Siegen. Im Siegener Apollo-Theater inszeniert die Bühne Cipolla Stefan Zweigs „Schachnovelle“ als Figurentheater und versetzt das Publikum in Staunen.

Mit einer gelungenen Inszenierung von Stefan Zweigs Schachnovelle durch das Figurentheater Cipolla ist das Festival der Abstände im Apollo-Theater in Siegen zu Ende gegangen.

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Die Schachnovelle in Siegen

Auf Passagierschiffen kommt es oft zu den seltsamsten Begegnungen, vor allem wenn die Überfahrt besonders lange dauert. So treffen sich irgendwann auf der Überfahrt von New York nach Buenos Aires Mirko Czentoric, der amtierende Schachweltmeister, aber ein Analphabet in Sachen Kultur und Bildung, und der amerikanische Öl-Millionär McConnor, ein großspuriger, großmäuliger Prototyp des Mr. Moneymakers. Und so, wie in der Gegenwart McConnor-Double Trump den bedeutendsten Golfspieler der Welt Tiger Woods zu Golfrunden einlädt, fordert McConnor, ein leidenschaftlicher, aber sich völlig überschätzender Schachspieler, den Weltmeister zu einer Partie heraus. Die kostet ihn viel Geld, zumal der Ölkönig natürlich verliert und die Revanche ihn genauso teuer zu stehen kommt.

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Da hat der mysteriöse Dr. B, ein alter, stets hustender Mann im Rollstuhl, ganz andere Probleme. Als Anwalt hatte er einst die Aufgabe, sich um die Vermögen von Klöstern zu kümmern. Als ein diktatorisches Regime die Macht übernimmt, kommt er in Einzelhaft und erleidet seelische Folter der schlimmsten Art. Gern hätte er ein Buch, am besten mit den Gedichten Goethes und Homers, doch er findet eins mit „150 Meisterpartien“ von Schachgiganten.

Öffentliche Bücherverbrennung im dritten Reich

Stefan Zweig wurde 1881 in Wien als Sohn wohlhabender, jüdischer Eltern geboren. Seine Bücher wurden 1933 von den deutschen Faschisten öffentlich verbrannt.

Der Schriftsteller emigrierte über England und Amerika nach Brasilien, wo er sich 1942 gemeinsam mit seiner zweiten Frau Charlotte Altmann das Leben nahm.

Letztendlich geistes- und lebensrettend für ihn. Schon nach 14 Tagen ist Dr. B in der Lage, alle Partien nachzuspielen und nutzt die anschließende Zeit, um eigene Spielstrategien zu entwickeln und, Jahre danach, als Schiffspassagier zum Schachzug-Einflüsterer von McConnor zu werden.

Tierkopf als Erzähler im Siegener Apollo

Die Magie des Abends beruht nicht auf dieser Geschichte. Die wurde schon 1960 erstmals verfilmt, u.a. mit Curd Jürgens und Mario Adorf. Das Theaterwunder schafft die Inszenierung durch die Bremer Bühne Cipolla. Die Protagonisten der „Schachnovelle“ sind geschaffene Figuren und als Erzähler – welch schräge Idee - fungiert ein Tierkopf. Und alle werden von einem einzigen Künstler „bedient“: Sebastian Kautz. Er haucht den Puppen Leben ein, gibt ihnen durch unverwechselbare Sprache und passende Bewegungen einen eigenen Charakter. Besonders beeindruckend, wie er aus dem alten, an den Rollstuhl gebundenen Dr. B mit wenigen Handgriffen den jungen Anwalt macht, der die Qualen einer totalen Isolation erleiden muss.

Festival der Abstände in Siegen geht zu Ende

Die begleitenden Klänge als Musik zu bezeichnen, würde viel zu kurz greifen. Was Gero John auf seinem fast schon historischen Bandoneon, mit seinem Cello, mit raschelndem Papier und einmal auch einer singenden Säge hervorbringt, ist Sounddesign in Vollendung und macht die Vorstellung rund. Natürlich auch das Licht, dazu eine variable Kulisse auf Rollen, die zunächst das Passagierschiff darstellt, und danach zum Zimmer der Isolationshaft wird.

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Beileibe keine leichte Theaterkost, wie schon die meisten des Siegener Festivals, das mit diesem Abend zu Ende ging. Wie geschaffen für ein Publikum, das vorwiegend dem älteren Bildungsbürgertum angehört. Doch kann man damit auch Jüngere für das Theater begeistern?

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