Siegen. Der Siegener Redakteur Tim Haacke hat einen Unfall und muss ins Krankenhaus. Wegen Corona unter besonderen Bedingungen. Ein Erfahrungsbericht.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens, besonders das Gesundheitssystem ist betroffen. Dass dieses nicht überlastet wird und weiter funktioniert, ist eines der wichtigsten Ziele der Krisenbewältigung. Wie funktioniert die medizinische Versorgung abseits von Corona in diesen Tagen? Lokalredakteur Tim Haacke hat den unfreiwilligen Selbstversuch gemacht.
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Der Unfall: In Gedanken noch bei Corona
Noch mit den Gedanken an den zurückliegenden Tag und den Entwicklungen um das Coronavirus beschäftigt, stolpere ich und falle äußerst unglücklich durch die Glasscheibe meiner Küchentür. Dabei ziehe ich mir tiefe Schnitte am Arm zu. Meiner Partnerin wird noch vor mir klar: Damit muss ich ins Krankenhaus. Die Verletzung verdrängt sogar Corona für einen Moment aus meinen Gedanken.
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Am Krankenhaus angekommen werde ich allerdings schlagartig wieder daran erinnert. Zahlreiche Schilder zeigen den Weg zu einem separaten Eingang und weisen auf strengere Sicherheitskontrollen hin. Der Haupteingang ist verschlossen, sämtliche anderen Türen ebenfalls. Ich habe einige Mühe, überhaupt einen Weg hinein zu finden. Insgesamt wirkt die Klinik fast verlassen und gibt ein gespenstisches Bild ab.
Der Einlass an einem Siegener Krankenhaus: Gar nicht so leicht
Schließlich finde ich eine Sprechanlage und klingele. Während ich versuche, die Blutung der Wunde mit einem provisorischen Druckverband – ironischerweise aus Klopapier – zu unterdrücken, muss ich mein Anliegen schildern. Die Stimme auf der anderen Seite erklärt mir schließlich, dass ich das Krankenhaus betreten darf – aber nur ich. Meine Begleitung muss draußen bleiben, wir müssen bestätigen, dass wir das verstanden haben. Erst danach öffnet ein Wachmann eine Seitentür und lässt mich allein hinein.
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An der Information muss ich der Empfangsdame zunächst meine Versichertenkarte vorzeigen. Unter Schmerzen versuche ich einhändig mein Portemonnaie aus der Jacke zu kramen und die Karte daraus hervorzuholen. Meinen Verband kann ich dabei nicht mehr festhalten. Anschließend muss ich erneut meine Verletzung schildern, außerdem meinen Namen, meinen Geburtsort und meinen Hausarzt. Als die Frau merkt, dass ich stark blute und unter Schmerzen leide, reicht sie mir neues Papier und entschuldigt sich für die Situation. Corona mache das alles notwendig, erklärt sie.
Außer mir, der Empfangsdame und dem Wachmann ist niemand weit und breit zu sehen. Ich soll noch kurz warten, die Ärztin sei auf dem Weg. Während ich warte, kommt eine Frau mit Krücke und fragt den Wachmann, ob sie das Krankenhaus überhaupt noch verlassen dürfe. Er scheint sich nicht sicher zu sein. In diesem Moment, nach wirklich nur sehr kurzer Wartezeit, kommt eine junge Frau, ruft mich auf und bringt mich in ein Behandlungszimmer.
Die Behandlung im Siegener Krankenhaus: Bislang kein Corona-Patient
Sie begutachtet meine Verletzung und beginnt mit der Säuberung der Wunde. Nach wiederum kurzer Wartezeit kommt auch die Ärztin dazu. Die Wunde ist tief und einige Scherben stecken noch darin, außerdem habe ich einige weitere Wunden am Arm. Ich muss meinen Blick abwenden, als sie mit einer Pinzette nach den Scherben sucht. Ich bekomme eine Betäubungsspritze, da mehrere Stiche nötig sein werden – der mit Abstand schmerzhafteste Teil der Behandlung.
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Anscheinend hatte ich Glück und keine Sehnen oder Arterien wurden verletzt. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf entspanne ich mich langsam ein wenig, während die Ärztin mich noch zusammenflickt. Kurz bevor sie fertig ist, scherzt sie mit ihrer Assistentin. „Da haben wir ja heute doch noch einen richtigen Patienten“. Es ist kurz vor 21 Uhr. „Sonst nur Corona?“ frage ich. „Keine echten Fälle“, antwortet sie. „Leute, die es denken“. Sie überlegt. „Einen echten Fall hatten wir hier bisher noch nicht.“
Die Lehre: Jeder in Siegen-Wittgenstein hat eine Mitverantwortung
Insgesamt hat die Versorgung in meinem Fall gut funktioniert. Doch das Erlebnis führt mir deutlich vor Augen, was bisher nur eine graue, theoretische Information war. Das Coronavirus stellt für unser Gesundheitssystem eine Zerreißprobe dar und die Auswirkungen betreffen eben nicht nur die Risikogruppen, für die das Virus selbst eine große Bedrohung darstellt. Und jeder trägt eine Mitverantwortung, die Situation in den Griff zu bekommen — auch dadurch, nicht in Panik zu verfallen und die Krankenhäuser zu überrennen.
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Beim Verdacht auf eine Ansteckung mit dem Coronavirus sind Krankenhäuser nicht die richtige Adresse. Stattdessen sollte telefonischer Kontakt zum Hausarzt oder zum ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117 aufgenommen werden. Falls ein Test sinnvoll ist, wird dieser in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt im zentralen Diagnosezentrum oder durch mobile Teams durchgeführt.
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