Siegen. Der Siegener Klaus-Dieter Wern hat 2012 die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd gekauft. Im Interview erzählt er, wie es dazu kam.

Von sich selbst sagt Klaus-Dieter Wern, „gebürtig in Heisberg, groß geworden in Trupbach und verheiratet nach Seelbach“, er sei „bekannt wie ein bunter Hund“. Dass er als SPD-Kommunalpolitiker und Ratsmitglied in Siegen in den 1980er Jahren Verantwortung übernommen hat, mag dazu beigetragen haben. Vor allem aber eine Geschichte, die überhaupt nichts mit Nahverkehr und Politik zu tun hat: Unter seinem Vorsitz wurde die Fußball-Frauenmannschaft des TSV Siegen sechs Mal Deutscher Meister und sieben Mal Pokalsieger. Steffen Schwab sprach mit dem Eigentümer der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS).

Wie sind Sie überhaupt in die Branche gekommen, wie wird man Busunternehmer?

Der Omnibus hat mich immer interessiert. Als kleines Kind hatte ich hinten auf dem Fahrrad eine Kiste, voll mit Schachteln mit Modellomnibussen von Siku. Wenn ich früher mit meiner Mutter in die Stadt ging, kamen wir unten am Kölner Tor an einem kleinen Spielzeugladen vorbei, und meine Mutter hat mir da die Autos gekauft. Bei Leonhard Breitenbach in Trupbach gab es den schwarzen Walzensand, mit dem wir Jungs schön Straßen bauen und mit den Omnibussen fahren konnten.

Drei Tage Jubiläumsfest

Vor 125 Jahren fuhr der erste Motor-Linienomnibus der Welt von Deuz nach Siegen. Mit Korso, Fest- und Heimatabenden und einer Zukunftsmeile wird das Jubiläum vom 20. bis 22. März drei Tage lang in Netphen und Siegen gefeiert. Unsere Serie beleuchtet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs im Siegerland.

Daraus wurde dann ein beruflicher Einstieg?

Ich war erst im Einzelhandel: Ich habe hier in Siegen den ersten Aldi-Markt gegenüber von Reichwalds Ecke eingerichtet und geleitet, bin später zu der Lebensmittelkette von Michael Brüggen in Hagen gegangen und nebenbei 1968 meinen Busführerschein gemacht. Zusammen mit sechs Bundeswehrsoldaten habe ich in Koblenz die Prüfung gemacht. Ich habe als einziger bestanden. Danach bin ich nebenbei immer Reisebus gefahren, am Wochenende, bei der Firma Ochsenbrücher. Mein Onkel Heinrich Bäumer war zu der Zeit bei den VWS Betriebsratsvorsitzender, der hatte mir vorgeschlagen, zu den VWS zu kommen. Und das habe ich gemacht. Das war damals, bei so vielen Bewerbern, gar nicht so leicht.

Das wurde dann ein regelrechter Berufswechsel.

1976, zum ganz einfachen Busfahrer.

Was reizte Sie daran?

Das Omnibusfahren. Man darf auch nicht vergessen, dass wir damals im öffentlichen Dienst gut verdient haben.

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Heute ist das aber eher ein Beruf, der die Arbeitskräfte nicht gerade lockt.

Das kann man nicht vergleichen. Ich bin nach Büschergrund gekommen. Wir sind nur Freudenberg-Siegen gefahren und dann in Freudenberg selbst, nach Hohenhain, zum Krankenhaus, die 51, die 52, die große Runde Mausbach-Plittershagen-Landruf. Da fuhren viele Leute mit, jeden Morgen dieselben. Ich wusste, ob jemand krank war. In Plittershagen brachte uns Oma Erna jeden Donnerstag Fleischwurst mit. Stress und Stau, das gab es nicht. Das war eine wunderschöne Zeit. Dann kam ich nach Siegen an den Informationspavillon am Bahnhof, zwischendurch an die Kasse. Und habe nebenbei mit meinem Geschäft begonnen.

Das war wann?

In der Wendezeit, 1989/90. Ich kannte die DDR und die Tschechoslowakei gut. Und habe mich gefragt: Was machen die in der DDR jetzt mit ihren Omnibussen? Zuerst hatte ich mich bei einem Freund in der Tschechoslowakei erkundigt, ob er jemanden kennt, der Busse billig überholen kann.

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Was hatten Sie vor?

