Netphen. Eine hauchdünne Mehrheit will sich weiter mit dem Streaming der Netphener Ratssitzungen befassen. Der Rat ist gespalten: Manche fürchten „Hetze“.
Mit 17 gegen 16 Stimmen hat der Rat in geheimer Abstimmung die Verwaltung beauftragt, das Streaming von Ratssitzungen im Internet vorzubereiten. Konkret sollen die Kosten für die Anschaffung von einer oder zwei fest zu installierenden Kameras, die Kosten für die Aufzeichnung durch Bedienstete der Verwaltung oder beauftragte Dienstleister ermittelt sowie Formulierungen für die erforderlichen Einverständniserklärungen der gefilmtem Personen und für die Änderung der Rats-Geschäftsordnung erarbeitet werden.
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Netphen: Argumente für und gegen das Streaming von Ratssitzungen
Vorgelegt worden war dem Rat eine Ausarbeitung der Verwaltung, nach der pro Sitzung Kosten von 3000 Euro entstünden. So teuer müsse es nicht werden, meinte Louis Roth (FDP): Schließlich sei das Streaming „keine große technische Herausforderung“. Fachbereichsleiterin Heike Büdenbender äußerte allerdings Zweifel, ob mit einer Minimaloptik das erwünschte Publikum erreicht wird.
„Der Versuch lohnt, die Zeit ist reif“, fand Sebastian Zimmermann (CDU), „auch wenn das keine Blockbuster sind.“ „Wir gucken ja hier nicht Fußball“, stellte Louis Roth (FDP) fest, „wir wollen Nachvollziehbarkeit bieten, wie wir zu Entscheidungen kommen.“
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„Netphen muss hier kein Vorreiter sein“, wandte Elke Bruch (SPD) ein. Transparenz sei wichtig, die Online-Übertragung aber werde auch die Diskussion beeinflussen. Ignaz Vitt (UWG) äußerte die Sorge vor Kommentierungen im Netz: „Es ist die Frage, ob man Hetzern eine Plattform geben sollte und dann noch unsere Gesichter dazu.“ „Sollten wir nicht erst mal den Rat fragen, wer überhaupt mitmacht?“, fragte Kämmerer Hans-Georg Rosemann. Schließlich stehe der Sinn des Projekts in Frage, wenn ein Großteil der Stadtverordneten und Verwaltungsbediensteten gar nicht zu sehen und zu hören sei: „Wenn wir also nur gepixelte Gesichter sehen und auf Fragen keine Antworten hören.“
Die Beteiligung des Rates werde am Ergebnis der geheimen Abstimmung abzulesen sein, sagte Ignaz Vitt (UWG): Demnach wäre etwa die Hälfte der Stadtverordneten nicht dabei. In der Verwaltung sei die „Tendenz eher negativ“, berichtete Bürgermeister Paul Wagener. Gewünscht werde der „Schutz vor dieser plakativen Form der Öffentlichkeit“.
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Klaus-Peter Wilhelm (UWG) wollte das Live-Streaming ausgeschlossen wissen. Allenfalls in Frage komme die zeitversetzte Bereitstellung einer bearbeiteten Aufzeichnung. Letzteres hatte die Verwaltung in ihrer Vorlage allerdings von vornherein ausgeschlossen: Dann wären noch mehr datenschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten, abgesehen davon wäre ein Löschdatum sowieso festzulegen.
Die Befürworter warfen andere Argumente in die Waagschale: „Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, die Demokratie den Bürgern näherzubringen“, sagte Silvia Glomski (Grüne). Den Einwand, dass schon der Online-Bürgerhaushalt mit seinen Mitwirkungsangeboten kaum angenommen worden sei, wies sie zurück: „Das ist zehn Jahre her, die Entwicklung ist weitergegangen.“ Es sei „nicht in Ordnung“, Bürgern von vornherein Desinteresse zu unterstellen, sagte Diana Borawski (SPD): „Hat jemand mal die Leute gefragt?“
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Lothar Kämpfer (SPD) wies auf die vielen digitalen Elemente hin, die bereits in die Kommunalpolitik eingezogen seien: vom Facebook-Auftritt bis zum Ratsinformationssystem. „Das ist die Chance, mal einen Schritt ins Neuland reinzugehen“, warb Louis Roth (FDP). Sebastian Zimmermann (CDU) sah die Stadt in der Pflicht, sich selbst neben der Bundes- und der Landespolitik sichtbar zu machen: „Was die Menschen am meisten betrifft, findet im Netz nicht statt.“
Diskussion um Streaming von Netphener Ratssitzungen: Im April geht es weiter
Die lange Diskussion wurde zunehmend schwierig. „Man muss das Rad nicht neu erfinden“: Steffen Löhr (SPD) regte an, Erfahrungen bei anderen Kommunen abzufragen. Olaf Althaus (FDP) nahm seine Gegenüber in den Blick: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Verwaltung das nicht möchte.“ Bürgermeister Paul Wagener widersprach: „Wir führen aus, was Sie beschließen. Wir hätten aber gern genau formulierte Arbeitsaufträge.“ Sebastian Zimmermann (CDU) gab das Ringen um Konsens auf: „Man darf auch die Möglichkeit geben, dagegen zu stimmen.“ Fortsetzung im April.
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