Hilchenbach/Netphen. Immer mehr Läden müssen wegen des Coronavirus schließen. Was lassen sich Händler aus Hilchenbach und Netphen dagegen einfallen? Ein Überblick.

Hilchenbach/Netphen. Geschäfte im Siegerland, die nicht der Grundversorgung dienen, müssen seit Mittwoch wegen des Coronavirus geschlossen bleiben. Händlerinnen und Händler aus Hilchenbach und Netphen erklären, mit welchen Ideen sie direkten Kontakt vermeiden und trotzdem ihre Kunden beliefern wollen.

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"Bücher buy Eva" in Hilchenbach setzt auf den Online-Shop

Am Dienstag hatte Eva-Maria Graß noch einen Übergangstag, am Mittwoch blieben die Türen ihrer Buchhandlung "Bücher buy eva" in Hilchenbach verschlossen. "Viele Kunden haben sich dann noch eingedeckt, besonders für die Kinder." Im Auftrag ihrer Schulen sollen Schülerinnen und Schüler Taschenbücher in den Corona-Ferien lesen. "Zum Beispiel das 'Vorstadtkrokodil' von Max von der Grün", so Eva-Maria Graß.

Verwaist ist ihre Buchhandlung jedoch nicht. Zu den regulären Öffnungszeiten ist sie telefonisch zu erreichen -- über den Online-Shop buecherbuyeva.de können die Kunden weiterhin bestellen. "Ich darf im Prinzip keinen Kundenkontakt haben, aber eine Bücherlieferung über den Postweg ist möglich." Wenn sie das gewünschte Buch im Laden hat, bringt sie es noch am selben Tag zur Post und schickt es los. Bei Bestellungen im näheren Umkreis liefert Eva-Maria Graß die Lektüren wenn möglich noch selbst aus. Von ihrem Großhändler kann sie sich Bücher auch über Nacht liefern lassen.

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Buchhändlerin rechnet mit massiven Einbußen durch Corona

Sie erhalte viel Zuspruch und Solidarität von den Kunden, so die Buchhändlerin."Was ist wichtiger bei einer möglichen Ausgangssperre: Nudeln oder ein schönes Buch", sagt die Händlerin mit einem Augenzwinkern. Ihre drei Mitarbeiterinnen hat sie bereits ins Home-Office geschickt. "Mit einem Stapel Bücher, damit wir nach der Zeit genug Stoff für Leseabende haben."

Trotz des Angebots eines Online-Shops rechnet Eva-Maria Graß mit "massiven Einbußen" bei den Einnahmen. "Vier bis sechs Wochen zu überbrücken ist eine lange Zeit." Sie will sich nun bei der Industrie- und Handelskammer wegen finanzieller Unterstützung informieren.

Bücher- und Schreibwarenladen "Weinaug" in Netphen bleibt vorerst geöffnet

Offiziell geöffnet hatte an den vergangenen Tagen noch der Bücher- und Schreibwarenladen Weinaug in Netphen. Nach aktuellem Stand der Stadt Netphen darf der Laden von Inhaberin Inga Metz weiter für den Kundenverkehr offen bleiben. „Ich bin systemrelevant für Netphen“, unterstreicht sie, „ich bin für den täglichen Bedarf der Menschen vor Ort wichtig.“ Neben Bücher und Schreibwaren als Kerngeschäft verkauft die gelernte Buchhändlerin auch Zeitschriften, Tabak, Lotto und Fahrkarten für den VWS. „Wir sind ein alteingesessenes Netphener Unternehmen“, erzählt Inga Metz. Wie es für sie weitergeht, ist noch unklar. "Sobald ich die behördliche Anweisung bekomme zu schließen, tu ich das sofort. Bis es soweit ist, muss ich über reduzierte Öffnungszeiten nachdenken."

Bereits als Jugendliche habe sie in dem Schreibwarenladen in der Lahnstraße eingekauft. Nun steht sie selbst hinter der Ladentheke und versorgt Schülerinnen und Schüler, die wegen des Coronavirus zu Hause bleiben müssen, mit notwendigen Schulsachen. „Auch wenn die Kinder nicht in die Schule gehen, müssen sie Bücher bestellen, kaufen Schreibblöcke oder Füllerpatronen. Ich finde es wichtig, ihnen das liefern zu können.“

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Kunden sind verunsichert, wie lange Läden noch geöffnet haben

Sie führe derzeit viele Gespräche mit verunsicherten Kunden, die nachfragen, wie lange der Laden geöffnet bleibe. „Jeder wird von der Situation überrollt. Es ist nicht einfach, sich einen Plan B spontan zu überlegen“, erklärt die Inhaberin. Einen Online-Shop habe sie bislang nicht, eine Homepage wird derzeit eingerichtet, sei aber noch nicht fertig. Um den Bedarf der Menschen zu decken und um ihre Umsatzeinbußen teilweise zu kompensieren, arbeite sie derzeit an einer Lösung, weiter mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. „Es geht auch um meine Existenz. Das ist sehr viel auf einmal für eine Person.“

Die Gesundheit der Kunden, Mitarbeiter und ihr eigenes Wohlbefinden ist Inga Metz wichtig. "Wie soll ich mit der Verantwortung für meine Mitarbeiter umgehen?", fragt sie. Sie wünsche sich von ihren Kunden, "dass sich alle an die Hygienemaßnahmen halten und Rücksicht nehmen mir gegenüber, meinen Verkäuferinnen und den anderen Kunden." Sie tausche sich auch mit den anderen Einzelhändlern aus. In der Nachbarschaft werde einiges angestoßen, sagt Metz, und verweist auf das neu entstandene Netzwerk „Solidarität statt Panik“, das am vergangenen Wochenende von CDU-Politiker Sebastian Zimmermann gegründet wurde.

