Siegen. Eine Verfolgungsjagd, die den Zugverkehr in Siegen lahmlegt, eine wilde Prügelei in einem Weidenauer Kaufhaus: Ein 35-Jähriger steht vor Gericht.

„Gegebenenfalls werde ich durch meine Anwälte aussagen“, kündigt der Angeklagte für das Verfahren an, das bis Ende März terminiert ist. Nach Verlesung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe steht ohnehin bereits fest, dass er wohl eher ein Mann der Tat ist: Dem 35-jährigen Siegerländer werden serienweise Ladendiebstähle vorgeworfen, bei denen er einige Male Messer bei sich trug, einmal auch eine Schreckschusspistole.

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Es geht um möglichen räuberischen Diebstahl, aber auch Körperverletzungen, Nötigung, schließlich Drohungen gegen einen Netphener Ortsvorsteher. Vor allem aber sind auch die auf den ersten Blick eher beiläufig wirkenden Taten teils ziemlich spektakulär ausgefallen, mit Verfolgungsjagden und einer heftigen Prügelei in einem sonst beschaulichen Siegener Kaufhaus. Die Masse der Vorwürfe bündelt sich im Juni und Juli 2020.

Siegen: Verdächtiger flüchtet über Gleise, Polizei lässt den Zugverkehr stoppen

Am 6. Juni soll der Angeklagte in einem Siegener Discounter ein paar Flaschen Bier sowie Bierwürste im Gesamtwert von 5,09 Euro gestohlen haben. Der Filialleiter und ein Mitarbeiter verfolgten ihn bis zum nahen Bahndamm, wo sie auf Polizisten trafen, die den Täter weiter verfolgten und sogar den Zugverkehr stoppen ließen, weil sich der Flüchtige, bei dem der Filialleiter ein Messer in der Hosentasche bemerkt hatte, mittlerweile auf den Gleisen Richtung Bahnhof lief.

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Der Mann sei dann über sämtliche Gleise gerannt und beim Versuch, den steilen Damm auf der anderen Seite hinabzukommen, hinuntergefallen. „Wir sind ihm gefolgt, ohne dass wir gefallen sind“, betont einer der Zeugen, die den Angeklagten schließlich aufsammelten und seine Personalien aufnahmen.

Ein paar Tage später wurde er in einem anderen Siegener Markt erwischt, wie er in Begleitung einer jungen Frau Sneakers anprobierte und seine alten Schuhe in den Karton steckte. Gut eineinhalb Wochen davor sei er mit „der gleichen Masche“ schon einmal im Laden gewesen, damals aber nur von der Kamera aufgezeichnet worden, berichtet der Ladendetektiv.

Zeugin sagt aus: Angeklagter habe in Weidenauer Bekleidungshaus brutal zugeschlagen

Schließlich bemerkte ein Mitarbeiter eines Weidenauer Bekleidungshauses, dass der gepflegt und unauffällig wirkende Angeklagte abgerissene Etiketten in einer Umkleidekabine hinterlassen hatte. Er folgte ihm, stellte ihn wegen Diebstahls zur Rede und wurde geschubst. Der leitende Angestellte setzte nach und fing sich ein paar heftige Schläge ein, bevor sich der Dieb – in seiner Tasche waren eine Hose und ein T-Shirt aufgefallen – entfernen konnte, um später von der Polizei aufgegriffen zu werden.

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Ihr Kollege sei „mit dem Kleiderständer praktisch durch den ganzen Laden geflogen“, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin des Geschäftes. Eine andere Angestellte beschreibt das Verhalten des Angeklagten als ungewöhnlich brutal: „Er hat sich nicht einfach nur gewehrt, sondern richtig ausgeholt und fest zugeschlagen.“ Das Opfer sei nicht mehr ganz jung, „aber er ist schon ein gestandener Mann. Der macht auch Sport und kann sich wehren. Wenn der einfach umgenietet wird“, dann müsse schon ordentlich Wucht dahinter gewesen sein, ist sich die Frau sicher.

Massive Drohungen gegen Netphener Ortsvorsteher

Der Mitarbeiter erlitt eine Handverletzung, als er sich aus den diversen Kleiderständern wieder „auszuwickeln“ versuchte, die ihm einige Wochen zu schaffen machte. Schlimmer hatte es die jüngere Kollegin getroffen, die ebenfalls in einen solchen Ständer und über einen Tisch stürzte und sich eine heftige Prellung am Rücken zuzog. Beide Zeugen stellen Anträge auf Schmerzensgeld. „Ich möchte mich entschuldigen, dass ich Dich geschubst habe“, ist die Reaktion des Angeklagten.

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Die vernommenen Polizeibeamten können übereinstimmend bekunden, dass der Angeklagte ihnen gegenüber stets höflich und kaum aggressiv aufgetreten ist. Allerdings sei dessen Name wohl bekannt und öfter in Kollegenkreisen genannt worden. Weiter geht es am 3. Februar. Für den Verhandlungstag am 24. Februar ist der Netphener Ortsbürgermeister geladen, vor dessen Haus der Mann im Juli 2020 regelmäßig aufgetaucht sein und Drohungen ausgerufen haben soll. Sätze wie „Ich steche Dich ab“, „Ich bringe Dich und Deine Familie um“ oder „Ich stecke Dein Haus und Deine Autos an“, sollen gefallen sein.

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