Siegen-Wittgenstein. Kein Reiserückkehrer mit Corona war Tourist, das Kreisgesundheitsamt bereitet sich auf die Influenza vor und stößt an Kapazitätsgrenzen: Die Lage
Die Zahl positiver Corona-Tests an Kitas und Schulen im Kreis Siegen-Wittgenstein steigt. Das Kreisgesundheitsamt empfiehlt daher dringend, ab Klasse 5 wieder flächendeckend Masken zu tragen – freiwillig. Das würde das Gesundheitsamt und die Schulen deutlich entlasten, weil bei einer positiv getesteten Person nicht mehr der ganze Klassenverband in Quarantäne geschickt würde, sondern nur das direkte Umfeld, also Sitznachbarn. Das Kreisgesundheitsamt könnte sich auf die Ermittlung von Kontaktpersonen konzentrieren. Die Stadt Siegen schließt sich dem an.
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Die Corona-Situation an Kitas und Schulen in Siegen-Wittgenstein
In mehr als 100 Fällen an Kitas und Schulen habe das Kreisgesundheitsamt seit den Sommerferien ermittelt, sagt Dr. Christoph Grabe, Leiter des Kreisgesundheitsamts, im Gesundheitsausschuss. Dass es zur Zeit keine Toten und kaum Schwerkranke gibt, liege auch daran, dass die Erkrankten heute durchschnittlich 20 Jahre jünger sind als während der ersten Welle. Ältere seien mehrheitlich wohl vorsichtiger, vermutet Grabe – und Seniorenheime deutlich besser gerüstet.
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Dass direkt am ersten Tag nach den Ferien zwei Fälle in Schulen auftraten – „eine mittlere Katastrophe“ sagt Grabe, weil einzelne Fälle viele Personen betrafen. Eine Kindergärtnerin etwa habe in der Einrichtung von ihrem positiven Test erfahren, ihre eigenen Kinder besuchten wieder andere Einrichtungen. „Die Fallzahl sagt nichts über die tatsächliche Arbeit aus“, so der Behördenleiter. Auch eine Lehrerin hatte bereits in acht Klassen unterrichtet – ohne Masken –, als sie von ihrem positiven Test erfuhr. Konsequenz: Mehr als 100 Schüler mussten nach Hause. Daher auch der Appell an das Verantwortungsbewusstsein von Schulen und Schülerschaft, freiwillig wieder im Unterricht zu tragen.
Kreisgesundheitsamt Siegen-Wittgenstein hofft auf Antikörper-Tests
„Rückkehrer dominierten die zweite Welle bei uns“, sagt Dr. Grabe, „das hat uns wirklich gebeutelt.“ Kein Tourist sei darunter gewesen, sondern alles Menschen, die die Familien im Ausland besuchten. Auffällig: Viele kamen vom Balkan zurück, insbesondere aus dem Kosovo. In Siegen gebe es überdurchschnittlich viele Kosovaren. Ab 5. Oktober gelte bei Wiedereinreise: Erst fünf Tage Quarantäne, dann der Test – denn bei Ankunft könne man schon in der Inkubationsphase sein, ohne nachweisbares Virus, erläutert Grabe. „Das hätten wir schon lange vorher machen sollen.“
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Es dauert wieder länger, bis die Ergebnisse vorliegen, die Labore hätten nicht genug Maschinen, Material (etwa Chemikalien) und Personal – auch, weil so viel unnütz getestet werde, sagt Grabe. Die Dauertests bei pädagogischem Personal etwa: „Wer heute negativ ist, kann morgen schon positiv sein.“ Deutliche Verbesserung könne hier der Antikörper-Test bringen – nicht ganz so genau wie der PCR-Test, aber das Ergebnis sei nach 15 Minuten da. „Das würde uns sehr helfen, weil wir enorm Zeit gewinnen“, sagt Grabe. Kontaktpersonen könnten viel schneller isoliert werden, bevor sie möglicherweise weitere Menschen anstecken – und manche Quarantäne müsste wohl nicht angeordnet werden. Grabe: „Das Ministerium hat aber Bedenken.“
Probleme und Entwicklungen: „Wir wissen mehr über das Coronavirus“
Von völlig überzogener Panik berichtet Grabe – nach einer Familienfeier etwa war es zu einem positiven Test gekommen und bevor das Gesundheitsamt die Ermittlungen abgeschlossen hatte, sei man mit Anrufen bombardiert worden. Und zunehmend würden einige, gerade Ältere, kritischer. Im Zusammenhang mit Schulen sind das etwa der Ärger über die verschobene Klassenfahrt oder Formulare, mit denen jeglicher Corona-Test vorbeugend abgelehnt werden solle. „Welches Motiv hätten wir, eine Klasse unter Quarantäne zu stellen – wir haben nur Arbeit damit!“
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Hauptfaktoren für steigende Zahlen sind nach Grabes Einschätzung große Familien mit vielen Kontakten und Gemeinschaftseinrichtungen. Siegen-Wittgenstein liege NRW-weit aber noch immer auf dem vorletzten Platz. Diagnostik und Therapie seien viel besser, man wisse mehr über das Virus und über effektive Prävention. „Es ist aber noch nicht vorbei“, warnt Grabe. Mit dem Herbst komme die Influenza, die Zahl der Verdachtsfälle werde wesentlich steigen. Ziel sei nach wie vor: Die Kurve flach halten.
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