Siegen. Dass Pflegekräfte nach der Elternpause wieder arbeiten, scheitert oft an den Arbeitszeiten. Aber nicht im Flexpool der DRK-Kinderklinik Siegen.
Alle profitieren. Das Krankenhaus, die Beschäftigten, die Patienten. Selbst Corinna Lemberg, die als Bereichsleiterin für die komplizierteren Dienstpläne verantwortlich ist. Mit ihrem Flexpool für Pflegekräfte reagiert die DRK-Kinderklinik auf dem Wellersberg in Siegen auf Nachwuchsmangel, Überlastung der Beschäftigen, unterschiedliche Belegung der Stationen. Das Modell ist so erfolgreich, dass die Zahl der Pflegerinnen, die nach ihren Wunscharbeitszeiten tätig sind, in wenigen Monaten kräftig aufgestockt wurde.
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Was genau der Flexpool an der DRK-Kinderklinik Siegen überhaupt ist
Ganz neu ist das System nicht. „Erfunden“ wurde es in den Niederlanden, sagt Corinna Lemberg, auch an einer großen Klinik in Neuss gibt es das bereits, wo sie sich vor Ort informierte. Jede Klinik-Station hat einen bestimmten Stellenschlüssel, der besetzt sein muss – unabhängig davon, wie die Belegung mit Patienten gerade aussieht. Die Beschäftigten im Flexpool sind im Grunde „feste Springerinnen“: Wenn irgendwo jemand ausfällt – Krankheit, Urlaub, Überstunden, viele Patienten –, muss nicht eine Kollegin, die eigentlich frei hat, zurückkehren – sondern die Flexpool -Kraft springt ein. Theoretisch arbeiten sie jeden Tag auf einer anderen Station.
Seit Januar gibt es das Modell an der Siegener Kinderklinik , anfangs mit zwei Mitarbeiterinnen – ab November sind es sieben. Das kaufmännische Risiko eines anderen Einsatzkonzeptes liegt bei der Geschäftsführung, die das Projekt von Beginn an unterstützt hat. Und es funktioniert.
Der Wechsel zum Flexpool ist keine Einbahnstraße – wer möchte, kann jederzeit wieder in den regulären Schichtdienst zurück. „Das sind keine Beschäftigten, die anders oder weniger kompetent sind“, stellt Klinik-Pressesprecher Arnd Dickel klar. Der Flexpool werde weiter wachsen, glaubt Projektleiterin Lemberg: Stammpersonal braucht es immer, aber der Anteil flexibel einsetzbaren Personals könnte höher sein.
Warum der Flexpool an der DRK-Kinderklinik Siegen eingerichtet wurde
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind seit Jahren Thema – viel Dokumentation, wenig Zeit für Patienten, hohe Arbeitsbelastung und hoher Krankenstand. Viel verbessert hat sich nicht. Der Personalmangel hat längst auch die Pflege erreicht. Das größte Problem der Beschäftigten, was sie wirklich stört, sei, dass sie nie wirklich frei hätten, sagt Corinna Lemberg – immer wieder müssen sie einspringen. Für sie und ihre Leitungskollegen sei es mit enormem organisatorischen Aufwand verbunden, die Ausfälle zu kompensieren – sie müssen im Ernstfall lange telefonieren, um jemanden zu finden, der einspringen kann.
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Viele Pflegerinnen kehren nach der Elternzeit nicht zurück – Kind und starres Schichtsystem sind im Alltag oft einfach nicht vereinbar. Obwohl sie ihre Arbeit sehr mögen, orientieren sie sich notgedrungen anderweitig und ihre Berufserfahrung fehlt dann dem Krankenhaus. Im Flexpool können die Wunsch-Arbeitszeiten individuell mit der Klinik abgesprochen werden, die dann verpflichtend gelten. Auf diese Weise ist der Einsatz dieser Beschäftigten dann auch für das Krankenhaus zuverlässig planbar. Personal kann gemäß Bedarf verschoben werden. „Früher waren Stellenplan und Schichtbesetzung starr – jetzt können wir sehen, was wir wo brauchen“, sagt Corinna Lemberg. „Mütter sind Organisationstalente und Stress gewöhnt“, sagt sie. Auch wenn sie weniger arbeiteten als vorher, seien sie sehr wertvolle Fachkräfte für die Klinik.
