Kreuztal. Mehr als nur symbolische Gesten: Pflegerinnen aus Kreuztal erzählen, was es für eine Verbesserung braucht – und warum sie den Job trotzdem mögen.
150 zu 80 liest Altenpflegerin Ulrike Mahmood auf dem Messgerät ab: Der Blutdruck von Sigrid S. ist an diesem Tag leicht erhöht. Ein paar Stunden zuvor sei sie noch mit ihrem Rollator spazieren gegangen, beschwichtigt sie: „Ich habe einen Blutdruck wie ein junges Mädchen.“ Sigrid S. lebt im Betreuten Wohnen der Stiftung Diakoniestation Kreuztal.
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Ihren Alltag gestalten viele Bewohnerinnen und Bewohner so weit es geht selbstständig, die Wohnungen sind mit Küche, Bad, Wohnzimmer und einer Waschmaschine voll ausgestattet. Wenn gewünscht, helfen Altenpflegerinnen der Diakoniestation wie Ulrike Mahmood bei den kleinen Hürden – Medikamente stellen, Kompressionsstrümpfe anziehen, Blutdruck messen. Doch wie kann das gelingen, wenn während der Corona-Pandemie anderthalb Meter Schutzabstand vorgeschrieben sind?
Corona: Mundschutz ist Pflicht für die Pflegerinnen der Diakoniestation Kreuztal
„Es ist sehr anstrengend“, berichtet Ulrike Mahmood. Seit dem Beginn der Corona-Krise haben sich die Abläufe in der ambulanten Pflege verändert: Pflegerpersonal ist verpflichtet, Masken zu tragen, die Ausrüstung und der Wagen müssen nach jedem Patienten desinfiziert werden – das kostet Zeit und Kraft. Wer in den vergangenen Wochen bloß für eine Viertelstunde im Supermarkt einkaufen war, weiß, wie schwer es sein kann, unter einer Maske zu atmen.
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15 Stück davon habe sie zu Hause gelagert, erzählt Ulrike Mahmood, denn auf eine Tour nehme sie mehrere Masken mit: Nachdem zum Beispiel ein Patient geduscht wurde, muss der nasse Mundschutz gewechselt werden, nach der Schicht sogar die komplette Kleidung. Körperkontakt ist in vielen Fällen unvermeidbar. Treten Symptome bei Patienten oder Pflegepersonal auf, werde umgehend getestet, so die Altenpflegerin. Zusätzlich ist in jedem Auto eine Notfallausrüstung mit Schutzkittel und FFP-2-Masken vorhanden.
Seit 20 Jahren ist Ulrike Mahmood Altenpflegerin der Diakoniestation Kreuztal
Aufgrund der besonderen Umstände in der Corona-Pandemie gab es bei der Stiftung Diakoniestation Kreuztal und anderen Einrichtungen frühzeitig Lieferengpässe von Mundschutz, Desinfektionsmittel und Schutzkittel. Doch die Geschäftsleitung der Diakoniestation habe schnell reagiert, im Team wurde gut zusammengearbeitet, sagt Ulrike Mahmood. Aus der Nachbarschaft haben sie zum Beispiel selbstgenähte Masken bekommen. Inzwischen können sie sich ein Mal pro Woche Schutzausrüstung vom Kreis Siegen-Wittgenstein abholen.
Seit 20 Jahren arbeitet Ulrike Mahmood als examinierte Altenpflegerin für die Diakoniestation Kreuztal. Mit ihrer Halbtagsstelle besucht sie zwischen zwölf und fünfzehn Patienten am Tag – je nach Tour. Zur Bezugspflege gehörten dabei nicht nur die körperlichen Arbeiten, sondern auch viele Gespräche mit den Patienten. „Der Patient vertraut uns unheimlich“, sagt sie, „es wundert mich schon manchmal, wie man das aufbauen kann.“ Wenn sie in eine Wohnung komme, dann merke sie schnell, ob sich das Ehepaar vorher gezankt hat. Als Pflegerin fange sie die Sorgen der Patienten auf. Das Menschliche mache den Beruf für sie und viele Kolleginnen so spannend.
