Hilchenbach. Hilchenbach hat eine Partnerstadt weniger: Arendsee kündigt die Beziehung offiziell auf. Eine echte Partnerschaft hat es allerdings nie gegeben

Arendsee kündigt Hilchenbach die (Städte-)Freundschaft. Was am 7. März 1992 in Hilchenbach mit einem großen Fest besiegelt wurde – im Freundschafts-Dreibund dabei war Seiffen im Erzgebirge –, endet in diesen Tagen sang- und klanglos. Vorigen Dienstag hat der Rat der Stadt Arendsee die „Städtepartnerschaft“, die es unter dieser Bezeichnung allerdings nie gab, einstimmig aufgehoben. „Eine Schein-Ehe liegt in Scherben“, titelt die Altmark-Zeitung auf ihrer Arendseer Lokalseite.

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Spuren von Hilchenbach sind getilgt

Das Bild mit der Ehe passt: Arendsee hat eine andere Partnerstadt in den Masuren, die längst auch schon auf der städtischen Homepage ihren Platz gefunden hat, wo alle Spuren von Hilchenbach getilgt sind. Wydminy liegt fast 1000 Kilometer von der Altmark-Stadt in Sachsen-Anhalt entfernt, doppelt so weit wie Hilchenbach. Trotzdem: Mit der neuen Verbindung wurde die Aufmerksamkeit auf das alte, fast]vergessene Bündnis gelenkt.

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Im September 2019 bat Bürgermeister Norman Klebe die Arendseer Politik um ein Meinungsbild, „ob an dieser Partnerschaft weiter festgehalten werden soll“. Die Antwort kam postwendend: Einstimmig sprach sich der Kulturausschuss für die Aufhebung aus. Im Januar 2020 stellte die Linken-Fraktion den entsprechenden Antrag im Rat. Man nahm Kontakt auf, Bürgermeister Hoger Menzel informierte die Hilchenbacher Fraktionsvorsitzenden. Über das Telefonat der beiden Bürgermeister vermerkt die Vorlage zur Arendseer Ratssitzung am 5. Mai: „Der Bürgermeister der Stadt Hilchenbach bestätigte, dass eine aktive Partnerschaft nicht besteht. Sofern der Stadtrat eine Aufhebung beschließen sollte, wird dies von Seiten der Stadt Hilchenbach akzeptiert.“

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Hilchenbach beginnt Freundschaft im Wendejahr

Im Wendejahr 1989 war die Neugierde groß: Man wollte sich kennen lernen. Während die Nachbarstadt Kreuztal damals ihre bis heute gepflegte Partnerschaft mit Nauen bei Berlin begründete, wurde in Hilchenbach gestritten: Die CDU hatte Verbindungen nach Seiffen im Erzgebirge, Bürgermeister Paul Roth (SPD) hatte Verwandte in Arendsee.

Eingemeindet

Die einzige Städtepartnerschaft Hilchenbachs bestand mit der niederländischen Gemeinde Ruinen. Sie wurde 1965 geschlossen und endete 1998 mit der Eingemeindung Ruinens in die Gemeinde De Wolden. Ruinen liegt in der niederländischen Provinz Drenthe.

In Hilchenbach gibt es nach wie vor den Ruinener Weg – als die Partnerschaft noch bestand, wurde dafür ein Teil des Mühlenweges umbenannt.

Seit 2015 sind Hilchenbach und Bellegra im italienischen Latium offiziell Städtefreunde. Seit 2012 gibt es ein Kulturabkommen zwischen beiden Orten. Entstanden ist der Kontakt 2011. Der damalige Trainer der Spielvereinigung Kredenbach –Müsen stammt aus Bellegra.

1987 hatten Roth und Stadtdirektor Wolfgang Bell schon einen ersten Anbahnungsversuch unternommen: Die Mauer hielt den Hilchenbachern stand, die Einreise wurde nur den beiden Ehefrauen gestattet. 1990 gab es die erste offizielle Begegnung. Während andere Kommunen in den neuen Bundesländern gern auf Unterstützung und Verwaltungshilfe zurückgriffen, soll der Empfang in Arendsee eher frostig gewesen sein. CDU-Mann Wolfgang Bell gab der in Arendsee mitregierenden PDS die Schuld daran, SPD-Mann Paul Roth sah die CDU verantwortlich fürs schlechte Klima. Denn die hatte in Hilchenbach wissen lassen, dass sie eine Freundschaft mit Nachfolgern der SED, der DDR-Staatspartei, nicht mittrage.

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Ehemaliger Hilchenbacher Bürgermeister zieht nach Arendsee

Während die Freundschaft mit Seiffen sich in regelmäßigem Austausch entwickelte, gab es in der Verbindung mit Arendsee nur zwei Höhepunkte: den Tag der Deutschen Einheit 1994, als im Hademer Neubaugebiet Auf dem Falschet eine „Arendseer Straße“ benannt wurde. Und das Jahr 1999. Ohne eine Verabschiedung am Ende seiner Amtszeit abzuwarten, übersiedelte Bürgermeister Paul Roth an den Arendsee.

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Roth wurde richtiger Arendseer, ließ sich in den Stadtrat wählen, kandidierte 2001 als Bürgermeister in dem Altmark-Flecken Leppin. 2001 holte Roth seinen Abiturjahrgang vom Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium zum 50. Abi-Jubiläum nach Arendsee – unter ihnen Bruno Knoche, der selbst bis 1994 Priester in Arendsee war, das wie Siegen zum Erzbistum Paderborn gehört. 2014, nach dem Tod seine Ehefrau, kehrte Paul Roth in seine andere Heimat nach Hilchenbach zurück, wo er im Dezember 2018 kurz nach seinem 90. Geburtstag starb. Das Pflaster für den Marktplatz, der in den 1980er Jahren neu gestaltet wurde, lag übrigens vorher in Erfurt – die DDR brauchte Devisen. Bei Geld hört die Freundschaft anscheinend nicht nur auf; sie fängt gar nicht erst an.

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