Zumindest in der Siegener Krankenhauslandschaft steht die DRK-Kinderklinik mit diesem Modell allein da – ein Wettbewerbsvorteil im Rennen und Fachkräfte. Beim jüngsten Bewerbertag seien mehrere Frauen dagewesen, die in anderen Häusern arbeiten, um sich das Flexpool -Modell anzuschauen: Sie wollten einen für sie einfacheren, besseren Zugang zu ihrem Beruf finden, so Arnd Dickel. Durch die Spezialisierung als Kinderklinik sei man ohnehin schwieriger positioniert auf dem Pflege -Arbeitsmarkt. Aber die guten Erfahrungen mit dem Flexpool sprechen sich herum. Der ist natürlich kein Allheilmittel für die Misere der Pflege , „aber wir können das abmildern“, sagt Arnd Dickel „und Flexibilität reinbringen.“ Auch ein wichtiges Signal an die Beschäftigten: „Sie werden hier nicht verheizt.“
Für wen das Arbeiten im Flexpool der DRK-Kinderklinik in Frage kommt
„Die Mentalität hat sich gewandelt“, sagt Corinna Lemberg: Freizeit steht in der Arbeitnehmerschaft stärker im Fokus als früher, der Wunsch, den Beruf an die individuelle Lebenssituation anzupassen, werde immer größer. Nicht nur für Mütter, die wieder in den Beruf einsteigen wollen, sei der Flexpool geeignet: Wer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschicht übernehmen kann, neben dem Studium arbeiten möchte oder wer einfach nur gerne länger schläft – Hauptsache innerhalb dieser Rahmenbedingungen kann die Klinik mit ihrem Personal planen.
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Ob auf voller oder anteiliger Stelle spielt keine Rolle. Der Arbeitgeber profitiert ja auch von weniger gestressten und gesünderem, zufriedenerem Personal. „Wir versuchen was möglich ist, um die Menschen beschäftigen zu können“, sagt Corinna Lemberg.
Wie das Arbeiten im Flexpool der DRK-Kinderklinik Siegen funktioniert
Sarah Rave arbeitet seit 17 Jahren bei der DRK-Kinderklinik , die erste Unterbrechung war, als sie Mutter wurde. Nach der Elternzeit begann sie ganz normal wieder auf Station, erzählt sie, „es war purer Stress, alles zu organisieren. Man selber blieb auf der Strecke.“ Rave wechselte im Januar nach einem halben Jahr zum Flexpool , passte ihre Arbeitszeiten an ihre familiären und privaten Verpflichtungen an und kann sich nun kaum noch vorstellen, wieder nach altem Dienstplan Schicht zu tun. „Ich bin immer schon gern zur Arbeit gegangen“, sagt sie, „jetzt ist es stressfreier, ich bin zufriedener.“ Von 54 auf 84 Stunden hat Sarah Rave bereits aufgestockt, „es funktioniert gut“, sagt sie. Einen Tag vorher bekommt sie Bescheid, wo sie morgen eingesetzt wird. Bislang noch mit Ausnahme der Kinderinsel, der Intensivstation und der Aufnahme.
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Bevor Sarah Rave irgendwo das erste Mal arbeitet, wird sie gründlich eingewiesen, zu Anfang übernimmt sie nicht direkt die schweren Aufgaben. „Ich bin ja auch nie allein da und das Stammpersonal nimmt viel Rücksicht“, sagt sie – die Kolleginnen sind ja froh, dass jemand da ist und unterstützt. Denn nicht nur für Sarah Rave bedeutet das Modell eine Entlastung, auch die Kolleginnen profitieren. Denn der Klinik steht der Flexpool jederzeit zur Verfügung – alle können sicher sein, dass jemand da ist, einspringt. „Die Belastung ist sonst immer da“, sagt Arnd Dickel. „Wenn wir gestresst sind merken das ja auch die Kinder und Eltern“, sagt Sarah Rave. „Und die brauchen unsere Unterstützung.“
„Die Kollegen auf den Stationen sind froh, dass sie mit mehr Leuten arbeiten können“, sagt Sarah Rave. Und der Flexpool trägt zur Vernetzung in der Belegschaft bei, weil das Wechsel-Personal frischen Wind in die Stationen bringt und den Blick über den Tellerrand ermöglicht.
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Und auch wenn die individuellen Arbeitszeiten erstmal nach mehr Arbeit für Corinna Lemberg und ihren Dienstplan klingen: „Am Anfang muss man sich an die Umstellung gewöhnen. Aber wir hängen viel weniger am Telefon“, sagt sie über sich und ihre Leitungskollegen. „Es macht keinen Spaß, die Leute zu Hause anzurufen und zu fragen, ob sie arbeiten können, obwohl sie eigentlich frei haben.“
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