Eiserfeld. Im Impfzentrum Siegen gibt’s die ersten Impfungen außerhalb von Pflegeheimen oder Kliniken. Ab Donnerstag steht AstraZeneca-Impfstoff bereit.
Das Impfzentrum des Kreises Siegen-Wittgenstein hat seinen Betrieb aufgenommen. Bis auf weiteres rund 170 Personen über 80 Jahre werden pro Tag in dem früheren Baumarkt an der Eiserfelder Straße mit dem Vakzin des Herstellers Biontech geimpft.
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Ab Donnerstag, 11. Februar, stehen dann über wöchentlich rund 2000 Impfdosen des Herstellers AstraZeneca zur Verfügung: Das dürfte die Impfung der Senioren beschleunigen, weil der neue Wirkstoff nur Personen unter 65 Jahren verabreicht werden darf und die Biontech-Präparate dann ausschließlich der höchsten Impfkategorie zur Verfügung stehen.
Das Impfzentrum in Siegen-Eiserfeld ist bis Anfang April ausgebucht
1080 Impfdosen Biontech/Pfizer pro Woche stehen in Siegen-Wittgenstein aktuell zur Verfügung, sieben Tage die Woche ist das Impfzentrum in der Zeit zwischen 14 und 20 Uhr in Betrieb. Eine Impfstraße wird von einem Arzt betreut, der das Aufklärungsgespräch führt und die Spritze setzt. Dazu gehören jeweils zwei Impfkabinen, in denen sich medizinische Fachangestellte um die Impflinge kümmern. Derzeit sind sechs der zwölf verfügbaren in Betrieb – unter Vollauslastung mit zwölf Kabinen und zwölf Stunden täglich wären pro Tag bis zu 1500 Impfungen möglich, so Landrat Andreas Müller.
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Mit der derzeit zur Verfügung stehenden Impfstoffmenge ist das Impfzentrum bis 4. April ausgebucht, werden die Vakzin-Kapazitäten aufgestockt, gibt es auch mehr Termine. Ab Donnerstag wird dann zusätzlich der AstraZeneca-Impfstoff verimpft, der nur für Personen unter 65 Jahren zugelassen ist. Das betrifft dann Personal etwa von Tages- und ambulanter Pflege, erläutert Landrat Müller.
Zudem soll es künftig möglich sein, dass beispielsweise Bewohner von betreuten Senioren-Wohngemeinschaften zuhause zur Impfung aufgesucht werden.
Impfzentrum Siegen: Am Eingang wird die Temperatur gemessen
Dr. Thomas Gehrke fällt eine Last von den Schultern. „Ein freudiger Tag, endlich, nach immer weiter rausschieben“, sagt der Leiter des Impfzentrums. Gerade hat er die Beschäftigten über Abläufe informiert, erklärt, wo alles ist, ihnen eingeschärft, die von den Apothekern aufgezogene Impfstoffmenge in der Spritze zu kontrollieren und lieber einmal mehr als einmal zu wenig darauf hinzuweisen, wenn es irgendwo hakt. „Eine Nervenbelastung“, sagt Gehrke über die vergangenen Tage und Wochen; wieder und wieder habe man alles kontrolliert, Abläufe überprüft, „was wir bis jetzt nicht gemerkt haben, wird uns hoffentlich gesagt.“
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Hans Seifert aus Hilchenbach hat am Eingang den Sicherheitsdienst seine Temperatur messen lassen, seinen Personalausweis gezeigt, seine Terminbestätigung. Der Kreis ist für den organisatorischen Ablauf im Impfzentrum zuständig, jede Person bekommt eine Nummer, meldet sich dann an, hinterlegt ihre Daten an der Anmeldung und bekommt einen Aufklärungsbogen. Im Wartebereich vertiefen sich der 85-Jährige und seine Tochter Anke Stötzel in den Aufklärungsbogen. Mitarbeiterinnen sind hier unterwegs, bieten bei Bedarf Hilfe oder rufen die nächste Wartenummer auf. Die elektronische Anzeigetafel ist recht klein und die Akustik wie im Schwimmbad, aber es klappt wie am Schnürchen.
Impftermin: Die Enkelin hilft dem Großvater im Siegerland am frühen Morgen
Direkt am ersten Tag habe ihre Tochter sich frühmorgens ans Termin-Telefon geklemmt, erzählt Anke Stötzel – die Medizinstudentin sei derzeit im Homeoffice und nachdem das System zwischenzeitlich zusammengebrochen war, hatte sie am Nachmittag auch die Bestätigung für den zweiten Impftermin des Großvaters.
Anke Stötzel wird am Donnerstag geimpft, erzählt sie. Sie ist selbst Pflegekraft, arbeitet für die Stiftung Diakoniestation Kreuztal. Anfangs sei sie zögerlich gewesen, sagt sie, „aber worauf noch warten?“ Es sei ja so schon schwer genug. Corona werde wohl erst einmal zum Leben gehören – also damit umgehen lernen. Die Impfung ist da ein wichtiger Schritt.
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Hans Seifert macht sich keine Sorgen wegen der Impfung. Wie viele alte Menschen, hat seine Tochter in ihrem Berufsalltag beobachtet. Seit vier Monaten hat er seine Enkelin nicht mehr gesehen, alle Kontakte heruntergefahren, nur die Tochter kommt täglich vorbei.
Jede Impfung in Siegen wird ans Robert-Koch-Institut gemeldet
Ihre Mutter sei bettlägerig, erzählt Anke Stötzel. Sie nimmt Überstundenfrei, um ihren Vater zum Impfzentrum zu bringen: Zuerst musste sie aus Kreuztal losfahren, eine Freundin abholen und zu den Eltern nach Hilchenbach bringen, damit die Mutter betreut ist. Dann mit ihrem Vater nach Eiserfeld, ihn nach der Impfung wieder nach Hause bringen, die Freundin ebenfalls. „Ein paar Stunden hat’s gedauert“, sagt sie. „Das kann man nur machen, wenn man gute Freunde hat.“ Ihr täten die alten Menschen leid, die allein zum Impfzentrum kämen – die gibt es auch.
Drei Säulen
Die Arbeitsteilung: Der Kreis stellt Personal für Verwaltung, Organisation, Reinigung und Sicherheit. Ärzte und medizinische Fachangestellte werden von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) organisiert, die Apothekerkammer übernimmt als dritte Säule die Konstituierung (Aufbereitung) des Impfstoffs.
Weil es anfangs bei der Terminvergabe zu Problemen kam, erhielten nicht alle auch direkt die Bestätigung des zweiten Impftermins. Für diese Personengruppe ist die Terminvereinbarung vor Ort möglich.
Dann wird die Nummer 19 aufgerufen, Hans Seifert und Anke Stötzel gehen in die Impfkabine und kommen nach ein paar Minuten wieder heraus. Alle waren sehr locker, nett und kompetent, berichten sie. 15 Minuten sollen sie noch warten, ob irgendwelche Sofortreaktionen auftreten, dann können sie sich abmelden (jede Impfung wird von der Kassenärztlichen Vereinigung ans Robert-Koch-Institut gemeldet) und das Impfzentrum auf der Rückseite wieder verlassen. Habe doch gar nicht weh getan, sagt Hans Seifert.
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