Siegen. Die Verhandlung gegen einen 33-jährigen Siegener wegen verschiedener Straftaten dauert länger als geplant. Wichtige Zeugin kommt nicht
Befriedigend ist anders. Die wichtigste Zeugin kommt nicht, kann auch nicht vorgeführt werden. Die weiteren Vernehmungen lassen viele Fragen offen. Das Verfahren gegen einen 33-jährigen Siegener, der wegen vielfachen Vergehen verantworten muss, geht in die Verlängerung, wird am 3. Februar fortgesetzt. Nach Plan wäre es schon vorbei.
Lesen Sie auch: Täter übt Gewalt gegen vermeintliche Pädophile aus
Die Freundin des Angeklagten sollte zu seiner Geschichte, seiner Persönlichkeit aussagen. Der junge Mann fand das überflüssig, der Gutachter hingegen wichtig und bleibt dabei. Sie ist die Mutter seiner über alles geliebten Tochter, kommt aber nicht. Richterin Elfriede Dreisbach lässt die Polizei losschicken, um die Frau möglicherweise am Donnerstagnachmittag noch in die Verhandlung zu bekommen. Sie kann aber zu Hause nicht angetroffen werden, wie die Beamten später melden. Jetzt soll es für den nächsten Termin erneut versucht werden.
Schlag ins Gesicht in Frischemarkt in der Siegener Oberstadt
Anwesend ist dafür diesmal ein junger Mann, der sich als Cousin des Angeklagten vorstellt, tatsächlich aber „nur“ angeheiratet ist. Er hatte den vorherigen Termin vergessen und war zudem nach einem Coronafall in der Verwandtschaft „in freiwilliger Quarantäne“, so entschuldigt er sein Fernbleiben. Dann ärgert er das Gericht noch mehr mit einem ziemlich schlechten Erinnerungsvermögen. Ende März 2019 hatte er selbst die Polizei gerufen, weil sein Verwandter ihn gezwungen haben sollte, Nahrung zu kaufen oder ihm Geld zu besorgen. Wobei er damals lediglich angab, den Täter von früher zu kennen.
Der Zeuge wohnt in der Siegener Oberstadt, ging mit dem Angeklagten in einen nahen Frischemarkt und bekam einen Schlag ins Gesicht, dass die Lippe blutete. Er erinnere sich kaum noch, erzählt er nun dem Gericht, will unter einer heftigen Gehirnerschütterung gelitten haben. Deren Ursprung wohl mit dem Angeklagten zu tun habe, genaues aber wisse er eben nicht mehr. Da sei es um ein Fahrrad des anderen gegangen, das er „angeblich verscherbelt“ hätte. „Wir hatten ein paar Tage Streit. Er hat mir immer leid getan, aber danach wollte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben“, sagt der Zeuge, bleibt aber bei den Einzelheiten weiter ungenau. Was ihm sehr leid tue. „Das glauben wir Ihnen nicht“, wehrt die Vorsitzende ab.
Siegener Polizeibeamte sagen auf Wunsch des Verteidigers aus
Auf Wunsch des Verteidigers sind Polizeibeamte geladen, die seinen Mandanten damals festgenommen und durchsucht haben. Wichtig ist dem Anwalt ein Messer, das im Rucksack des jungen Mannes gefunden wurde. Wie griffbereit war das Stichwerkzeug? Darauf gibt es keine Antwort. Keine Erinnerungen, nicht unmittelbar beteiligt. Der Verteidiger fragt auch noch nach einem auffälligen Mobiltelefon, dessen Verbleib nicht in den Akten aufgeführt sei. Da müsse es noch eine separate Liste auf der Wache geben, betont einer der Polizisten: „Wenn wir Gäste haben und in ein Hotelzimmer stecken“, werde immer alles genau festgehalten, schmunzelt der Zeuge.
Lesen Sie auch: Siegener wegen Gewalttaten, Diebstahl und Drogen vor Gericht
Schließlich hört das Gericht noch zwei Beamte aus der JVA Attendorn. Einer kennt den Angeklagten schon seit Jahren und war sehr überrascht bei dessen Einlieferung; „Er war völlig verändert, stand irgendwie neben sich.“ Wochenlang sei kein vernünftiges Gespräch möglich gewesen, er habe ständig unter Beobachtung stehen müssen. Dann habe er den Häftling aufgesucht, „um ihm Feuer zu geben, und von jetzt auf gleich war er wieder normal“. Sein Kollege spricht dagegen von einer „stufenweisen“ Besserung über einen längeren Zeitraum.
Siegener nach komischer Spritze tagelang herumgeirrt
Beim Aufenthalt davor sei alles nur um die Tochter gegangen, für die der Angeklagte von nun an habe leben und arbeiten wollen. 2019 nun müsse es wieder einen Bruch mit der Freundin gegeben haben. Der Angeklagte habe von einem Besuch bei ihr und einem neuen Partner berichtet, bei dem ihm eine komische Spritze untergeschoben worden sei: „Danach sei alles anders gewesen, er sei tagelang herumgeirrt und irgendwann in Frankfurt halbwegs zu sich gekommen.“
2017 hatte sich der Beamte für den Mann eingesetzt, ihm sogar zu einer vorläufigen Haftentlassung verholfen. Weil er einen Job bei seinem künftigen Schwiegervater in Aussicht hatte stellen können. Der Angeklagte selbst beteuerte in einem Brief seine vorbildliche Führung, seine Absichten für ein neues Leben für die Tochter und sein besseres Verständnis für das eigene Leben und die vielen Straftaten, woran er hart gearbeitet hätte. Es tue ihm außerordentlich leid, bei der Verhaftung Widerstand geleistet zu haben. Seine Freundin sei krank, er habe in der dadurch bedingten Risikoschwangerschaft bei ihr bleiben wollen und die Absicht gehabt, sich später selbst zu stellen.
Mehr Nachrichten und Bilder aus dem Siegerland finden Sie hier.