Siegen-Wittgenstein. „Es wird kein Impfstoff weggeschüttet“, so Dr. Thomas Gehrke, Leiter Impfzentrum Siegen. Frank Leyener sagt: Damals gab es noch keine Vorschrift.

Die Kassenärztliche Vereinigung hat drei Impfärzte aus Siegen-Wittgenstein von diesen Tätigkeiten entbunden. Bei allen dreien waren Unregelmäßigkeiten bei der Verteilung von übriggebliebenen Impfdosen aufgefallen.

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Es handelt sich dabei um Mediziner aus Burbach, Bad Laasphe und Bad Berleburg, die auf verschiedene Art und Weise gegen die Impfpriorisierung verstoßen haben und die nun nicht mehr impfen werden, weder als Teil von mobilen Teams in Einrichtungen, im Impfzentrum oder in ihren Praxen. Es soll auch zu persönlicher Bereicherung gekommen sein.

Übriggebliebener Impfstoff muss nach Siegen gebracht werden

Impfstoffe, gleich welcher Hersteller, gehören dem Land. Die Ärzte sind sozusagen als Dienstleister damit beauftragt, eine bestimmte Personengruppe zu impfen – zunächst die Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen, dann Menschen über 80 Jahre usw. Der Kreis organisiert den Impfstoff und verteilt ihn an die Impfstellen, die Kassenärztliche Vereinigung stellt das medizinische Personal bereit.

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In den Fläschchen ist genug Impfstoff für eine gewisse Mindestmenge Dosen – viele Ärzte schaffen es, mehr als diese Mindestzahl auf Spritzen zu ziehen. Da vorher auf Basis der Anmeldungen genau festgelegt wurde, wer und wie viele Personen geimpft werden, kann also etwas übrig bleiben. Dann greift eine Art „Reserveliste“: Rettungssanitäter oder -hubschrauberpiloten beispielsweise. Der vorgeschriebene Weg: Bleiben, etwa nach der Impfung in einem Seniorenheim, Dosen übrig, muss der Impfarzt beim Impfzentrum in Siegen nachfragen, was damit geschehen soll. Noch geschlossene Fläschchen können per Kühltransport nach Eiserfeld transportiert werden.

Impfzentrum Siegen organisiert die richtigen Impflinge, wenn es eilt

Ist das Vakzin bereits auf Spritzen gezogen, muss es vergleichsweise schnell verimpft werden. Wenn die Impfteams selbst bereits geimpft sind, organisiert das Impfzentrum eine Person gemäß der „Reserveliste“ – zum Beispiel Mitglieder des DRK-Ortsvereins oder der Feuerwache, die in der Nähe des Seniorenheims liegen. „Es wir nichts weggeschmissen“, betont Torsten Manges, Pressesprecher der Kreisverwaltung. Vorrang bei diesen Fällen hat Personal des Gesundheitswesens. Denn die Erstimpfung zieht zwangsweise ja auch die Folgeimpfung nach sich, die in der Impfbürokratie vermerkt und organisiert werden muss.

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Alle drei Mediziner haben sich nun nicht an dieses Vorgehen gehalten. Was mit dem überzähligen Impfstoff geschieht, geht sie im Grunde nichts an, über die weitere Verwendung dürfen die Ärzte als „angestellte Dienstleister“, wenn man so will, nicht entscheiden. Sie haben es aber dennoch getan.

Hausarzt aus Bad Laasphe hält mehrere geschlossene Fläschchen Impfstoff zurück

Hausarzt Frank Leyener aus Bad Laasphe-Feudingen hatte nach dem Impftermin in einer Senioreneinrichtung im Dezember mehrere Impfstoff-Einheiten mitgenommen, auch noch geschlossene Fläschchen, so Dr. Thomas Gehrke, Leiter des Siegener Impfzentrums. Eine „erschreckend hohe Zahl“ von Impfdosen habe der Mediziner dann in seiner Praxis verimpft und auch dabei gegen die Impfpriorisierung verstoßen – ein Jugendlicher hatte online geprahlt, bereits geimpft zu sein. „Die übriggebliebenen Fläschchen hätten problemlos ins Impfzentrum gebracht werden können“, sagt Gehrke – auch wenn die Entfernung groß sei. Nichts wäre weggeschmissen worden, auch für einzelne Spritzen in ländlichen Regionen gebe es „vorgesehene“ Impfkandidaten.

Leyener sei kein Held, betont Gehrke angesichts dessen öffentlicher Rechtfertigung. Leyener wiederum habe keinen Impfstoff wegschütten wollen, sagt der und verweist darauf, dass seinerzeit noch keine Anweisung zu übrig gebliebenem Impfstoff vorgelegen habe – die Reserveliste sei erst später gekommen.

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Eine Impfärztin aus Burbach hatte eine Art „Schneeballeffekt“ ausgenutzt: Wenn Dosen übrigblieben, wurden sie weiterverimpft, was ja auch den Termin für die Folgeimpfung nach sich zieht. Für den wurde wiederum Impfstoff bestellt – wieder blieben Dosen übrig, die dann wohl nach eigenem Gutdünken verimpft wurden.

Impfreihenfolge nicht eingehalten: „Stück mühsam erarbeitetes Vertrauen zerstört“

Ein Arzt aus Bad Berleburg hatte überzähligen Impfstoff nach einem Einsatz mit zurückgebracht und in seiner Praxis verimpft, „wohl nicht nur an alte Leute“, sagt Thomas Gehrke.

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Problematisch sei nicht nur der Vertrauensverlust, sagt Dr. Gehrke. Neben schleppendem Impfstart und der Diskussion um die – bestätigte – Wirksamkeit des AstraZeneca-Vakzins kommen immer wieder Fälle von „Vordränglern“ ans Tageslicht, die nicht warten wollen, bis sie mit dem Impfen an der Reihe sind. Wenn Ärzte, die zu Recht hohe Reputation genießen, mit Verstößen auffallen, „zerstört das ein Stück Vertrauen, dass wir uns mühsam erarbeitet haben“, sagt Gehrke. Im Impfzentrum Eiserfeld sei die Stimmung grandios unter allen Beschäftigten angesichts der Dankbarkeit und der Freude der alten Menschen, die endlich die ersehnte Impfung erhalten hätten.

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