Pflege in Kreuztal mit Kontaktbeschränkungen
Das passiere derzeit jedoch alles auf Distanz, erzählt Katherina Pfanne. Sie ist eine sogenannte Springerin im Team der Diakoniestation Kreuztal. Das heißt: Ist eine Kollegin im Urlaub, krank, oder hat Freizeitausgleich wegen Überstunden, springt sie ein. Kommunikation mit den Patienten ist für sie sehr wichtig, die Maske schränkt das ein. „Sie sehen unsere Emotionen nicht mehr“, berichtet sie.
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Seitdem die Kontaktbeschränkungen gelten, sind für viele Patienten die sozialen Kontakte weggefallen, häufig seien sie ängstlich und angespannt, so Katherina Pfanne. Sie selbst sei mit dem Mundschutz schneller erschöpft, doch um jede Veränderung bei den Patienten zu bemerken, müsste sie trotzdem hundert Prozent geben. „Das ist unser Job, das machen wir gerne“, betont sie.
Die Leistungen
Rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten unter anderem in den Bereichen Mobile Pflege, Tagespflege, Betreutes Wohnen bei der Stiftung Diakoniestation Kreuztal.
Mehr Informationen gibt es im Internet auf diakoniestation-kreuztal.de.
Pfanne: „Pflege sollte mehr wertgeschätzt werden.“
Dass die Beschäftigten in der Pflege systemrelevant sind, verdeutlicht die Corona-Pandemie noch einmal. Der typische Satz „Die machen nur die alten Menschen sauber“, fiel in den vergangenen Wochen seltener, stattdessen applaudieren Menschen von ihrem Balkon als symbolische Geste für die Pflegerinnen und Pfleger. „Es wäre schön, wenn die ganze Pflege mehr wertgeschätzt würde“, findet Katherina Pfanne, „dass die Leute es nicht vergessen, was da geleistet wird“" Das Bild des Pflegeberufs müsse in der Öffentlichkeit aufgewertet werden.
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Dazu gehöre vor allem eine bessere Bezahlung, meint nicht nur Katherina Pfanne. Für die Leistungen der Pflegerinnen und Pfleger in der Corona-Pandemie hat der Bundestag einen sogenannten Pflegebonus von mindestens 1000 Euro beschlossen. Die Landesregierung NRW erklärte Ende Mai, dass sie diese Prämie um bis zu 500 Euro aufstocken werde. Es müsse jedoch eine dauerhafte bessere Bezahlung geben. „Ich fordere diejenigen Arbeitgeber in der Pflege, die bisher keinen Tarifvertrag einhalten, auf, endlich Tariflöhne zu zahlen. Wahre Würdigung von Arbeit drückt sich auch durch tarifliche Entlohnung aus“, erklärte dazu NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Immer mehr Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig
Der Beruf sei wichtig und werde in den kommenden Jahren noch mehr gefordert, bekräftigt die Altenpflegerin Katherina Pfanne. Der medizinische Fortschritt ermöglicht vielen Menschen ein längeres Leben. Derzeit sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi mehr als zwei Millionen Menschen pflegebedürftig, Prognosen zufolge werden es in zehn Jahren 3,4 Millionen sein. „Die Leute müssen sich bewusst werden, dass es immer mehr ältere Menschen gibt“, verdeutlicht Katherina Pfanne.
Für die nahe Zukunft hofft sie mit Blick auf die Lockerungen, dass ältere und kranke Menschen das Coronavirus nicht auf die leichte Schulter nehmen. Für die Altenpflegerin ist klar: „Nicht nur wir sind dafür zuständig, dass es eingedämmt wird, sondern alle.“