Littfeld. Fred Meier ist nicht vergessen: Er war drei Jahre alt, als er 1943 mit seiner Mutter von den Nazis verschleppt wurde. Sie starben in Auschwitz.

Corona verhindert die Gedenkstunde: Nur FDP-Fraktionschef Frank W. Frisch begleitet Bürgermeister Walter Kiß an diesem Mittwochnachmittag auf den Fred-Meier-Platz. „Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, wohin es führen kann, wenn fehlgeleitete Ideologie die Menschlichkeit verdrängt. Damals wie heute gilt es, den Zusammenhalt und die Rücksichtnahme zum Wohle derer, die unseren besonderen Schutz benötigen, zu erhalten“, sagt Walter Kiß. Für die Ortsvereine legte Doris Schumacher einen Kranz nieder.Hier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Siegerland

Das Ende als Verwaltungsakt

Das letzte, was Zeitzeugen über Fred Meier überliefert haben, sind die Umstände der Deportation Ende Februar 1943: In der Schubkarre brachte der Vater den Sohn zum wartenden Zug im Littfelder Bahnhof. Noch auf dem Bahnsteig wurde der Mutter das Kind entrissen, berichteten die Chronisten.

Blatt Nummer 99 im Krombacher Geburtenregister des Jahrgangs 1939 – das Jahr, in dem der Zweite Weltkrieg begann: Der Krombacher Bürgermeister nimmt Silvester 1939 die letzte Eintragung des Jahres vor. Sie betrifft Fred Meier, der eine Woche zuvor geboren worden ist. Fred Meier war mit einiger Wahrscheinlichkeit der erste Neugeborene mit jüdischen Eltern in dessen Amtszeit. Wunschgemäß trug er für das Baby den Namen Fred ein. Er vergaß auch nicht den seit 1938 obligatorischen „Zweitnamen“, den die Nazis allen männlichen Juden aufzwangen: Israel. So hieß auch Vater Siegfried mit Zusatznamen. Fred Meiers Mutter Mina hatte den Namen „Sarah“ eintragen müssen. Was der Bürgermeister und Standesbeamte an diesem Silvestertag nicht kannte, war die verbindliche Liste „jüdischer Vornamen“: Fred gehörte nicht dazu. Darauf reagierte die Gestapo sofort. Mit Eintrag vom 25. Mai 1940 wurde „auf Anordnung der Aufsichtsbehörde“ aus Fred ein „Berl“. Elf Jahre nach der Eintragung der Geburt war es wiederum der Standesbeamte in Krombach, der die Aufgabe hatte, den Tod von Fred Meier zu registrieren. Am 27. Dezember 1950 beurkundete er den Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 14. Juli desselben Jahres. Als Todestag gilt seither der 8. Mai 1945, der Tag des Kriegsendes. Für tot erklärt wurde „Berl“ Meier.

Gedenken

In Hilchenbach wurde 2013 ein Gedenkstein für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus enthüllt. Jeweils am 27. Februar findet dort seit 2019 eine Gedenkfeier statt – am 27. Februar 1943 waren mit Gerti Holländer und ihrem zehnjähriger Sohn Lothar die letzten Juden aus der Stadt deportiert worden. Auch diese Gedenkfeier findet in diesem Jahr wegen Corona nicht statt.

Der Beginn der Hetze

Zwei jüdische Metzgereien gab es in den 1930er Jahren in Littfeld: die von Raphael Meier, der mit Frau und Schwester 1942 deportiert wurde, und die von Adolf Meier, Freds Großvater. In ihrem Haus befand sich auch ein Gebetsraum. Beide Familien sind Ende des 18. Jahrhunderts nach Littfeld gekommen. Überliefert ist die Hetze im Naziblatt „Der Stürmer“ nach der Feuerwehrübung 1934. Die dort hinterher gereichte Wurst habe „scheußlich“ geschmeckt: „Kein Wunder auch: Sie war von den Judenmetzgern Raphael und Siegfried Meier geliefert worden.“

Das Gedenken

Fred Meier war das jüngste Mitglied der jüdischen Gemeinde in Littfeld. Im Alter von drei Jahren wurde er am 28. Februar 1943 zusammen mit seiner Mutter nach Auschwitz deportiert. Am 30. Januar 1983, dem 50. Jahrestag der Machtergreifung durch die NSDAP, wurde der Platz vor dem Feuerwehrgerätehaus nach Fred Meier benannt. Seitdem finden dort jährliche Gedenkstunden statt – seit 1996 am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.

Auch die Jugendlichen des Jugendtreffs Glonk in Littfeld, die sonst mit einem Redebeitrag an der Gedenkstunde beteiligt sind, haben sich für dieses Jahr eine Alternative einfallen lassen. Jeweils zu zweit sind sie losgezogen und haben die insgesamt zwölf Stolpersteine in Littfeld und Krombach geputzt, poliert und eine Rose niedergelegt. Zusätzlich haben sie die Broschüre zu den Stolpersteinen erneuert. „Dass die Juden auch hier in Littfeld verfolgt worden sind, macht das Ganze irgendwie noch schlimmer“, sagt der zwölfjährige Fabian, „weil das alles hier passiert ist, wo ich heute selbst lebe.“

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