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"Annes Wollstübchen" in Netphen fürchtet langfristige Folgen

Der Schließung des Tagesgeschäft sieht Anne Müller, Inhaberin von "Annes Wollstübchen" in Netphen, entspannter entgegen. "Ich habe einen Laden auf dem platten Land mit einer Kundenfrequenz von maximal zwei bis drei Personen am Tag, davon überwiegend Stammkunden", erzählt Anne Müller.

Als Kleinunternehmerin hat sie nur an drei Tagen in der Woche geöffnet: Dienstag und Mittwoch am Nachmittag sowie Donnerstagvormittag. Sie sei weiter telefonisch zu erreichen, Bestellungen könnten dann auch mit vorheriger Absprache an der Ladentür überreicht werden -- mit Sicherheitsabstand und wenn die Hygienevorschriften eingehalten werden, betont Anne Müller. "Auf Wunsch verschicke ich die Wolle auch in einem Päckchen per Post", unterstreicht sie. Bezahlt wird dann per Online-Banking.

Coronavirus: Strickkurse in Netphen fallen aus

Finanzielle Schwierigkeiten erwarte sie trotzdem. "Doch wie stark die Einbußen werden, kann ich erst später beurteilen", sagt sie. Wegen des Coronavirus musste sie bereits den Tag der offenen Tür am 7. April absagen. Auch die angebotenen Strickkurse werden nicht stattfinden. Langfristig blickt Anne Müller mit Sorgen auf die Lieferung ihrer Wolle. Die bezieht sie von einem Händler aus Österreich. "Wenn jetzt die Einnahmen fehlen, dann wird es für den Herbst schwierig."

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Bensberg-Wohnen in Müsen bietet Einzelgespräche an

Die aktuelle Situation verunsichert Sarah Bensberg, Junior-Chefin von Bensberg-Wohnen in Müsen. Denn für ihren Betrieb trifft sie auf Widersprüche im richtigen Umgang mit dem Erlass: Das Einrichtungshaus musste sie ab Mittwoch schließen, Tischlerei und der Bestattungsbereich dürfen weiter geöffnet bleiben. Aktuell seien zwei Mitarbeiter im Einrichtungshaus als Ansprechpartner vor Ort. "Die Planungsarbeit und Organisation kann weiterlaufen", sagt Sarah Bensberg. Beratungstermine werden nach vorheriger Vereinbarung und unter den Hygienevorschriften weiter angeboten. Toiletten, Türgriffe und glatte Oberflächen werden nach Angaben von Sarah Bensberg drei Mal täglich desinfiziert, die Eingangstüren bleiben verschlossen: "Wir sind kein Haus, durch das Menschenmassen strömen", sagt sie.

Aktuell keine Lieferungen aus Österreich

Auslieferungen von Möbelstücken und die Warenannahme seien aktuell nicht eingeschränkt, so die Junior-Chefin. Außerdem biete der Betrieb aus Müsen rund 100 Ausstellungstücke über einen ebay-shop online an. Aber um die finanziellen Einbußen abzufedern, reiche dies nicht aus.

Nicht betroffen von dem Erlass ist der handwerkliche Bereich des Betriebs. In der Tischlerei und dem Bestattungsbereich werde weiterhin gearbeitet, so Sarah Bensberg. Als selbstproduzierender Betrieb habe Bensberg-Wohnen Holzvorräte, doch es gebe Probleme bei der Anlieferung anderer Produktionsteile. Der "Vorlieferer" aus Österreich liefere aktuell nichts. "Die Lieferkette wird durchbrochen und Arbeitseinsatz entfällt. Dann wird es in dem Bereich auch noch zu Einbußen kommen."

Plexiglasscheiben bei Jungs Tankstellen an der Kasse

„Wir merken den Rückgang auf jeden Fall“, sagt André Jung, „gerade in den Morgenstunden und abends.“ Denn es gibt keinen nennenswerten Berufsverkehr mehr, der an Jungs Tankstellen in Hilchenbach und Netphen vorbeikommt. Dabei wäre das gerade jetzt, bei den niedrigen Spritpreisen, eine gute Zeit fürs Geschäft: „Dann wird eher voll getankt.“ Die Provision richtet sich nach den verkauften Litern, „den Preis selbst können wir nicht steuern.“

In den Shops trennen Plexiglasscheiben Kundschaft und Personal. „Die habe ich am Montag selbst installiert“, berichtet André Jung. Die Kunden werden gebeten, Abstand voneinander und auch vom Personal zu halten. Außerdem gewünscht wird die bargeldlose Zahlung, damit die Mitarbeiter keine Geldscheine aus fremden Händen entgegennehmen müssen. Bei seiner Mannschaft habe es ein „gewisses Unwohlsein“ gegeben, sich am Arbeitsplatz infizieren zu können, berichtet Jung. „Da gab es viel Bedarf an Aufklärung.“

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