Siegen. Das Bruchwerk Theater an der Siegbergstraße arbeitet daran, sich langfristig als Größe in der lokalen Szene zu etablieren.

Der Satz, mit dem David Penndorf ins Pressegespräch zur zweiten Spielzeit des Bruchwerk Theaters an der Siegbergstraße einsteigt, könnte auch ein Bühnenstück einleiten: „Es gibt uns immer noch.“ Angesichts dessen, dass die Eröffnung eines privat geführten Theaters ein ziemlich ambitioniertes Vorhaben und ein entsprechend großes Wagnis ist, ist das nicht selbstverständlich. Vielleicht ist es aber auch keine wirkliche Überraschung, wenn man die spezifische Kombination aus den Faktoren bedenkt: Wer es macht. Und wo. Und zu welcher Zeit. Und warum.

April 2019 ...

ging es erst los . Am 5. war Premiere der ersten Produktion, „Beben“. Die Startphase verlief seitdem „sehr, sehr positiv“, sagt David Penndorf, der das Bruchwerk gemeinsam mit Milan Pešl und Tim Lechthaler im ehemaligen – hinteren – Hettlage-Gebäude gründete. Die im Schnitt 90-prozentige Auslastung habe die Prognosen übertroffen, deutlich mehr als 2000 Tickets seien bisher verkauft worden. „Ein großes Haus erreicht das schnell“, ordnet Milan Pešl die Zahl ein. „Aber wir haben ein Haus mit etwa 80 Sitzplätzen.“

Positive Resonanz ...

habe es gegeben, sehr viel sogar, versichert David Penndorf. Auch habe sich gezeigt, dass das Bruchwerk mit seinem subkulturellen, experimentellen, alternativen Charakter „ein sehr breites Publikum anspricht, von 14 bis 90 Jahre“. Dem Haus liegt ein Konzept zugrunde. Es verbindet professionelle Schauspiel-Inszenierungen mit Werkstatt-Produktionen, holt professionelle Akteurinnen und Akteure auf die Bühne und bringt engagierte Laien dorthin. Letztere erhalten durch Workshops und Projektarbeit das Rüstzeug. In mehr­ererlei Hinsicht markiert das Bruchwerk mit seiner grundsätzlichen Ausrichtung eine Schnittstelle: zwischen offiziellem Kulturschaffen und alternativer Szene, zwischen Theater rezipieren und selbst Theater machen, zwischen Stadt und Kulturbetrieb, zwischen Bevölkerung und neuen Formen theatralen Wirkens und Wollens.

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Priorität ...

auf formaler Ebene hatte in den ersten Monaten der Beweis, „dass das, was wir aufs Papier geschrieben haben, funktioniert“, sagt Milan Pešl. Das Bruchwerk ist, da kommt im Gespräch mit den Gründern kein Zweifel auf, eine Herzensangelegenheit. Aber es ist auch ein Geschäftsmodell, mit dem sie dauerhaft ihren Lebensunterhalt verdienen möchten. Milan Pešl, ausgebildeter Schauspieler, hat die Sicherheit seines Festengagements am Stadttheater Gießen dafür aufgegeben, um seine Vision Realität werden lassen zu können. Im offiziellen Kulturbetrieb „laufen viele Strukturen sehr zäh“, erklärt er. Das eigene Theater ermögliche mehr Beweglichkeit, kürzere Reaktionszeiten, andere Herangehensweisen.

Langfristige finanzielle Sicherheit ...

ist nun ein zentrales Ziel, um einen verlässlichen Rahmen für die weitere Arbeit zu haben. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen fördert einen großen Teil des Programms: Die professionelle Schauspielsparte, die Theaterwerkstatt Tollmut (ein langjähriges Projekt von David Penndorf, das im Bruchwerk aufging) und das Workshop-Angebot. Die Zusammenarbeit, betont Milan Pešl, laufe äußerst angenehm, die im Ministerium Zuständigen „bauen uns keinerlei Hürden auf“. Mit Stadt und Kreis liefen darüber hinaus Gespräche bezüglich finanzieller Unterstützung, denn auch dort werde die Relevanz des Ansatzes gesehen. „Wir glauben, dass es für die Stadt und die Region wichtig ist, dass es hier einen Ort gibt, wo eigene Projekte entstehen“, sagt Milan Pešl.

