Wilnsdorf. Sie sind für Menschen da, die den Tod vor Augen haben. Wie gehen Mitarbeiterinnen im Marien-Hospiz Wilnsdorf mit dem regelmäßigen Abschied um?

Es geht um den Tod . Vor allem aber geht es um das Leben . Und um Abschied , immer wieder um den finalen Abschied von Menschen, der für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hospiz zum Beruf gehört. Wie lässt sich damit umgehen? Ein Besuch bei Eva Kaufmann und Birgit Bender , Pflegefachkräfte Palliativ, im Marien-Hospiz „Louise von Marillac“ auf der Eremitage .

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„Wenn ich erzähle, was ich beruflich mache, sagen viele Leute: ,Da ist doch bestimmt nur traurige Atmosphäre’. Aber das ist es nicht. Da wird gelacht, gelebt, das Leben wertgeschätzt; es gibt viele freudige Momente.“ Birgit Bender ist seit der Eröffnung des Marien-Hospizes im Mai 2018 im Team. Vorher hat sie in der häuslichen Pflege gearbeitet, davor im Krankenhaus . „Ich fand es befremdlich, wie dort mit dem Tod umgegangen wurde“, sagt die 54-Jährige über Letzteres. „Es gab zum Beispiel so wenig Möglichkeit, mit Angehörigen zu trauern .“ Ein Krankenhaus sei „ein Betrieb“, ergänzt Eva Kaufmann, ebenfalls von Beginn an in der Einrichtung auf der Eremitage dabei. Das Personal dort sei für andere Aufgaben eingesetzt – denn eigentlich sollen Patienten das Krankenhaus gesund – oder zumindest auf dem Weg dahin – wieder verlassen. Im Hospiz hingegen sind die Grundvoraussetzungen andere, und darum ist auch die Beziehung von Personal und Gästen, wie die Bewohnerinnen und Bewohner genannt werden, eine andere.

Im Marien-Hospiz auf der Eremitage in Wilnsdorf gilt: Jeder Tag zählt

„Es gibt Leute, die wachsen einem sehr ans Herz. Da ist dann schon Trauer, wenn sie sterben. Aber auch Dankbarkeit: Es ist ein Geschenk, dass ich diese Menschen begleiten darf.“ Manchen Gästen bleiben nur zwei bis drei Stunden in der Einrichtung, sagt Eva Kaufmann . Andere bleiben für Wochen oder Monate, einmal war jemand 16 Monate da. Die Mitarbeiterinnen sind nicht nur für Pflege zuständig, sie sind Bezugspersonen; sie sind als Menschen gefragt, die für andere Menschen in einer schwierigen Phase da sind. „Abschied nehmen gehört zum Leben dazu, und es ist mein Beruf“, sagt Eva Kaufmann. Etwa 200 Menschen sind seit der Eröffnung im Hospiz gestorben. Nicht alle hat die 57-Jährige kennengelernt, doch viele bleiben ihr in Erinnerung . „Durch die Erinnerung kann man manches auch besser verarbeiten.“

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„Ich denke nicht als Erstes an den Verlust, wenn ein Gast einzieht. Ich denke an die Beziehung und bin dankbar, dass die erst einmal stattfinden kann.“ Präsent, erklärt Birgit Bender , sei der absehbare Tod der Gäste bei Aufnahme ins Hospiz selbstverständlich von Anfang an. Zunächst aber bleibe das im Hintergrund, trete erst dann vor, „wenn der Zeitpunkt kommt“. Offenheit sei wichtig, „dem Menschen gegenüber und gegenüber dem, was in mir selbst vorgeht. Ich muss mich da auch mit mir auseinandersetzen.“ Und der Fokus verschiebt sich, weg von dem, was gestern war und was morgen sein mag. „Es geht um das Jetzt. Um die Stunde, die man jetzt mit dem Menschen verbringt, egal ob man spricht, schweigt oder die Hand hält“, beschreibt es Eva Kaufmann. Natürlich werde der Tod kommen, aber bis dahin „zählt jeder Tag“.

