Siegen. Im Siegener Zentrum ist kein Platz für Parkplätze. Unteres Schloss ist aber gut an den ÖPNV angebunden. Parkhäuser etwas außerhalb könnten helfen
Die Universität Siegen plant in der Innenstadt mit drei vernetzten Teilstandorten des Campus’ Unteres Schloss: neben dem eigentlichen Schloss unmittelbar angrenzend ein Campus Nord im Bereich Friedrichstraße und ein Campus Süd (siehe Grafik). Aufgrund der dichten Bebauung und den Tallagen ist dabei die Verkehrssituation von besonderer Bedeutung: „Parken auf dem Campus wird rein technisch nicht möglich sein“, sagt Dirk Meinhard vom Aachener Ingenieurbüro IVV bei der Hochschulkonferenz.
Die Strategie: Identität und Vernetzung der Fakultäten
Wie berichtet verfolgt die Uni mit ihrer Zwei-Standort-Lösung das Ziel, die geisteswissenschaftlichen Fakultäten, die auch inhaltlich stark vernetzt sind, an einem Standort im Zentrum zu konzentrieren; die Naturwissenschaften mit ihrem größeren Flächenbedarf ziehen komplett zum Adolf-Reichwein-Campus auf den Haardter Berg. Dort sind die Gebäude in die Jahre gekommen, die Standorte Hölderlin- und Paul-Bonatz-Straße sollen aufgegeben werden.
Der Wettbewerb
Ein städtebaulich-freiraumplanerischer Wettbewerb wird aktuell vorbereitet: 16 Städteplaner sollen zusammen mit Landschaftsarchitekten eine Grundidee des künftigen Campus Mitte entwerfen; auf Basis dieses Masterplans werden dann konkrete Entscheidungen gefällt, etwa zu Geschosshöhe oder Gestaltung. Ab Frühjahr 2020 soll ein Siegerentwurf feststehen.
Die Aufgabe: Die benötigten Raumprogramme für Forschung und Lehre so in die Stadt einfügen, dass die Campusteile sinnvoll vernetzt werden, sich harmonisch ins Stadtbild einfügen, Aufenthaltsqualität bieten, die Topografie berücksichtigen und nicht zuletzt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
„Die Uni Siegen ist geprägt durch eine hohe Vernetzung der Fakultäten“, sagt Rektor Holger Burckhart – den Faktoren Identität und Interdisziplinarität soll auch räumlich Rechnung getragen werden, „inmitten der Bürger dieser Stadt.“ Es gehe nicht um Beton, „wir gestalten mit diesen Gebäuden unsere Zukunft“, so Kanzler Ulf Richter. „Hier haben wir die Chance, mit den Neubauten wichtige Zukunftsaspekte der Uni, Forschung, Lehre und Aufenthaltsqualität, nachhaltig zu planen.“ Das sei eine Jahrhundertaufgabe, meint Rektor Burckhart, „soll aber kein Jahrhundert dauern“. Das Land demonstriere enormes Vertrauen in Stadt und Uni Siegen, die mit einer Gesetzesänderung nun selbst als Bauherr auftreten darf.
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Die heutige Hochschule sei „nicht die Uni, die wir uns im Idealzustand wünschen“, so Stadtbaurat Schumann mit Blick auf die entfernte Lage auf dem Berg, die autozentrierte Architektur der 70er Jahre mit wenig Aufenthaltsqualität. Bisher in Siegen umgebaute Großimmobilien wie Kranken- und Warenhäuser oder historische Ensembles seien zwar klassischerweise problematische Gebäude – diese Projekte seien aber in hoher Qualität umgesetzt worden. Keine Wohnung müsse weichen, der Höhenversatz zwischen den Teilstandorten sei architektonisch gut überbrückbar. Es handle sich auch um ein „gigantisches Klimaschutzkonzept“, betont Henrik Schumann: Pendelverkehr entfalle, es würden kurze (Fuß-)Wege geschaffen in bestehenden Strukturen und nicht auf der grünen Wiese – sondern vielmehr bereits versiegelte Flächen wieder aufgebrochen.
Der Campus: Unteres Schloss – Friedrichstraße – Häutebachweg
Neben dem Unteren Schloss bekommt der Campus zwei weitere Teilstandorte.
