Littfeld. .

1934 nach der Feuerwehrschlussübung durften die beiden Littfelder Metzger noch eine „nicht unbeträchtliche Menge an Wurst“ zur anschließenden Feier bringen. Das meldete das Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ im April 1935, nicht ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass die Wurst „scheußlich“ geschmeckt habe: „Kein Wunder auch: Sie war von den Judenmetzgern Raphael und Siegfried Meier geliefert worden.“ So steht es in Dieter Pfaus Buch über die Geschichte der Juden im Amt Ferndorf.

Im Jahr darauf schon griff der flächendeckende Boykott der Nazis gegen jüdische Geschäfte. Zu dieser Zeit waren die Familien Meier, deren Vorfahren Ende des 18. Jahrhunderts ins Siegerland gekommen waren, in das dörfliche Gemeinschaftsleben integriert. Viele Jahre hatten sie die Littfelder Bevölkerung zu deren Zufriedenheit versorgt.

Der Anfang vom Ende der Existenz der jüdischen Metzgerbetriebe in Littfeld begann damit, dass sich ein „auswärtiger Metzger“ aus Kreuztal, der SS-Mitglied war, mit einer Verkaufsstelle in Littfeld niederließ. Es folgten Jahre der Entrechtung, Enteignung und Demütigung. 1942 wurden Raphael Meier und seine Frau Johanna sowie deren Schwester Eva Marx 1942 deportiert und starben im KZ Zamosc. Siegfried Meiers Frau Minna wurde 1943 mitsamt ihrem kleinen Sohn Fred nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Über das Schicksal von Siegfried Meier gibt es keine verlässlichen Angaben.

Die beiden Metzgereien gibt es in Littfeld heute noch: Der Betrieb von Raphael Meier (heute: Grubenstraße 2) ging später an eine Familie Sowa über und wurde 1975 an die aus Ostwestfalen zugezogene Metzgersfamilie Rönnecke verkauft. Die Metzgerei Adolf Meier (heute Hagener Straße 393), die von seinem Sohn Siegfried geführt wurde, hat 1981 der Eichener Fleischermeister Jürgen Hohberger übernommen.

Geschichte des Hauses erforscht

Den Nach-Nachfolgern der Meiers sind diese Geschehnisse sehr wohl bewusst. Gert Rönnecke junior, der in zweiter Generation den elterlichen Betrieb führt, wurde von seinen Eltern an die Geschichte des Hauses herangeführt, in dem heute sein Geschäft ist und wo er mit seiner Familie lebt.

Hannelore Rönnecke, die 77-jährige Seniorchefin, hatte sich intensiv mit den historischen Zusammenhängen beschäftigt und bei Zeitzeugen informiert. Vor einigen Jahren ließ sie sogar mit Hilfe eines älteren Littfelders für das Haus eine Chronik erstellen.

1805 war das heutige Gebäude an der Grubenstraße entstanden. 1878 kaufte der 1839 in Burgholdinghausen geborene Benjamin Meier das Haus und gründete dort die Metzgerei. Über mehrere Generationen gehörte dieser Betrieb wie auch der der Vettern auf der anderen Straßenseite, kaum 100 Meter weit entfernt, zur Infrastruktur des Dorfes - bis die Nazis kamen. Hannelore Rönnecke erfuhr im Laufe der Zeit immer mehr über die damaligen Ereignisse und vermittelte es ihrem Sohn Gert: „Als Kind habe ich erfahren, welche fürchterlichen Dinge hier geschehen sind.“ Für Gert Rönnecke ist es „das Schlimmste, was man Menschen antun konnte“. Empörend findet der 50-Jährige „die Gründlichkeit, mit der Menschen getötet und als Versuchskaninchen missbraucht wurden.“

Erfahrungen mit einer Diktatur

Das Schicksal der Meiers hat Hannelore Rönnecke nachhaltig bewegt: „Ich schließe sie immer noch in meine Gebete ein.“ In jungen Jahren hat sie selbst erlebt, was eine Diktatur bedeutet. Genau am 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, war sie über Berlin aus der damaligen DDR in den Westen zu ihrem bereits vorher geflüchteten Mann geflohen.

Bei Jürgen Hohberger kam die Beschäftigung mit den Familien Meier, nachdem er das 1913 errichtete Gebäude an der Hagener Straße kaufte und umbaute. Im Obergeschoss befanden sich noch Reste eines Gebetsraumes, zu dem eine breite Treppe ins Obergeschoss führte. Bei Rönneckes befindet sich mitten im Wohnzimmer heute noch eine achteckige Säule, die den dortigen Gebetsraum unterteilte. Bei Renovierungsarbeiten wurde ein Wandsockel gefunden, der als Altar gedient haben muss.

Das schreckliche Schicksal der Meiers, die Opfer einer verblendeten Ideologie wurden, hat Jürgen Hohberger betroffen gemacht: „Das darf nicht mehr geschehen“, sagt der Innungsobermeister. Sein Kollege Gert Rönnecke pflichtet bei: „Das ist die Verantwortung, die wir haben.“ Daher war es für beide Metzgersfamilien eine Selbstverständlichkeit, je einen Stolperstein zu kaufen. Die Verlegung vor den Häusern der Littfelder Juden ist am 11. März vorgesehen.

Gert Rönnecke ist überzeugt, dass die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis und die daraus zu ziehenden Lehren lebendig bleiben müssen. Auch für Jürgen Hohberger bleibt es eine Notwendigkeit der heute Lebenden, „mit allen Mitteln dem entgegenzuwirken, dass es nicht wieder passiert“.