Ferndorf. Auch die 1950er Jahre haben in Ferndorf jetzt ihren Platz. Ein neuer Museumsverein übernimmt die Trägerschaft vom SGV.

Die Wandlampen hingen früher bei Friedrich Flick im Schlafzimmer. Der Großindustrielle und Kreuztaler Ehrenbürger war zehn Jahre jung, als 1893 die rote Schule in Ferndorf gebaut wurde. Dort unter dem Dach haben die Lampen jetzt ihren neuen Platz. In der guten Stube ist der Tisch gedeckt, eine „Bravo“ von 1957 liegt auf dem Tisch, ein Nähkasten steht daneben. Der Fernseher und das schwarze Telefon aus Bakelit sind Zeichen bürgerlichen Wohlstands, die Zeitschriften mit den Schnittmustern und der Ratgeber „Die rechte Hand der Hausfrau“ versetzen in die frühe Wirtschaftswunderzeit.

Ein Herz für die 1950er Jahre

Andreas Schaffer öffnet einen Schrank. Das Bügeleisen aus leichtem Aluminium war bestimmt der letzte Schrei, hat aber nicht die geringste Gebrauchsspur. Ein ungeliebtes Hochzeitsgeschenk? Es ist schwer, aus dem kleinen Zimmer wieder herauszukommen, an der Bohnermaschine vorbei.

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Der Platz im Ferndorfer Heimatmuseum ist ganz offensichtlich knapp. „Wir könnten noch so viele Sachen kriegen“, sagt der Vorsitzende des neuen Museumsvereins. Gerade jetzt. „In der Coronazeit ist viel aufgeräumt worden“, merkt Friedrich Klein an – allzu oft Richtung Sperrmüll. Andreas Schaffer tut das leid: „Hier im Umkreis hat sich noch niemand so richtig mit den 1950er Jahren auseinandergesetzt.“ Immerhin: In Ferndorf wird jetzt ein Anfang gemacht.

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Die Neuen oder: Ein Team im Museumsverein

Jeden Dienstag trifft sich die Gruppe im Museum: Schaffer, sein Stellvertreter Klein, Geschäftsführer Wolfgang Knauth. Und Eckhard Dippel, der dem Museum von der Gründung im Jahre 1967 an verbunden ist und es seit 2005 geleitet hat. In diesem Jahr wird er 80, „ich will mich jetzt ganz aufs Altenteil zurückziehen.“ Zwei Jahre im Vorstand gibt er sich noch, um den Übergang zu begleiten. Der ist nicht ganz unkompliziert. Denn mit dem Generationswechsel geht auch ein Wechsel in der Trägerschaft einher: Der neue Museumsverein übernimmt das Heimatmuseum von der SGV-Abteilung Ferndorf-Kreuztal. Da ist so viel zu regeln, dass für das Alltagsgeschäft die Zeit knapp wird. Das bemerken Außenstehende allerdings kaum: Das Haus ist zu, wegen Corona. Eine Öffnung jetzt, ohne Sonderausstellungen und –veranstaltungen, würde sich kaum lohnen, sagt Andreas Schaffer.

Geschenk zur Ferndorfer 900-Jahrfeier

Als „Heimatstube“ ist das heutige Museum am 30. Mai 1967 in der roten Schule eröffnet worden – ein Geschenk der SGV-Abteilung Ferndorf-Kreuztal zur 900-Jahrfeier Ferndorfs.

Begonnen wurde in einem Klassenraum im 1. Stock. 1972 kam ein zweiter Raum dazu, später ein dritter. Zuletzt, 2012, wurde auch der letzte Klassenraum Teil des Museums. Dort, wo vorher der Luftsportverein sein Domizil hatte und davor ein Strickwarengeschäft seine Waren anbot, steht jetzt unter anderem auch der Projektor des ehemaligen Kreuztaler Gloria-Kinos.

