Netphen. Mit dem Pilotprojekt setzen sich Friederike Klöckner und ihre Mitstreiter in Netphen dafür ein, dass der Siegerländer Wald dauerhaft gesund wird.

Der Wald ist einfach so da und tut den Menschen gut. Er speichert CO2, filtert Trinkwasser, liefert Holz. Und immer mehr zeigt sich, auch im Siegerland: Dem Wald geht es nicht gut.

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Zumindest nicht dem Wald, so wie er ist. Trockenheit und Borkenkäfer haben den Fichtenbeständen zugesetzt; gewaltige Mengen abgestorbener, kranker Bäume werden gefällt und abtransportiert, weite Kahlflächen gehören jetzt auch zur Landschaft. Friederike Klöckner will etwas dagegen tun. Viele wollen etwas dagegen tun. Und sie haben schon etwas getan.

Friederike Klöckner stellt bei Heimatbesuch in Netphen fest: Es stimmt was nicht

Friederike Klöckner ist in Netphen aufgewachsen, wo es immer nur ein paar Schritte bis in den Wald sind. Ihr Vater hat einen Hof in Obernetphen, mit 20 zog Klöckner los in die Welt, aber den Siegerländer Wald wird sie nicht los. Seit fast drei Jahren lebt sie inzwischen in Prag, wo Klöckner für den VW-Konzern arbeitet – und im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war sie für längere Zeit wieder zu Hause. Es war etwas passiert mit dem Wald.

Kahlgeschlagene Flächen gehören inzwischen auch zum Erscheinungsbild des Waldes. Hier standen schadhafte Bäume.
Kahlgeschlagene Flächen gehören inzwischen auch zum Erscheinungsbild des Waldes. Hier standen schadhafte Bäume. © Hendrik Schulz

„Ich habe von Netphen aus gearbeitet“, erzählt Klöckner, „und außer arbeiten und Spazierengehen konnte man halt nicht viel tun.“ Der Zustand des Walds – „das hat mich gepackt“, sagt sie, „ich dachte, ich muss irgendwas machen. Keine Ahnung was.“ So richtig mit dem Wald beschäftigt hatte sie sich nie – er war halt immer da. Sie sprach mit ihrem Vater, mit dem Obernetpher Waldvorsteher Gerhard Johnson, befasste sich mit den Genossenschaftsstrukturen der Waldbesitzer. Und sie entwickelten eine Idee. Ein Pilotprojekt. Ein großes Experiment.

Die Situation in Netphen: Manche Waldbesitzer wirken überfordert

Wie können sie die Voraussetzungen schaffen, damit sich ein klimastabiler Wald entwickeln kann? Damit keine braun-grauen Fichtenplantagen mehr abgeholzt werden müssen, damit der Wald trotz des Klimawandels gesund bleibt? Welche Baumarten braucht es dafür überhaupt und wie pflanzt man sie?

Friederike Klöckner hatte als Außenstehende den Eindruck, dass die Situation viele Waldbesitzer in eine Art Starre versetzt hatte. Allein in der Waldgenossenschaft Obernetphen, die etwa 160 Hektar Wald betreut, sind zwischen 35 und 40 Hektar Altfichten tot, sagt Klöckner. Die meisten Genossen sind Waldbauern im Nebenerwerb, sie hatten alle Hände voll zu tun mit der vielen Arbeit, die da über sie hereingebrochen war. „Ich bin keine Miteigentümerin und persönlich nicht betroffen“, sagt Friederike Klöckner. „Aber ich kann mir vorstellen, was das für ein lähmendes Gefühl sein muss.“

Die Idee: Alle gemeinsam für einen gesunden Bergmischwald

„Wir müssen was tun.“ Friederike Klöckner ließ nicht locker, stellte viele Fragen. „Das ist eine Generationen- und Gemeinschaftsaufgabe“, findet sie. Im Lauf der Zeit konnten sie und ihre Mitstreiter immer mehr Antworten auf die Fragen geben. Ein klimastabiler Bergmischwald sollte gepflanzt werden, auf einer Kahlfläche der Waldgenossenschaft Obernetphen. Eine Webseite entstand. Und vor allem fanden sich viele Menschen, denen der Wald ebenfalls am Herzen liegt. Nicht nur die Waldbesitzer und Genossenschaftsmitglieder – einfach Bürger, die auch den Wald sehen und sich wünschen, dass er noch lange da sein möge.