Ich wollte denn die Fahrzeuge komplett überholen. In Pilsen gab es die ehemalige staatliche Omnibusgesellschaft CSAD. Deren Direktor stellte die Hallen zur Verfügung. Ich entschied mich für einen Standort in Sokolov. Dort traf ich als Betriebsleiter auf einen Sudetendeutschen, der nach der Wende als Busfahrer nach Hanau gegangen war. Wir passten zusammen. Dann bin ich rumgefahren und habe Autos (Busse, d.Red.) gesucht. Ochsenbrücher gab mir den ersten Bus. Bei MAN in Siegen habe ich einen Lackierer gefunden, der für zwei, drei Monate mit nach Tschechien kam. Und dann haben wir Busse für die ehemalige DDR gebaut. Dort wurden seinerzeit noch nur Ikarus-Busse gefahren. Den ersten Auftrag habe ich in Chemnitz bekommen, das hieß damals noch Karl-Marx-Stadt, den zweiten in Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Das ging dann Schlag auf Schlag, um die 100 im Jahr. Irgendwann habe ich mich dann selbstständig gemacht.

In Siegen.

In der Numbach. Das Unternehmen in Tschechien hieß B & A Spol Sro. Daraus habe ich „Bus & Auto Wern GmbH“ gemacht. „B&A“ kannte jeder, das wollte ich behalten. Wir haben jedes Jahr bis zu 100 Gelenkzüge aufgebaut, dazu kamen Solofahrzeuge. Als wir etwas größer wurden, kam zum Überholender Handel dazu. Die Nachfrage in Osteuropa war riesig. Die Werkstätten waren nach wie vor an drei Standorten in Tschechien, eine Lackiererei habe ich außerdem in Chemnitz gemietet.

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Busunternehmer waren Sie aber immer noch nicht.

Ich hatte jede Menge gebrauchte Busse in der Numbach stehen. Den Auftragsunternehmern, die für die VWS fuhren, habe ich die Busse verkauft oder verliehen. Die waren alle nicht auf Rosen gebettet. Die Unternehmen, bei denen ich um die 30 Busse laufen hatte, ginge in Insolvenz. Gerhard Bettermann, der VWS-Betriebsleiter, fragte, ob ich nicht selbst einspringen wollte. Ich habe dann 2004 die KVA, Kraftverkehr Alchetal, gegründet. Zuletzt, vor dem Kauf, waren wir der größte Auftragsunternehmer der VWS.

2004 gründeten Sie die KVA, 2005 wurden die VWS an die Stadtwerke Bonn verkauft, später an Veolia Transdev. Seit 1. Januar 2012 gehören die VWS Ihnen. Wie ist das?

Ich habe schon mal schlaflose Nächte. Ich habe ein sehr hoch verschuldetes Unternehmen übernommen, was wir nach drei Jahren zu einer schwarzen Null geführt haben. Heute ist das Unternehmen schuldenfrei.

Aber nun häufen sich die schlechten Nachrichten. Die Kritik wegen fehlender Fahrer, ausfallender oder verspäteter Busse landet bei Ihnen.

Mit dem neuen Nahverkehrsplan, der seit 2018 gilt, geht es uns nicht mehr so gut. Die letzten zwei Jahre waren nicht leicht, da war auch vieles, was ins Persönliche geht. Aber ich gehe meinen Weg, ich weiß mich durchzusetzen. Und es steht in ganz Europa morgen keiner auf, der sagt, ich will mit 100 Bussen im Siegerland fahren.“

Die Bus-Serie

Wie geht das aus?

Wir müssen hart verhandeln. Ich glaube, dass es nach dem Ablauf der Linienkonzessionen 2028 keinen eigenwirtschaftlichen Nahverkehr in Siegen-Wittgenstein mehr geben wird.

Wäre das für das Unternehmen denn so schlimm?

Den Auftrag nach der EU-weiten Ausschreibung müssten wir dann ja erst mal bekommen. Als kleiner privater Unternehmer habe ich, fürchte ich, keine Chance.

Also kämen dann Bahn, Arriva, Veolia…

Wir würden dann unsere anderen Gesellschaften B&A, KVA und KVO (Kraftverkehr Olpe, d. Red.) weiterführen, wenn die VWS irgendwann die Aufträge verlieren. Die Auftragsunternehmen würden weiter bestehen können.

Sie sind jetzt 76. Für sich selbst haben Sie Ihren letzten Arbeitstag schon festgelegt.

Bevor ich die VWS gekauft habe, haben wir ein Jahr verhandelt. Dann trat man an mich heran, ob ich Interesse hätte, die VWS zu kaufen. Ich habe einen Familienrat einberufen. Meine Söhne winkten ab, aber mein Enkel Jörg sagte: Opa, ich gehe mit. Dann habe ich gesagt: Ich helfe dir, bis das richtig läuft, und dann gehe ich. Die Zeit ist jetzt langsam gekommen. Ich bin jetzt 76 und werde Ende des Jahres hier aufhören.