Idee: Stammtische für Tüftler und Sammler

Irgendwann aber wird es wieder losgehen. Und dafür hat die kleine Mannschaft, zu der auch Radiospezialist Julian Reinhardt, Fotografiensammler Dieter Wörster und Bücher-Fachmann Daniel Strehling gehören, jede Menge Ideen. Stammtische könnte es geben, zum Beispiel zu den Themen Fotografie und Radios, sagt Wolfgang Knauth, der selbst von den Oldtimerfreunden zu der Museumstruppe geraten ist: „Wir wollen nicht nur eine tote Ausstellung.“

Friedrich Klein bringt Expertise in Sachen Telefone mit, „ich bin da mehr oder weniger reingerutscht“, berichtet er über seinen Einstieg ins Museum. Am längsten schon dabei ist Andreas Schaffer selbst. Er ist – einfach Sammler. Als Kind hätten ihn die alten Sachen schon interessiert, erzählt er. Während der Schreinerlehre konnte er seine Entdeckungen fortsetzen: „Wir sind ja praktisch in jedes Haus gekommen.“ Und wenn er alles behalten hätte, was er jemals zusammengetragen hat, wäre ein Museum allein schon zu klein dafür.

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Eine Veränderung oder: Mineralien werden weichen

Eine Spielzeugausstellung zu Weihnachten ist das nächste Ziel. Dazu muss allerdings in einem der vier Klassenräume Platz geschaffen werden – als Ausstellungsfläche auch für die Sonderschauen danach, die länger stehen bleiben können sollen als nur für ein paar Sonntagnachmittage. Die schwierige Entscheidung ist getroffen: „Wir suchen ein neues Zuhause für die Mineraliensammlung“, sagt Andreas Schaffer.

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Das Erbe von Dr. Günter Schmidt, dem Chefarzt des Kredenbacher Krankenhauses, erweist sich als eine Nummer zu groß für die Ferndorfer. „Eine sehr wertvolle, aber auch sehr spezielle Sammlung“, sagt Wolfgang Knauth. Die es verdient hat, dass sie fachgerecht aufgearbeitet und wissenschaftlich betreut wird. Denn die Blütenträume, die Stadt Kreuztal für ein richtiges Stadtmuseum, etwa im Bender-Komplex, zu begeistern, sind vorerst ausgeträumt.

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Unterm Dach oder: Die Schule und die Villa Birgit

Der neue Museumsverein arrangiert sich mit der alten Schule. Auch um den Preis, dass für Menschen mit körperlichem Handicap viele der alten Schätze unerreichbar bleiben. Für den lange gewünschten Außenaufzug gibt es nach wie vor nicht mehr als die Planzeichnung.

Blick ins Heimatmuseum Ferndorf

Blick ins Heimatmuseum Ferndorf
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf © WP | Steffen Schwab
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf © WP | Steffen Schwab
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf © WP | Steffen Schwab
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf © WP | Steffen Schwab
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf
Blick ins Heimatmuseum Ferndorf © WP | Steffen Schwab
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Dabei wird es gerade unterm Dach spannend: Da ist zum Beispiel auch die neu eingerichtete Schulstube. Mit Wandtafel, Schulbank, Ranzen, Aufsatzheft. Und dem Abschlusszeugnis von 1903 für einen Jungen mit Arnold Wickel, der nach acht Jahren Schulzeit „für reif befunden wird“, ins Leben entlassen zu werden. Mit dem vorgedruckten Wunsch, „dass derselbe sich weiter fortbilden und unter Gottes Schutze die Lebensaufgabe auch künftig vollenden möge“. Da ist zum Beispiel auch die Telefonzentrale des Hotels Beinhauer in der Moltkestraße. Da sind die Werkstätten des Drechslers und des Schusters.

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Und die Villa Birgit. Eine riesengroße Puppenstube für ein Kind aus gutem Haus. Sogar elektrisches Licht hatte sie. Jetzt ist sie entkernt. „Das ist Arbeit“, weiß Andreas Schaffer. Der aber noch etwas anders vorhat: den Bau einer Modellfabrikhalle, um darin eine Wilesco-Dampfmaschine auszustellen. Dampfmaschine? „Das ist mein Hobby“, sagt er. Noch eins. In diesem Museum, das der SGV einst, im Jahre 1967, der Gemeinde Ferndorf zu ihrem 900-jährigen Bestehen schenkte, wird die Zeit noch lange nicht stehen bleiben.

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