Burbach/Siegen. In Siegen kam es im Rahmen der Burbach-Verhandlung zu schweren Vorwürfen gegen die Sicherheitsleute. Der Prozess wird am 18. Dezember fortgesetzt.
Ein einziger Vorfall steht an diesem Mittwoch im Mittelpunkt des Burbach-Verfahrens. Mehrere Zeugen werden dazu vernommen, nach dem Rauchen einer Shisha-Pfeife in ihrem Schlafraum kollektiv ins berüchtigte „Problemzimmer“ gebracht worden zu sein. Dabei wird vor allem deutlich, wie unterschiedlich sich Menschen an den gleichen Vorfall erinnern können – vor allem auch dann, wenn dieser inzwischen fast sechs Jahre zurückliegt.
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Unterschiedliche Erinnerungen
Am Abend des 4. März 2014 waren vier Sicherheitsleute darauf aufmerksam geworden, dass in einem der Zimmer entgegen der Vorschriften Wasserpfeife geraucht worden war. Elf Personen sollen zur Strafe ins „PZ“ geschafft und später dazu gebracht worden sein, für einen durch eine glühende Kohle beschädigten Stuhl 48 Euro zu bezahlen. Die früheren Bewohner erinnern sich mehrheitlich an 40 Euro, die sie gemeinschaftlich beglichen hätten. Wobei einer der Zeugen betont, nichts bezahlt zu haben. Nach den Aussagen hatte ein Teil der Zimmergenossen, von einem 50-Jährigen als „Jugendliche“ bezeichnet, Wasserpfeife und Zigaretten geraucht, auch Bier getrunken, während andere nur Karten spielten.
Während in der Anklageschrift steht, die Sicherheitsleute hätten willkürlich elf Personen ausgesucht, ohne die individuelle Schuld zu kennen, erklären die Zeugen, es habe eine Aufforderung gegeben, sich zu melden. Die „Jugendlichen“ hätten aber die Zigaretten aus dem Fenster geworfen, niemand habe etwas gesagt. Freilich soll auch kein Dolmetscher oder Sozialbetreuer dabei gewesen sein. Der 50-jährige Zeuge behauptet in diesem Zusammenhang, in Burbach praktisch nie einen Übersetzer erlebt zu haben.
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Wie die Polizei in Syrien
Übereinstimmend bekunden die vier früheren Bewohner, zwischen eineinhalb und drei Stunden eingeschlossen gewesen zu sein. Sie alle seien freiwillig und ohne Gegenwehr mitgegangen. „Wir wussten aber auch, was passiert, wenn wir das nicht machen“, schränkt einer ein. Die Sicherheitsleute seien „nicht nett“ zu den Bewohnern gewesen, hätten durchaus Angst verbreitet, einen Status gehabt, wie die Polizei bei ihnen zu Hause in Syrien. „Erst später kannten wir ja unsere Rechte und wussten, dass dies nicht richtig war“, fügt einer der Männer an.
Verhandlung wird 18. Dezember fortgesetzt
Für den nächsten Verhandlungstag am 18. Dezember ist eine weitere Einlassung angekündigt, über die bereits vergangene Woche gesprochen worden war.
Ein Angeklagter, dem je eine gemeinschaftliche Nötigung sowie Freiheitsberaubung vorgeworfen wurden, soll dann aussagen, gegen die Zusicherung einer Geldstrafe von maximal 90 Tagessätzen.
Ein zweiter, bei dem die Vorsitzende vor einer Woche eine Teileinlassung angeregt hatte, lässt durch seine Verteidigerin erklären, dass diese, wenn überhaupt, erst im neuen Jahr erfolgen werde.
Daneben schildern alle sachlich, wie der beschädigte Stuhl vorgezeigt wurde und der Hinweis kam, gegen Zahlung der Schadenssumme würden sie wieder entlassen. Kein Zeuge berichtet von körperlichen Übergriffen. Wer auf die Toilette musste, konnte das Zimmer nach einem Klopfzeichen begleitet verlassen.
Gelächter unter Angeklagten
Große Abweichungen gibt es bei der Ausstattung. Einer erinnert sich an mehrere Betten, die anderen nur an zwei. Ein Zeuge spricht von Matratzen auf dem Boden, andere von leeren Bettgestellen. Mehrere Wasserflaschen sollen im Zimmer gestanden haben, berichtet ein junger Mann. Das sei eine leere Colaflasche gewesen, die von demjenigen gefüllt wurde, der auf die Toilette ging, widerspricht der übernächste Zeuge.
Von den Anwesenden wird niemand als Beteiligter wiedererkannt. Mehrere Zeugen deuten auf Angeklagte, die nachweislich nicht involviert waren, aber praktisch jede Woche identifiziert werden. Was nach wiederholtem Male zu heftigem Gelächter unter den Angeklagten und Anwälten führt. Die Vorsitzende ist nicht amüsiert. Zwei zum wiederholten Male geladene Vernehmungsbeamte müssen ebenso erneut erklären, keinerlei Erinnerungen an die Gespräche zu haben. Künftig sollen wohl nun einfach die Protokolle verlesen werden, überlegt die Kammer.
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