Hilchenbach. Beinahe wäre gar nichts draus geworden – aber dann fand sich doch ein Team, das das Festival stemmt. Fast ausschließlich in Distanz.

Sie hätten „mal was Neues ausprobieren wollen“, erzählt Heike Kühn. Die Geschäftsführerin des Jugendkulturfördervereins Push – im Ehrenamt, im Hauptamt arbeitet sie im städtischen Kinder-, Jugend- und Familienbüro - berichtet von der Idee, einmal in anderes Push-Festival zu machen. Nicht Nachwuchs-Metal-Bands auf der Bühne der Realschul-Aula. Sondern was mehr Internationales, Vielfältigeres, auch mit Kunst, Tanz und Literatur, manchmal auch Leiseres, mit einer Botschaft, mit neu dazugewonnenen Leuten, am besten in den Herbstferien. „Planet.Push. Hilchenbach“ eben. Das war im Januar 2020. In einer ganz anderen Zeit.Hier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Siegerland

Die Idee

An einem Mittwochabend im Februar 2021 schalten sich nach und nach acht junge Leute in die Videokonferenz mit Heike Kühn auf. Sie planen Planet.Push.Hilchenbach, das internationale Festival, das am 6. März steigt. Nicht in der Realschul-Aula, nicht in einem der Jugendzentren, sondern auf dem Youtube-Kanal von Push, gestreamt aus dem Interims-Jugendzentrum Underground in der ehemaligen evangelischen Kirche in Dahlbruch, wo die Technik von Juz on Air, dem Jugendzentrum im Internet, steht.

Leonard Melsheimer war, wie die meisten anderem aus dem Team, in den Herbstferien bei der Gedenkstättenfahrt des Kinder- und Jugendbüros in Hamburg dabei. „Wir wollten uns auch lokal engagieren“, erzählt der 18-Jährige. Heike Kühn fiel ihr fast schon wieder vergessenes Projekt ein: „Ich wollte die Fördermittel schon wieder zurückgeben.“ Die Idee, das Festival trotzdem zu machen, sei dann ganz langsam gereift, erzählt Leonard weiter. „Einmal haben wir uns dann noch getroffen, mit Abstand, als das noch möglich war.“ Und dann nur noch digital.

„Es ist wichtig, sich politisch zu engagieren“, findet Marlene Klein, „auf Missstände aufmerksam zu machen, nicht einfach nur vor sich hinzuleben.“ Es sei wichtig zu zeigen, dass Jugendliche eine Stimme haben, sagt die 18-Jährige. Und dann haben sie losgelegt: Musiker gesucht, die die Vielfalt ausdrücken, und Interviewpartner. Die Aufgaben wurden verteilt: Marlene kümmert sich zusammen mit Matea Marinic und Noah Trapp um die Künstler, Lara van Vorst und Leonie Sommerfeld machen die Öffentlichkeitsarbeit, die vor allem über eine Instagram-Seite läuft.

„Hier ist echt viel Power drin“, freut sich Heike Kühn. Von Leuten, die vorher noch nie zusammen etwas gemacht haben und jetzt auch nur auf Distanz kooperieren können. Zwei sind sogar erst auf den letzten Drücker dazugestoßen: Matea, 16, ist gerade erst mit ihren Eltern von München hierhin gezogen. „Ich wollte mich mit anderen Jugendlichen austauschen.“ Und Rebecca Müller, 18, hat über die Insta-Seite von Planet Push erfahren: „Wie cool ist das eigentlich…“

Das Programm

Und das ist das Line-Up: Daizen, Straßenmusiker und Loopkünstler aus Köln. Das Siegener Duo The Pathetics. Die Siegener Original Dynamixs, das sind der Freudenberger Florian Jung mit Siegerländer Platt und der aus Ghana stammende Perry Atsem. Und, ebenfalls aus Siegen, die Akustik-Gruppe All to All. Manche haben sie im Radio oder im Netz entdeckt. „Einige kannten wir auch einfach“, erzählt Marlene. Mit All to All zum Beispiel hat Leonie, 17, schon mal im Siegener Bruchwerk-Theater auf der Bühne gestanden. „Die fanden es toll, dass wir hier eine Auftrittmöglichkeit bieten.“

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Und Heike Kühn kannte, von einer Ferienfreizeit, die ehemalige Siegenerin Anima Kanzi, die 2020 bei DSDS dabei war. „Sie hat sehr viel Diskriminierungserfahrung.“ Becky konnte sich da gut reinfinden – auch sie hat schon Bühnenerfahrung, beim Jungen Theater Siegen: „Da geht es auch um diese Themen.“

Regelrecht gecastet haben sie die Fotografin, die sie dabei haben wollten. „Wir haben einige Mails hin- und hergeschrieben“, berichtet Noah, „sie sollte ja auch zu unserer Zielgruppe passen.“ Geschäftsführerin Jennifer Cierlitza vom Kunstverein Siegen vermittelte den Kontakt zu Julia Gaes aus Hamburg. Interviews wird es außerdem mit Leuten vom Jugendforum, vom „alten“ Push-Festival und mit Mohamed Hadji Maslem, dem Youtuber aus Hilchenbach geben.

Manchmal staunt auch Heike Kühn noch – das Kennenlernen dauert an: Marlene erzählt, dass sie bei der Jungen Bläserphilharmonie NRW spielt, Lara ist im Märkischen Jugendsinfonieorchester. „Das höre ich zum ersten Mal.“ Lara, 17, hätte sogar ein Stück fürs Festival komponiert. „Dazu ist es leider nicht gekommen, weil wir uns nicht treffen durften.“

Der Termin

Planet Push ist eines von zwei Projekten, mit denen Push im vorigen Jahr an den Start gegangen ist. Das andere ist das von Sascha Rötz betreute Beteiligungsprojekt „Bitte deinen Senf dazu“, das ebenfalls bei „Planet“ eingebracht wird. Zu Planet Push zahlt das Landesjugendamt einen Zuschuss von 85 Prozent zu den etwas 12.000 Euro Gesamtkosten. Den Eigenanteil bringt der Verein auf.

Der Livestream startet am Samstag, 6. März, 20 Uhr, auf dem Youtube-Kanal des Push-Festivals.

Im Studio werden am 6. März nur Leonie und Matea sein, die das Festival moderieren. Und Leonard, der mit Unterstützung von Julius Leuthold, Video-Designer und Push-Mitglied, das Streaming technisch umsetzt, die per Zoom geführten Interviews überträgt und die Videos mit der Musik einspielt. „Hoffentlich geht das nicht schief…“

Und dann?

So wird das also, das Festival, das es beinahe gar nicht gegeben hätte und das jetzt ganz anders wird, als es Push sich noch vor einem Jahr ausgedacht hat. Heike Kühn ist ein bisschen stolz: Dieses neue Team hätte sonst nie zusammengefunden. Dass die meisten von ihnen schon bald, nach dem Abi, wieder weg sein werden, muss nicht traurig machen. „Man kann dabei sei, auch wenn man jn Hamburg oder Berlin sitzt.“ Was Planet Push gerade beweist. Überhaupt: „Viele kommen für unsere Projekte zurück.“ Vor Corona sogar richtig körperlich.

Noah, 18, würde sich freuen, wenn das Festival auch die Angst nehmen würde, die er um sich herum wahrnimmt: „Angst vor allem, was man nicht kennt.“

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