Siegen. In Siegen muss der Tag des offenen Denkmals in diesem Jahr ohne Altstadtfest auskommen. Interesse an den Führungen ist aber auch so vorhanden.

Wo sich sonst am Tag des offenen Denkmals die Menschen durch die Siegener Altstadt drängen, ist es an diesem 13. September eher übersichtlich. Und trocken. Das schöne Wetter hat viele Menschen Richtung Rathaus, Schlossberg und Eisdiele getrieben.

Auch interessant

Hinter der Marienkirche bleibt es ruhig. Sechs Leute haben sich für die erste Stadtmauerführung des Tages um 14 Uhr angemeldet. Davon kann Günther Kläs vier begrüßen und noch zwei, die nicht auf seiner Liste stehen. Die müssen sich noch eintragen, wie es in Zeiten des großen „C“ nun einmal nötig geworden ist. Auch sonst hat sich der Führer da einiges einfallen lassen für den weiteren Weg.

Auch interessant

Tag des offenen Denkmals: Was aus Siegens Stadtmauer wurde

„Wir sollen mal klingeln und in den Keller schauen“, ruft einer der Teilnehmer, als es um die Geschichte des Olbers-Turmes geht. Der war Teil der Stadtmauer, wurde 1878 abgebrochen und war schon vorher so verfallen, „dass im Dach Raum für ein Storchennest war, ohne, dass die Vögel gestört wurden“, hat Günther Kläs zuvor auf die Bedeutung von Olbers gleich Storch verwiesen und auf die Erinnerungstafel am Haus in der Hermannstraße gezeigt, das dort nun steht. Dieses und die Nachbarhäuser hätten sämtlich die alte Stadtmauer als Rückwand. „Auch im ‚Weinkeller’ können sie hinten an der Stadtmauer sitzen“, erklärt Kläs.

Auch interessant

Weiter geht es Richtung Hainstraße, sozusagen außen an der einstigen Befestigung vorbei. Die ziehe sich „den Berg hinauf bis zum Schlosspark, da, wo er gerade erweitert wird.“ Und danach lasse sie sich weiterdenken, am Bunker gegenüber der Realschule vorbei bis zum Oberen Schloss, fordert Kläs die Vorstellungskraft seiner Gruppe heraus.

Siegener Historiker Dr. Andreas Bingener lieferte die Grundlagen

Ursprünglich sei die Führung ein Projekt Dr. Andreas Bingeners gewesen, des Siegener Historikers, der viel rund um die Mauer gegraben habe, erzählt der „Nachtwächter“. Das sei dann irgendwann eingeschlafen und vor ein paar Jahren wiederbelebt worden. Es gehe also praktisch „auf den Spuren Andreas Bingeners“ durch die Altstadt, speziell „auf der Ostseite, auf einer Route, die sonst nicht benutzt wird“.

Verändertes Verhältnis

Inzwischen stehen die Reste der Stadtmauer unter Denkmalschutz.

In der Vergangenheit wurden sie auch als Quelle für andere Bauten genutzt – etwa nach 1945, als viele Garagen oder Schuppen in der Altstadt mit solchen Steinen gebaut wurden.

Die sieben Kilometer dauerten gewöhnlich gute vier Stunden, „so lange macht das keiner mit“. Also sind es diesmal nur zwei, die eine gute Stunde dauern sollen, dafür gleich viermal am Tag des Denkmals 2020. Zwischendurch und hinterher verteilt Kläs Fotos und weiteres Material, „damit Sie die gesamte Mauer ein anderes Mal selbst erkunden können“. Dafür legt er dann auch eine Maske an und gibt Einmalhandschuhe heraus, um Ansteckungsrisiken beim Herumgeben der Fotos zu minimieren.

Auch interessant

Stadtmauer Siegen weckte im Lauf der Geschichte unterschiedliches Interesse

Die Stadtmauer sei eine Reminiszenz an die „gute alte Zeit“, die immer dann hervorgeholt werde, wenn es Veränderungen oder Katastrophen gebe. „Als Siegen nach dem Wiener Kongress an Preußen fiel, hat sich niemand dafür interessiert“, sagt Günther Kläs. Das sei nach der Reichsgründung 1871 anders gewesen. Da hätten sich auch die Siegener plötzlich für ihre Geschichte interessiert und im Zuge des wachsenden Nationalbewusstseins nach den Spuren der Vergangenheit gesucht. Unter anderem nach der Stadtmauer, die zu dieser Zeit ziemlich verfallen gewesen sei.

Auch interessant

In komfortableren Zeiten hätte die Mauer von außen einen ordentlichen Eindruck gemacht, mit überdachten Wehrgängen, verputzt und gekalkt: „So sah sie in preußischen Zeiten nicht aus.“ Eine Zeit sei eine solche Schutzmauer Garantie und Versprechen an die Bürger gewesen. Dann aber sei die Zeit der Neubauten gekommen.

Auch interessant

Siegen: Bahnhof einst auf der grünen Wiese gebaut

Ganz entscheidend nennt Günther Kläs das Jahr 1863, als die Eisenbahn nach Siegen kam und verständlicherweise nicht in die Stadt integrierbar gewesen sei. Der Bahnhof wurde „auf der grünen Wiese gebaut“. Die Bahnhofstraße sei damals eine Reihe von Kleingärten gewesen. Dann wuchs Siegen mehr und mehr aus den alten Grenzen heraus.

Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.

Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.