Siegen-Wittgenstein. Kreistag probiert Haushaltsdebatte im Schnellverfahren. Am Ende dauert es aber doch fast vier Stunden.

Eine Haushaltsdebatte im Siegen-Wittgensteiner Kreistag kann dauern. 15 Minuten Redezeit nimmt jeder Fraktionssprecher für sich mindestens in Anspruch, 45-Minuten-Reden sind keine Seltenheit. In Zeiten von Corona undenkbar: Um nicht ihre Ausführungen ungehalten zu Protokoll geben zu müssen, ließen sich die Fraktionen auf einen Fünf-Minuten-Redezeit-Deal ein, sodass die öffentliche Kreistagssitzung tatsächlich nach weniger als vier Stunden vorbei war.

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Die Debatte

Die Redner gingen mit der Zeitbegrenzung sehr unterschiedlich um. Die meisten hielten sich dran, wurden spätestens nach der ersten Ermahnung des Landrats fertig. Guido Müller (FDP) sprach einfach noch schneller - mit der Konsequenz, dass in Teilen des Gläsersaals nur noch ein Schallteppich ankam. Und Ullrich Georgi (Linke) machte stoisch weiter, auch als Landrat Andreas Müller ihm längst das Mikrofon abgeschaltet hatte.

Die Mehrheit für den Etat war – wie berichtet – deutlich. Am Ende stimmten nur FDP und AfD dagegen. Gestritten wurde vor allem über die Kreisumlage und über den Ersatz des Verdienstausfalls für Schulassistenten. Die Kritik, die der Kreuztaler Bürgermeister Walter Kiß im Namen seiner Bürgermeister-Kollegen vortrug, traf auf Widerspruch: Kreiskämmerer Thomas Damm bestritt, dass der Flughafen-Zweckverband seine fünf Millionen Euro bei der bankrotten Greensill-Bank abschreiben müsse. „Ich weiß nicht, woher Herr Kiß seiner Informationen bezieht.“

Hermann-Josef Droege (CDU) fand, die Bürgermeister könnten sich regelmäßig einbringen, „statt einmal im Jahr die große Keule rauszuholen“. Er „bedaure ausdrücklich, dass unser Kreiskämmerer Thomas Damm jährlich gesteigert zum Prügelknaben für die Kommunen wird“. Das habe er „nicht verdient“. Später schloss sich Ullrich Georgi (Linke) an: „So schlecht, wie es uns der Herr Bürgermeister weismachen will, geht es den Gemeinden nicht.“

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Die Haushaltsreden

Landrat Andreas Müller nahm es locker: Die von ihm vorgeschlagene Beibehaltung des Kreisumlage-Hebesatzes sei ein „fairer Vorschlag“, der am Ende mehrheitsfähige Antrag von SPD und CDU, um 1,7 Prozentpunkte herunterzugehen, eben „noch ein wenig fairer“. Mit einem Rekordniveau bei den Investitionen wirke der Kreishaushalt wie ein „Konjunkturpaket“. Wirklich wichtig, das machte der Landrat deutlich, ist anderes: der Kampf gegen die Pandemie. „Wir stehen näher vor einem nächsten Lockdown als vor weiteren Öffnungsschritten. Erst in einigen Monaten, wenn deutlich mehr Menschen geimpft worden sind, ist eine nachhaltige Normalisierung des Alltags realistisch.“

Michael Sittler (SPD) blickte schon auf die nächsten Haushaltsdebatten. Er sei „zutiefst überzeugt“, dass die finanziellen Nachwirkungen der Pandemie 2022 und 2023 „noch massiver“ zu spüren sein würden.

Hermann-Josef Droege (CDU) begründete das nach der Kommunalwahl geschlossene Bündnis von CDU und SPD: Die Herausforderungen für den Kreis seien „mit wechselnden politischen Zufallsmehrheiten nicht zu meistern“.

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Laura Kraft (Grüne) lobte, dass der Kreis in der Pandemie Handlungsfähigkeit zeige. Er habe die „einmalige Chance“, daraus gestärkt hervorzugehen. Richtig als Beitrag zum Klimaschutz sei das von Grünen und SPD initiierte 1000-Dächer-Programm für Photovoltaik. Es sei „parteiübergreifender Konsens“, dass der öffentliche Nahverkehr verbessert werden müsse. Die Grünen böten an, „fachlich interfraktionell weiterzuarbeiten, um eine gemeinsame Zukunft für den Sozialbereich im Kreis Siegen-Wittgenstein zu gestalten“.

Christian Zaum (AfD) kritisierte steigende Personalausgaben („So kann es nicht mehr weitergehen“), den hohen Anteil an Aufwendungen für Soziales und eine „gewisse Intransparenz“ im Jugendamt. Der AfD-Fraktionschef merkte an, dass der Kreis Geld für seine Bürger ausgeben müsse „und nicht für die Wohlfahrtsverbände und ihre smarte Klientel“: „Ein Blick in die SPD zeigt, die AWO ist gut vernetzt.“

Guido Müller (FDP) hielt den Kreisumlagen-Antrag von SPD und CDU für nicht weitgehend genug, fand aber für die von seiner Fraktion beantragte Senkung um 3,1 Prozent keine Mehrheit: „Warum trauen wir uns nicht, Einsparungen zu machen?“ Knappe Finanzen träfen allerdings Kreis und Kommunen gleichermaßen: „Wenn die Decke kürzer wird, müssen wir ein wenig mehr kuscheln.“

Dieter Born (SWM), der mit zwei weiteren Kreistagsmitgliedern aus der CDU ausgeschieden ist, griff die Zusammenarbeit von CDU und SPD an: „Kooperation ist ja an und für sich gut. Wofür brauche die frisch Verliebten denn auch konkrete Ziele? Wie lang die neue Liebe hält – wir werden sehen.“ Konkret forderte der Sprecher der „Siegen-Wittgensteiner Mitte“ den Verzicht auf den Neubau eines Verwaltungsgebäudes. Mit einem Hieb auf eine Idee aus der FDP nannte er den Bau einer dritten Talsperre „möglicherweise unerlässlich“: „Durch Schwermetalle belastetes Grubenwasser nützt uns da als alternatives Trinkwasser wenig.“

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Hans Günter Bertelmann (UWG) fand für den Antrag, die Kreisumlage um zwei Prozentpunkte abzusenken, keine Mehrheit. Er begrüßte das in einem Gutachten empfohlene Controlling für das Jugendamt. „Wenn man es nicht schafft, die Kostensteigerungen zu verlangsamen, werden wir die Packenden nicht mehr zusammenbringen.“

Ullrich Georgi (Linke) wies darauf an, dass unter dem Begriff „Freiwillige Leistungen“ auch Bildung und Kultur fallen: „So zu tun, als ob man das alles zur Disposition stellen könnte, geht nicht.“ Die Kürzung von Sozialausgaben durch Absenken von Qualität „darf man nicht mal erwägen“. Der Einsparvorschlag des Linken-Sprechers: „Der Flughafen ist überflüssig wie ein Kropf.“

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