Nord: 11.000 Quadratmeter Nutzfläche im Bereich Friedrichstraße für die (Philosophische) Fakultät I. „Bei den Immobilien wollen wir teils den Bestand nutzen, aber auch neu bauen“, sagt Kanzler Ulf Richter. Man werde aber „nicht sinnlos abreißen“. Stadtbaurat Henrik Schumann spricht von einer „Hinterhofsituation“, in der auch ohne die Uni städtebaulicher Handlungsdruck entstanden sei, diese Potenziale mit unbewirtschafteten Parkflächen, Leerständen und einer zerstückelten Architektur auch im Sinne des Stadtbilds anzugehen.
Hier liege auch eine Antwort auf die derzeit viel diskutierte Verkehrswende: „Wir können nicht die Hälfte unserer Innenstadt mit Parkflächen asphaltieren.“ Ina Schauer, Stadtplanerin des Büros Pesch und Partner regt an, dass auch eine mögliche Nutzung des steilen Siegberghangs in diesem Bereich mit den Bauvorhaben verknüpft werden könnte.
Süd: 15.000 m2 Nutzfläche für die Fakultät II (Bildung, Architektur, Künste) im Bereich Häutebachweg; insbesondere im Bereich der Liegenschaften Löhrtorbad und Kreishandwerkerschaft sowie entlang des Häutebachwegs. Es liege hier eine große Chance, den Bereich als Eingangstor zur Oberstadt aufzuwerten, so Henrik Schumann. Es gebe Grünflächen, etwa das Weiß-Flick’sche Grundstück; auch die Weiß, die völlig versteckt und nicht zugänglich hier entlang fließt, biete einiges Potenzial in Sachen Aufenthaltsqualität und Klimaziele.
Damit rückten seine „öffentlichen“ Disziplinen wie Kunst, Musik und Architektur in die Mitte der Gesellschaft, betont Prof. Thomas Coelen, Dekan der Fakultät II. „Was wir hier vorhaben, ist beim Campusbau visionär.“
Der Verkehr: Viele Buslinien bedienen den zentralen Campus, Parkhäuser außerhalb
Verkehrsmittel: Dirk Meinhard geht für 2025 von täglich im Schnitt 4500 Personen auf dem Gesamtcampus aus, bei starken Schwankungen: Zu Semesterbeginn sind es beispielsweise deutlich mehr Studierende als am Ende. 41 Prozent davon kommen mit dem öffentlichen Nahverkehr, 34 Prozent mit dem Auto, 25 Prozent zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
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ÖPNV: Viele Buslinien, auch aus dem Umland, haben bereits Haltestellen in Campusnähe, der künftige Hauptcampus sei von vielen Orten ohne Umstieg erreichbar und attraktiv an Bus und Bahn angeschlossen – anders als der Haardter Berg. Es sei ein „irrer Aufwand im ÖPNV, um alle Studierenden auf den Berg zu befördern – davon entfällt am Ende die Hälfte“, sagt Meinhard. Dies könne etwa genutzt werden, um nicht vermeidbaren Pendelverkehr zwischen den beiden Standorten, etwa in der Lehrerbildung, anzubieten.
Parken: Die Innenstadt-Parkhäuser sind ausgelastet, für Autos von Hochschulangehörigen ist hier kein Platz, mit Ausnahme weniger Stellplätze für Schwerbehinderte, Besucher und Dienstfahrzeuge. Die vorhandenen Flächen werden in der dicht bebauten Innenstadt für Forschung und Lehre benötigt. „Wir brauchen ein städtebaulich verträgliches Parken“, so Meinhard, damit nicht etwa Wohngebiete belastet werden.
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Eine mögliche Lösung: Dezentrales Parken am Rand der Innenstadt – Parkhäuser mit jeweils etwa 600 Stellplätzen an der Siegerlandhalle und auf der Sieghütte, etwa einen Kilometer vom Campus entfernt. Beide Standorte seien gut von der HTS zu erreichen, es gebe ein dichtes Regelangebot im Busverkehr, die Strecke sei zudem zu Fuß machbar. „Damit gibt es keinen zusätzlichen Autoverkehr in der Innenstadt und keinen zusätzlichen Parkdruck“, so Meinhard.
Wichtig sei aber, die „letzte Meile“, die Strecke zwischen Parkhäusern und Campus, attraktiv auszugestalten, etwa die Fuß- und Radwege zu verbessern, Sharing-Angebote zu etablieren. Übrigens nicht nur zum, sondern auch zwischen den Teilstandorten, die mit ausreichend Abstelleinrichtungen für Fahrrädern ausgestattet sein sollen.
Für Fragen und Anregungen zum Projekt gibt es eine gemeinsame Mailadresse von Uni und Stadt:
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