Siegerland. Was braucht es für das Haus im Grünen? Und wo sind die bezahlbaren Wohnungen? Wir haben Fachleute gefragt.

Man lebt gern dort. Kommt aber nicht so einfach rein. Dr. Jürgen Schewe hat die kleinen Ortsteile kennen gelernt, als er an den IKEKs gearbeitet hat, den integrierten Entwicklungskonzepten, unter anderem für Kreuztal, Hilchenbach und Wilnsdorf.

Das Haus im Grünen

Wer neu bauen will, soll das im Ort tun und nicht in immer neuen Siedlungen am Ortsrand. „Aber das ist Theorie.“ Vor allem die Vorgabe, zuerst einmal Baulücken zu schließen. „Die Leute geben nicht die Hälfte ihres Grundstücks ab, um anderen die Möglichkeit zu geben, in ihren Garten zu bauen.“ Grund und Boden ist Wertanlage oder Reserve für die nächste Generation. Ohne die Jungen vergreisen die Dörfer nämlich. Viele gehen halt erst mal in die Stadt. „Und kommen dann häufig nicht zurück.“

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Jürgen Schewe sieht nicht nur die Landflucht. „Den Wunsch nach dem Haus im Grünen gibt es nach wie vor.“ Durch niedrige Zinsen ist er auch finanzierbarer denn je. Corona befördert mobiles Arbeiten und das Homeoffice – weitere Entfernungen zum Arbeitsplatz sind um so weniger ein Problem, je seltener man hinfahren muss. „Da sind wir bei den Rahmenbedingungen“, stellt Jürgen Schewe aber auch klar: „Der Breitbandausbau ist einer der wichtigsten Faktoren geworden. Wo es keine Datenleitung gibt, da zieht niemand hin.“

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Die Infrastruktur muss passen

Letztlich aber muss alles stimmen, damit Menschen sich auf dem Land wirklich wohlfühlen: Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung, Verkehrsanbindung und öffentlicher Nahverkehr. „Wenn das nicht passt, wird es schwierig.“ Und, auch das ist bei den IKEK-Rundgängen überall herausgekommen: Es muss eine Infrastruktur für Gemeinschaft geben: ein Bürgerhaus, zumindest einen Dorfplatz.

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Jürgen Schewes Befund bei den Rundgängen durch die Dörfer ist eindeutig: „In der ganzen Region fehlen bedarfsgerechte Angebote.“ Man müsste in den Tälern bauen – aber da sind schon die wertvollen Gewerbeflächen, die Kommunen nicht hergeben wollen.

Die Wohnung in der Stadt

Daniel Aktas hat die Wohnungen, nach denen so mancher Teilnehmer am Heimat-Check dieser Zeitung noch sucht: Er ist Geschäftsführer der Kreiswohnungsbau- und –Siedlungsgesellschaft (KSG). Ja, räumt er ein, in Siegen-Mitte sei der Markt tatsächlich angespannt. Aber in den Stadtteilen schon nicht mehr.

Mehr als 100 Wohnungen hat die KSG zum Beispiel im Geisweider Wenscht, modernisiert und mit Kaltmieten ab 4,50 Euro auch nicht teuer. Wohnungssuchende Studierende kann er damit allerdings nicht locken: „Denen ist Geisweid zu weit weg.“ Daniel Aktas macht sich keine Illusionen: Wenn erst einmal der Uni-Umzug „in die Stadt“ vollzogen ist, wird sich der studentische Wohnungsmarkt vollends auf die Stadtmitte konzentrieren.

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Neunkirchen ist gefragt

Für Familien mit Kindern und für Senioren – Aktas: „Beide schließen sich nicht aus, ein guter Mix ist das Beste“ – sieht das anders aus: Es gibt Wohnungen zum Beispiel im Weidenauer Siegbogen, in Eisern, Eiserfeld oder Seelbach, die gut nachgefragt werden. In der Dreis-Tiefenbacher Bismarckstraße, wo die AWO-MINT-Kita gerade in den Neubau eingezogen ist, werden gerade altengerechte Wohnungen der KSG fertig: interessant für Ältere, die von den Hängen herunter- und aus ihren zu groß gewordenen Häusern herauskommen wollen. Neunkirchen erweist sich als Top-Adresse. „Da können wir nicht helfen.“ Demnächst aber dann doch wieder: Bei der Neubebauung im Zentrum ist auch die KSG dabei. Der Preis, sagt Daniel Aktas, ist nicht alles: Bevor eine Familie irgendwo hinzieht, schaut sie, ob Schule, Kita, Geschäfte und Haltestelle in der Nähe sind. Eher nachrangig, so seine Beobachtung, ist die Nähe zum Arbeitsplatz. Die meisten pendeln sowieso.

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Bauen ist teuer

„Kernthema“, räumt der KSG-Geschäftsführer ein, sind die Kosten des Bauens. Da sind zum einen gesetzliche Anforderungen, zum anderen eigene Ansprüche an Klimafreundlichkeit, die zum Beispiel schon das Mauerwerk teuer machen, oder dann die Wärmerückgewinnung, die eine regelrechte Dichtheitsprüfung für die Wohnung, den „Blower-Door-Test“, erforderlich macht. Immerhin: Die Wohnungsbauförderung zieht bei den Mietpreisgrenzen mit, „da sind wir auf dem richtigen Weg.“

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Auch Daniel Aktas kann nicht die Bauplätze herbeizaubern, die im Heimat-Check unserer Zeitung von so vielen vermisst werden: zentral gelegen, trotzdem im Grünen, nicht zu teuer und dann auch noch von denen akzeptiert, denen mit den Neubauten der Spazierweg oder der Blick von der eigenen Terrasse ins Freie genommen wird. Aber, so sagt er, „die Kommunen sind sehr bemüht“. Die Baugenehmigungen kommen mittlerweile schon innerhalb von vier Wochen, und mit ihrem Wohnraumkonzept ist die Stadt Siegen nicht allein geblieben. „Auch Kreuztal ist da schon sehr weit.“

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