Siegen-Wittgenstein. Landrat Andreas Müller regt an, die Wahlberechtigten direkt zu fragen: Soll der Kreis den Busverkehr selbst übernehmen und die VWS zurückkaufen?

Über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in Siegen-Wittgenstein werden die Wahlberechtigten möglicherweise direkt entscheiden. Landrat Andreas Müller hat am Mittwoch einen Bürgerentscheid zur Diskussion gestellt, der im September 2020 gleichzeitig mit der Kommunalwahl stattfinden könnte.

Darin würde es dann um Zustimmung oder Ablehnung der Rekommunalisierung gehen – also die Frage, ob der Kreis ein eigenes (Bus-)Verkehrsunternehmen gründet oder die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) zurückkauft. Dies sei ein Thema mit so weitreichenden Folgen, „dass es durchaus überlegenswert ist, die Menschen in Siegen-Wittgenstein selbst darüber entscheiden zu lassen.“

Die Perspektive

Die Sicht des Landrats: Dem Verkehrsausschuss, der am nächsten Donnerstag tagt, liegt eine Ausarbeitung über die verschiedenen Handlungsoptionen vor. Darin geht es zunächst um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein kommunales Unternehmen den Busverkehr übernehmen könnte. Die Vor­aussetzungen für einen Rückkauf der VWS werden darin noch nicht erörtert; dazu soll noch in diesem Jahr eine weitere Vorlage erarbeitet werden.

Abstimmung in 2003

Ein Bürgerbegehren gegen den Verkauf der einst kreiseigenen VWS an die Stadtwerke Bonn ist 2003 gescheitert.

Auf die Frage „Sind Sie dafür, dass der Kreis Siegen-Wittgenstein seine Geschäftsanteile an der VWS AG behalten soll?“ antworteten zwar 96,3 Prozent mit Ja. Die damals vorgeschriebene Zustimmung von 20 Prozent aller Wahlberechtigten wurde aber verfehlt.

Grundsätzlich könnte der Kreis den Busverkehr spätestens ab 2028 einem eigenen Unternehmen übertragen. Dann laufen die aktuellen Konzessionen aus. Für das Linienbündel Mitte laufen noch Gerichtsverfahren, an deren Ende die Konzessionen aufgehoben werden könnten. Auch die Linienbündel Süd und Ost (Wittgenstein) stehen auf der Kippe: Wenn die VWS ab 15. Dezember die Vorgaben des Nahverkehrsplans nicht erfüllen können, haben auch diese Konzessionen keinen Bestand. Landrat Müller: „Wir müssen uns jetzt auf alle möglichen Optionen vorbereiten, da wir, je nachdem, wie sich die Sachverhalte weiterentwickeln, ganz schnell gefordert sein könnten, eine Entscheidung zu treffen.“

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Die Reaktionen aus der Politik: Die FDP-Fraktion hat sich am Mittwoch mit dem Antrag gemeldet, eine Machbarkeitsstudie zu dem Kommunalisierungs-Thema erstellen zu lassen. „Dreh- und Angelpunkt sind doch die Fragen, ob eine Kommunalisierung zukünftig die Sicherstellung des bestellten Angebots leistet und wie der Kreis auf einem leergefegten Markt das Personal finden möchte“, heißt es in der Erklärung von FDP-Fraktionschef Guido Müller. Mit Blick auf den „Unmut in der Bevölkerung“ könne auch eine Anpassung des Nahverkehrsplans in Frage kommen, dazu sei die FDP bereit. Beraten werden müsse schließlich darüber, ob künftige Mehrkosten über eine höhere Kreisumlage von den Städten und Gemeinden getragen werden sollen. Die Linken haben – wie berichtet – die Rekommunalisierung des Nahverkehrs bereits beantragt.

Die aktuelle Lage

„Aktuell ist der Busverkehr in Siegen-Wittgenstein weder so, wie ich ihn mir wünsche, noch so, wie der Kreistag es im aktuell gültigen Nahverkehrsplan beschlossen hat“, betont Landrat Andreas Müller. Dafür gebe es unterschiedliche Gründe, sagt Müller: „Viele Baustellen, die zu massiven Verspätungen führen, machen es unmöglich, den Fahrplan einzuhalten. Aber auch der bundesweite Fahrermangel, der alle Busunternehmen trifft, ist ein massives Problem und führt zu Fahrtausfällen.“

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Der aktuelle Baustellenfahrplan, der seit dem Ende der Sommerferien für eine Übergangszeit bis nach den Weihnachtsferien gilt, soll zumindest garantieren, dass im Fahrplan angekündigte Busse auch wirklich fahren. „Im nächsten Schritt muss das Angebot an Fahrten jetzt wieder deutlich ausgeweitet werden“, fordert Müller. Bereits ab nächste Woche fahren tagsüber wieder im Halbstundentakt Busse nach Littfeld – eine prompte Reaktion der VWS auf die Protestwelle aus Kreuztal gegen den „Baustellenfahrplan“

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„Siegen-Wittgenstein braucht Dich – werde Busfahrer in SiWi“ heißt die Kampagne, die noch vor den Herbstferien an den Start gehen soll. „Trotzdem hat es bereits jetzt, allein durch die Berichterstattung in den Medien, Bewerbungen bei beteiligten Unternehmen gegeben“, berichtet Landrat Müller.

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Darüber hinaus werden aus der kreisweiten Umfrage zum ÖPNV konkrete Maßnahmen entwickelt, die das Angebot verbessern sollen.