nicht stattfände, wenn die Schulassistenten wie Lehrer oder Erzieher bei Stadt oder Land beschäftigt wären und nicht bei freien Trägern. Die Verweigerung der vollen Bezahlung sei „in meinen Augen schäbig“.
Er sei „über einige Wortbeiträge mehr als entsetzt“, sagt Karl-Ludwig Völkel (SPD), der zugleich Vorsitzender des AWO-Kreisverbandes ist. Sozialdezernentin Helge Klinkert erklärte: Mit der vollen Erstattung wolle der Kreis auch sicherstellen, dass die Integrationshelfer nicht zu anderen, „sichereren“ Arbeitsplätzen abwandern. Der Betrag, über den diskutiert werde, stehe im Etat bereit und würde sonst eingespart. „Es wird kein einziger Euro mehr zur Verfügung gestellt.“
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