Alchen. Klaus Irle erlitt bei der Explosion der Bratpfanne beim Alcher Backesfest schwere Verbrennungen. Die Anteilnahme hat nicht nur ihm sehr geholfen.
Als Klaus Irle nach 16 Tagen die Klinik verlassen, sich wieder selbst bewegen konnte, da kamen die Menschen zu ihm. Sie fragten wie es ihm geht, umarmten ihn. „Das war unwahrscheinlich schön“, sagt Irle. Pause. „Unwahrscheinlich schön.“ Klaus Irle ist einer der elf, die bei der Tragödie von Alchen am 8. September verletzt wurden, als beim Backesfest eine fettgefüllte Pfanne explodierte.
Zwei Frauen starben in Folge ihrer schweren Brandverletzungen. Der Schock sitzt nach drei Monaten, immer noch tief. Die Trauer wird bleiben. Aber langsam blicken die Alcher wieder nach vorn.
Klaus Irle sieht beim Backesfest Alchen den Feuerball auf ihn zurasen
Klaus Irle stand direkt an der Theke. „Ich hatte mich ein bisschen weggedreht“, sagt er, von rechts sah er den Feuerball auf sich zurasen. „In dem Moment wusste ich: Das ist kein guter Ort, um mich aufzuhalten.“ Irgendwie ging er instinktiv davon aus, dass er auf der rechten Seite brennen würde, riss sich die Jacke vom Leib, rief um Hilfe, um die Hose loszuwerden. Irle war als Gast beim Backesfest, kennt sich aber aus. Er lief in die Toilette im Backes, tränkte Handtücher in kaltes Wasser, wickelte die Umschläge um beide Beine. „Ich habe nur die Verletzungen an den Waden wahrgenommen“, sagt er, die Brandblasen an Händen und Gesicht bemerkte er erst später.
„Ich habe lange im Backes gelegen und meine Beine gekühlt“, erinnert sich Irle. Als ihn die Rettungskräfte heraustrugen, machte sein Körper nicht mehr mit, „ich fing an zu vibrieren, konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten.“ Jemand sagte ihm, man würde ihn in Schlaf legen. Und dann wurde er abends im Bochumer Bergmannsheil-Krankenhaus wach. „Um 22 Uhr, ich lag im Bett, verpackt in Verbände und hatte das Gefühl, dass ich mich unheimlich wohl fühlte“, erzählt Irle. Als erstes rief er seine Frau an. „Das zu wissen, war für sie ein großer Trost.“
53.000 Euro auf dem Spendenkonto der Kirchengemeinde für die Opfer von Alchen
Dieser Trost, er war und ist für Opfer, Angehörige, Alcher, Gäste, für die Genesung seelischer Wunden so wichtig wie kühle Verbände für Brandblasen. 53.000 Euro gingen bislang auf dem Spendenkonto der Kirchengemeinde für die Opfer ein, bis weit über die Region hinaus nahmen die Menschen Anteil. „Wir möchten Danke sagen“, so Martin Lucke, Vorsitzender des Alcher Heimatvereins. „Das war sehr wichtig, um diese Zeit zu überstehen.“
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2017, zwei Jahre vor dem Unglück hatten die Alcher damit begonnen ihr Dorfjubiläum vorzubereiten. 675 Jahre Alchen; diesen Schwung wollte man mitnehmen für den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“: Projektgruppen überlegten, wie man das Dorf nach vorne bringen könne in allen Bereichen, die für Alchen wichtig sind. Den Schulhof neu gestalten, einen Wanderweg anlegen, den Spielplatz aufwerten, Naturprojekte wie Blühstreifen für Insekten. Die Überschüsse des Backesfests waren für den Schulhof gedacht.
Ständige Sorge im Heimat- und Verschönerungsverein Alchen um die Verletzten
„Der Schock ging durchs ganze Dorf“, sagt Martin Lucke, der zwei Meter von der explodierenden Pfanne entfernt stand. „Es waren schwere, bedrückende Tage.“ Am Tag danach die erste Todesnachricht. Die schrecklichen Bilder, „inzwischen kann ich wieder schlafen“, sagt der Vorsitzende. Gespräche mit Versicherungen, Aussagen bei Behörden, immer die Sorge um die Verletzten, zu denen der Vorstand des Heimatvereins stets Kontakt hielt.
Der Verein möchte nicht einfach weitermachen
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Ursache der Tragödie – Unfall oder Fahrlässigkeit – „hängen wie eine dunkle Wolke über dem Heimatverein“, sagt Martin Lucke. Das sei sehr belastend; vom Ergebnis, das nicht vor Januar erwartet wird, hänge ab, wie es nun weitergehe. Es gibt eine vorläufige Terminplanung für 2020, die aber nur gilt, wenn es keine Schuldzuweisung an den Verein gibt. „Im normalen Turnus weitermachen ist für mich schwer vorstellbar“, sagt Lucke.
Ein Backesfest 2020 wird es nicht geben – aber Alternativen, um unbelastet zusammenkommen zu können – etwa bei der Einweihung des neuen Wanderwegs. Daran wollen sich auch Hinterbliebene beteiligen. „Jetzt“, sagt Martin Lucke, „hoffen wir auf ein friedliches und harmonisches Jahr 2020, verschont von allen Unglücken, in dem wir mit den Alchern die Zukunft Alchens gestalten.“
In diesen vielen, schweren Wochen hielten Zuspruch und Trost, der Zusammenhalt im Ort, die Spendendosen überall in Alchen und im Siegerland, die Menschen aufrecht. „Wir bewältigen das gemeinsam“, sagt Lucke. „Und das alles hilft uns ein Stück weit, damit fertig zu werden.“
Die Trauer um die Opfer von Alchen bleibt – das soll sie auch
Heute, nach drei Monaten, richten sich die Blicke langsam wieder in die Zukunft. Alle überlebenden Verletzten, ob leicht oder schwer, mit Brandblasen oder schweren Hautverbrennungen, können Weihnachten im Kreis ihrer Familie feiern. Das Leben geht weiter und ist doch nie so, wie es vorher war. Die neun Verletzten werden wieder genesen, aber die Trauer um die beiden Todesopfer bleibt. „In die Freude derer, die wieder zu Hause sind, mischt sich die Trauer um die Familien, die nicht mehr so Weihnachten feiern können, wie sie das gewohnt waren“, sagt Volker Nimke, stellvertretender Vorsitzender.
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Er stand ein paar Meter weiter, an der Gulaschkanone. Gerade jetzt, im Advent, geht ihm immer wieder durch den Kopf, dass es auch anders hätte enden können. Dass es noch früh an diesem Sonntag war, das Wetter schlecht, noch nicht so viele Besucher am Backes. Die Trauer bleibt und das soll sie auch. Ein Gedenkort soll in der Nähe der Unglücksstelle entstehen. „Das gehört jetzt leider genauso zur Ortsgeschichte wie all das Schöne, was wir erlebt haben“, sagt Nimke.
Beide Frauen, da sind sich alle, die sie kannten, einig, hätten gewollt, dass es weitergeht. Dass die Projektgruppen, in denen sie engagiert waren, in die alle so viel Arbeit gesteckt haben, weiter für die Zukunft Alchens tätig sind. Auch ohne Dorfwettbewerb, für den sie im Moment nicht die Kraft und den Kopf frei haben. Dass sie irgendwann wieder Feste feiern, dass alte Rezepte zubereitet werden, das gelacht und unbeschwert geredet wird. „Das wäre in ihrem Sinne gewesen“, sagt Nimke.
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