Siegen. Auch 2020 ist Siegen beteiligt an Internationalen Wochen gegen Rassismus. Bürgermeister Steffen Mues beobachtet Verrohung der Sprache mit Sorge.
Wie viele kleine Mückenstiche fühlt sich Rassismus im Alltag an, sagt Emetullah Hokkaömeroglu. Hier geboren und aufgewachsen, Siegen ist Heimat – „und dann bekommt man das abgesprochen“, sagt sie. „Das schmerzt irgendwann.“ Rassismus in all seinen Ausprägungen ist leider ein zunehmendes Phänomen in Deutschland; in NRW, auch in Siegen. Die Stadt, die Stadtgesellschaft will sich dem entgegenstellen und ein Zeichen setzen: Rassismus und Rassisten haben in Siegen keinen Platz. Die Stadt beteiligt sich erneut an den Internationalen Wochen gegen Rassismus, vom 16. bis 28. März gibt es das bisher umfangreichste Programm aller Aktionswochen: „Gesicht zeigen – Stimme erheben“.
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Diskriminiert werden nicht nur Ethnien, sondern Menschen wegen ihres Alters, ihrer Sexualität, ihrer Wohnungslosigkeit. Auch das sollen die Aktionswochen abbilden. die Veranstaltungen sind kostenlos. Alle Termine und ausführliche Informationen dazu gibt es auf der Homepage der Stadt Siegen .
Die Netzwerkerinnen: Siegener Demokraten müssen Zeichen setzen
Der Rassismus sei nie weggewesen, sagt Emetullah Hokkaömeroglu vom Netzwerk gegen Diskriminierung – und in den letzten Jahren sei er immer salonfähiger geworden. „Vielleicht auch, weil die Demokraten ihre Stimme nicht erhoben haben.“
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Die Gruppe „Weltoffenheit“ will diese Stimme künftig regelmäßig erheben, sagt Gül Ditsch, Antidiskriminierungsbüro des Vereins für Soziale Arbeit und Kultur (VAKS): An einem Stand an zentraler Stelle in Siegen, für Weltoffenheit, Vielfalt, Frieden und Toleranz, von Verbänden, Institutionen, Kirchen – den Demokraten eben.
Der Siegener Integrationsratsvorsitzende: Immer noch „Wir“ und „Ihr“
Er erlebe Alltagsrassismus täglich, bei der Arbeit, in Vereinen, sagt Önder Sahin. Ganz oft unterschwellig, als würden die Leute gar nicht merken, was sie da denken und sagen. Allein die Wortwahl – „Wir und Ihr“: In Deutschland geboren, seit 50 Jahren hier – immer noch „Ihr“. Witze auf Kosten aller möglichen Minderheiten, die zigfache Menge an Bewerbungen, bis eine Person mit ausländisch klingendem Namen eine Stelle bekommt – alles Alltag in Deutschland, in NRW, in Siegen im Jahr 2020. „Wir müssen dem früh begegnen“, sagt Sahin.
Zahlen rund um den Aktionstag
1966 erklärten die Vereinten Nationen den 21. März zum internationalen Tag zur Überwindung des Rassismus.
2008 trat Siegen der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus bei.
38.000 Euro Fördermittel wurden für 2020 aus dem Programm „Demokratie Leben“ für die Aktionswochen eingeworben, um Projekte zu unterstützen. Die Stadt stellt dazu auch Eigenmittel bereit.
13 Veranstalter sind an den Aktionswochen beteiligt: Netzwerk gegen Diskriminierung, Stadt, Jugendamt und Integrationsrat Siegen, Kommunales Integrationszentrum des Kreises, Caritas und AWO Siegen-Wittgenstein, Atatürkverein Siegerland ADD, Verein für Soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen VAKS, Diakonie, Szenet, NRW-Integrationsministerium und -agenturen.
Und appelliert an die Bevölkerung: „Gehen Sie zu den Wochen gegen Rassismus, engagieren Sie sich, zeigen Sie Gesicht!“ Der überwiegende Anteil der Menschen seien keine Rassisten – aber das allein reiche nicht, es benötige das Handeln, das dagegen Positionieren, das deutliche Signal auch an die so oft Diskriminierten, dass sie sehr wohl Teil der Gesellschaft sind.