Wilnsdorf: Auch im Hospiz fällt es vielen schwer, offen mit ihren Angehörigen zu reden

„Die Trauer zieht mit ein. Die Gäste müssen sich von ihrem Zuhause trennen, damit auch ein Stück weit vom Partner, den Kindern, den Träumen und Wünschen, die sie noch haben und die nicht mehr wahr werden können. Wir sind da und hören zu. Oft müssen wir gar nicht viel sagen.“ Empathie sei wichtig, sagt Eva Kaufmann . Das Wissen, dass das eigene Ende absehbar bevorsteht, ist nun einmal eine Zäsur. Menschen denken an die Zukunft, sie machen Pläne, sie haben Ideen; und auf einmal ist klar, dass es zu den meisten dieser Dinge nicht mehr kommen wird. „Viele haben Schwierigkeiten, offen mit ihren Angehörigen zu sprechen“, sagt Eva Kaufmann. Diese Lücke füllen oft die Mitarbeiterinnen und kommen den Gästen dabei natürlich näher, als es in vielen anderen Berufen geschieht.

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„Jeder entwickelt eine eigene Strategie, um damit umzugehen.“ Besonders intensiv sei es, wenn sie im Moment des Todes dabei sei, erzählt Eva Kaufmann . „Dann brauche ich auch später zuhause noch einmal einen Moment für mich.“ Ein Spaziergang helfe ihr oft, bei dem sie das Geschehene Revue passieren lässt. Für manche Verstorbene zünde sie zuhause auch eine Kerze an, aber das seien spontane Gesten, je nach ihrem Gefühl und ihren Bedürfnissen in diesem Moment. Was für sie immer von Bedeutung sei: den Verstorbenen noch einmal zu sehen. „Ich brauche einen Moment der Zwiesprache alleine mit dem Toten.“ Außerdem gebe es Rituale für das Team und für die Angehörigen, um die Situation erfahren und erfassen zu können, sich bewusst damit zu beschäftigen: etwa die kleine Abschiedsfeier, bei der sich alle um das Bett des Toten herum versammeln. Oder die Begleitung des Sarges bis zum Haupteingang. „Jeder ist ein Gast“, sagt Eva Kaufmann. „Er wird empfangen, und er wird verabschiedet.“

Starkes Bewusstsein für den Moment, das Gefühl, das Leben

„Es ist ein sehr intimer Moment mit den Angehörigen. Es kommt drauf an, wie die Beziehung zu dem Toten war – aber da fließt dann auch bei mir schon mal eine Träne.“ Birgit Bender geht offen mit ihren Empfindungen um, auch das ist Teil des Berufs. „Wir können auch weinen. Es ist nicht so, dass wir keine Gefühle zeigen“, bestätigt Eva Kaufmann. Doch keinem Gast, keinem Angehörigen werde etwas Vorgegebenes aufgezwungen. Patentrezepte gibt es nicht, Menschen sind Individuen und sie erleben die Konfrontation mit dem Sterben individuell. Die Mitarbeiterinnen müssen darauf reagieren. Sie machen Angebote, aber sie drängen niemanden zu etwas. Zum Beispiel nach dem Tod: „Wir waschen den Toten und wir kleiden ihn an“, erläutert Eva Kaufmann. Oft geschehe das zusammen mit den Hinterbliebenen, sofern diese möchten. Es könne helfen, sagt die Fachfrau, denn in diesem Moment lasse sich fühlen, sehen, im wahrsten Sinne be-greifen, dass der geliebte Mensch tot, dass es nun vollkommen anders ist. Aber wenn Angehörige das nicht wollen oder können, müssen sie sich nicht beteiligen.

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„Ganz wichtig ist, dass wir uns im Team austauschen können, über Menschen und über Dinge. Das erdet mich auch.“ Für Birgit Bender war der Tod immer schon ein Thema, mit dem sie sich auseinandergesetzt hat und über das sie offen nachdenken und sprechen konnte. Bei Eva Kaufmann ist es ähnlich. Beide nehmen den Tod als Teil des Lebens an, sowohl was die eigene Sterblichkeit als auch die geliebter Menschen angehe. Aber das sei nicht entmutigend, nicht nur dunkel, sagt Birgit Bender, denn es schaffe auch eigene Perspektiven. „Ich nehme Augenblicke sehr bewusst wahr. Ich lebe sehr bewusst, erlebe sowohl die Freude als auch die Trauer bewusst, um sie ins Leben zu integrieren.“

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