Bei der Gemeinschaftsaktion sammelten die Helfer Eicheln. Nun werden sie in Pflanzkästen herangezogen.
Bei der Gemeinschaftsaktion sammelten die Helfer Eicheln. Nun werden sie in Pflanzkästen herangezogen. © Hendrik Schulz

„Im September haben wir einen Spendenaufruf gestartet, um Setzlinge kaufen zu können“, erzählt Friederike Klöckner „und wir hätten nie mit so einer Resonanz gerechnet.“ Viele waren genauso betroffen wie sie, wünschten sich genauso, etwas tun zu können für den Wald, ihren Beitrag zu leisten. Etwas zurückzugeben. „Eine Gemeinschafts- und Generationenaufgabe“, sagt Friederike Klöckner noch einmal. „Der Wald ist ein kostenloser, natürlicher Öko-Dienstleister, den wir als selbstverständlich hinnehmen.“

Die Umsetzung: Mit so vielen Spenden hätten sie nicht gerechnet

Beim ersten Spendenaufruf kam so viel Geld zusammen, dass mehr Setzlinge gekauft werden konnten, als für die 1,6 Hektar große Fläche vorgesehen war. Also wurden zwei Hektar bepflanzt – von Freiwilligen. Wer Lust hatte, konnte mitmachen. Und es hatten viele Lust. Fast 30 Menschen kamen zum Pflanztermin „und alle hatten richtig Bock“, sagt Friederike Klöckner lächelnd.

Personal ist das eine – wer sich etwas auskennt, weiß, wie aufwendig die Waldarbeit ist: Setzlinge sind gerade schwer zu bekommen – alle wollen wiederaufforsten. Aber Gerhard Johnson konnte die Pflanzen beschaffen. Wildschutz ist enorm teuer – statt jeden Setzling mit Plastikplanken vor den knabbernden Rehen zu schützen, fertigte ein Netphener Sägewerk aus „Kalamitätsholz“ Gatter, um die ganze Fläche einzuzäunen. Helfer sammelten Eicheln, die in kleinen Kästen angezogen werden sollen. Nach ein paar Stunden waren bei der Pflanzaktion 1800 Setzlinge nach forstwissenschaftlichen Vorgaben im Boden und die Fläche eingezäunt. Ein Wald noch in den Babyschuhen, gepflanzt von den Menschen.

Die Zukunft: Der Bergmischwald in Netphen war nur der Anfang

Friederike Klöckner hat etwas angeschoben, das weitergehen soll. Sie und Gerhard Johnson und all die anderen haben Menschen angesteckt, mitgenommen, „es soll etwas Langfristiges sein“, sagt sie. Am besten erstelle man jetzt einen Fahrplan für die nächsten Jahre. Immer im Frühjahr und im Herbst könnte in einer Gemeinschaftsaktion eine Kahlfläche zum Bergmischwald der Zukunft werden. Schul-AGs könnten zum Beispiel Baumschulen gründen, Setzlinge heranziehen, die Waldgenossenschaften ihr gesamtes Wissen, ihre Kräfte und ihre Erfahrung zusammenwerfen, voneinander lernen und mehr kooperieren.

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Nicht nur in Netphen. Die Menschen sollen mitmachen können – wie und was genau will Friederike Klöckner überhaupt nicht vorgeben. Hauptsache, so viele wie nur möglich machen mit und pflanzen klimastabile Bergmischwälder. „Ich bin hier groß geworden und habe viel Zeit im Wald verbracht“, sagt sie. „Er liegt mir am Herzen und er betrifft mich persönlich.“ So, wie viele andere eben auch. Das hat Potenzial, findet sie. „Es passiert schon so viel, wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir müssen nur unsere Kräfte und Ideen bündeln und neue Plattformen für den Austausch schaffen.“ Hauptsache, der Wald wird wieder gesund.

Wer Ideen und Interesse hat am Projekt „Bergmischwald Siegerland“ findet Infos auf bergmischwald-netphen.jimdofree.com

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