Der Bürgermeister: Kein Platz für Diskriminierung in Siegen
Siegen sei eine weltoffene, tolerante, internationale bunte Stadt, sagt Steffen Mues. Viele Menschen aus vielen Ländern leben hier, es gebe viele gute Beispiele des Zusammenlebens und der Interkulturalität – und auch immer wieder Vorfälle, die es zu bekämpfen gelte. „Wir nehmen das Motto wörtlich: Gesicht zeigen, Stimme erheben“, sagt der Bürgermeister, der das auch im privaten und dienstlichen Umfeld tut. „Wer Hass säen will und hetzt, in Texten, den sozialen Medien – da werden wir nicht schweigend wegschauen.“ Denn man habe gerade erst in Hanau sehen müssen, dass aus Worten Taten werden. „Mit einer zunehmenden Verrohung der Sprache wird Unmenschlichkeit das Wort geredet“, hat Steffen Mues beobachtet: Es würden Worte ausgesprochen, die weit über Meinungsfreiheit hinausgingen.
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Dass jemand wie Bernd Höcke im Thüringer Landtag Hassparolen verbreiten könne, sei noch vor kurzer Zeit undenkbar gewesen. Das zeige: „Der Nationalsozialismus ist noch nicht überwunden“, gruppenbezogene Feindseligkeit gegen Minderheiten allgegenwärtig, gezielte Grenzüberschreitungen werde versucht, gesellschaftsfähig zu machen. Man werde werben für die Demokratie und ihre Werte, für das Grundgesetz; aufklären, sensibilisieren und Stellung beziehen, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt, in der Gesellschaft keinen Platz lassen.
Der Integrationsbeauftragte: Kein Diskriminierungsopfer muss in Siegen allein bleiben
„Wir wollen mit dem Aktionsprogramm auch deutlich machen: Wer betroffen ist, muss damit nicht allein bleiben“, betont Torsten Büker, „das wissen viele nicht“. Wer Diskriminierung erfährt, für den gibt es Anlaufstellen, bei der Stadt, Verbänden – und das nicht nur während der Aktionswochen.
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Man habe schon häufiger Menschen mit ausländisch klingendem Nachnamen geholfen, die bei der Wohnungssuche benachteiligt worden seien. Viele schluckten Ärger und Demütigung, würden krank, frustriert. „Es liegt an uns allen, Flagge zu zeigen.“
Auszüge aus dem Programm der Siegener Wochen gegen Rassismus
Stadtführung entlang der Erinnerungsorte zum Nationalsozialismus in der Unterstadt: Montag, 16. März, 17 bis 18.30 Uhr, mit Peer Ball. Treffpunkt: Sandstraße 20.
Psychologie des Antisemitismus: Vortrag Dr. Felix Riedel, Montag, 16. März, 19 Uhr, Krönchen-Center.
„Ein Dorf sieht schwarz“, französische Komödie, Dienstag, 17. März, 17 Uhr, Rathaus Weidenau.
Workshop Antiziganismus, mit Ismeta Stojkovic, Mittwoch, 18. März, 16 Uhr, Mediathek gegen Rassismus (Tiergartenstr. 9).
Argumentationstraining gegen Stammtischparolen: Donnerstag, 19. März, ab 14 Uhr, Alte Hammerhütter Schule (Koblenzer Str. 90).
Vortrag: Rassismus früher und heute, Dr. Christian Johannes Henrich, Donnerstag, 19. März, 18 Uhr, Lindenplatz 3.
Music Against Racism, Freitag, 20. März, 18 Uhr, Kinder- und Jugendtreff Geisweid.
Escape Room: Fünf Personen lösen als Team einen rassistisch motivierten Mord; Montag, 23. März, ab 8 Uhr, AWO (Koblenzer Str. 136).
Vortrag AWO gegen Rassismus mit Sozialaktivist Ali Can („#MeTwo“), Montag, 23. März, 19 Uhr, AWO.
„Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“, Lesung von Alice Hasters, Samstag, 28. März, 16 Uhr, AlterAktiv (St. Johann-Str. 7).
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