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Auf- und Ausbau ...

der Workshop-Formate sind „das Hauptthema jetzt“, erläutert David Penndorf. Kurse gab es vorher bereits im Haus. Aber nun startet am 15. Oktober mit „Grundlagen der szenischen Improvisation“ ein bis Februar laufendes Angebot mit einem festen wöchentlichen Termin. Darüber hinaus gibt es Tages- und Wochenendworkshops zu Themen wie Körpereinsatz, Rollenentwicklung oder Bühnen- und Kostümbild. „Es gibt hier definitiv ein großes Interesse der Menschen am Theatermachen“, sagt David Penndorf. Das habe ihm auch schon das rege Interesse an seinem Tollmut-Projekt gezeigt. Seinem Eindruck nach, ergänzt Milan Pešl, sei „der Wunsch der Leute, auf Hobbybasis Theater zu machen, in Siegen schon immer größer gewesen als in anderen Städten“. Möglicherweise rühre das noch aus einer Zeit, als das Angebot an hochkarätigen Produktionen vor Ort geringer gewesen sei als mittlerweile: „Ich hatte vorher noch nie Theater gesehen, als ich das erste Mal auf der Bühne stand“, sagt der in Siegen aufgewachsene Schauspieler.

Um einen 9-to-5-Job ...

geht es beim Bruchwerk niemandem. Auch nicht um unbekümmertes Dauerschwelgen in künstlerischem Tun. Die Macher kommen zwar aus der kreativen Ecke, doch jenseits aller inhaltlichen Aspekte haben sie eben auch einen Theaterbetrieb zu stemmen. Das sei zwar von vorneherein klar gewesen, sagt Milan Pešl, „aber wir konnten natürlich nicht absehen, wie viele Stunden wir tatsächlich am Schreibtisch sitzen oder Nägel in die Wand hauen.“ Die künstlerische Seite bleibt dabei aber immer im Fokus. „Wir arbeiten mit viel Leidenschaft“, sagt David Penndorf.

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Selbst die Kombination …

aus Fördermitteln und Eigeneinnahmen reicht allein nicht aus, um den Betrieb dauerhaft zu gewährleisten. „Wir brauchen natürlich auch Spender und Sponsoren, die uns langfristig Sicherheit geben“, erläutert Milan Pešl. Auch dabei helfe es, auf die ersten Monate verweisen zu können, die die Tragfähigkeit des Konzepts und seine Umsetzbarkeit belegen würden. Die Räume stehen gesichert für die kommenden drei Jahre zur Verfügung, das Mietverhältnis läuft bis 2022. Was dann aus dem Gebäude wird, wird darüber entscheiden, ob das Bruchwerk umziehen muss. Geben soll es das Theater nach festem Willen des Teams aber so oder so noch lange darüber hinaus.

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Zum Programm:

„Heute Abend: Lola Blau“ eröffnet die zweite Spielzeit im Bruchwerk-Theater am Sonntag, 15. September. Das Gastspiel mit Irina Ries ist ein Musical für eine Schauspielerin von Georg Kreisler.

In der professionellen Schauspielsparte hat am Freitag, 11. Oktober, „Endspiel“ von Samuel Beckett Premiere. „Verglichen mit ,Warten auf Godot’ ist es das schwierige Stück“, sagt Regisseur Christian Fries. „Mein Ansatz: Die emotionalen Kernpunkte herausarbeiten“.

Das zweite Stück dieser Sparte in der neuen Spielzeit: „All das Schöne“ von Duncan Macmillan“, Premiere am 7. Dezember.

„Yvonne, Prinzessin von Burgund“ der Theaterwerkstatt Tollmut war bereits im Juli mehrfach zu sehen – und kehrt ab 15. Oktober auf den Spielplan zurück.

„Die Möwe“, frei nach Anton P. Tschechow, hat am 17. Januar Premiere. Dafür sucht das Tollmutteam noch Darsteller und Helfer. Wer mitmachen will, kann sich für die Probe am 9. und 10. Oktober unter tollmut@bruchwerk-theater anmelden.

„Die Wanze“ ist ein weiteres Gastspiel, erstmals zu sehen am 23. Oktober. „Eine hemmungslose, zum Schreien komische Achterbahnfahrt für Erwachsene“, verspricht die Ankündigung.

„Brachland: Diktat“ mit Dominik Breuer und Milan Pešl läuft ab 24. Oktober: Eine Performance, bei der die beiden Akteure „die Lust am Befehlen und das Selbstverständliche der Hörigkeit mit einer simplen Theaterübung zuspitzen“.

Alle Infos zum Spielplan und zum Workshopangebot gibt es auf bruchwerk-theater.de

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