Siegen/Sao Paulo. Drei Siegener Studierenden verbringen ein Semester an der UNICAMP, einer der besten Unis Südamerikas, und erzählen von ihren Erlebnissen.

Samba und Sonne, Fußball und Favelas, Karneval und Kriminalität: Brasilien kann mit einer Menge Klischees aufwarten, viele wenig schmeichelhaft. Bei deutschen Studierenden steht das Land nicht unbedingt oben auf der Wunschliste für Auslandssemester. Während in den USA rund 10.000 junge Deutsche studieren, wollen im Schnitt nur 300 nach Brasilien.

Bei Arne Krampe war das anders. Als er mit dem Bachelorstudium Pädagogik: Entwicklung und Inklusion (BAStEI) an der Uni Siegen begann und hörte, dass es in seinem Studiengang die Möglichkeit gibt, das Wintersemester an der Universidade Estadual de Campinas (UNICAMP) im Bundesstaat São Paulo zu verbringen – mit voller Anerkennung der Studien- und Prüfungsleistungen sowie vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert – bewarb er sich. Anissa El Tahiri und Laura Ehgartner ließen sich von Kommilitonen, die in Brasilien waren und von der Zeit an der UNICAMP schwärmten – eine der renommiertesten Universitäten in Südamerika – überzeugen.

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Bereits seit 2007 besteht die Hochschulkooperation mit der Universität Siegen. Kopf und Herz der internationalen Beziehung ist Projektleiterin Prof. Ulrike Buchmann (Berufs- und Wirtschaftspädagogik), die Kontakte zur UNICAMP pflegt, Doktoranden einlädt und betreut, gemeinsame Forschungsprojekte initiiert und auch ein internationales Seminar, bei dem Studierende in Siegen und Campinas via Video-Konferenz gemeinsam lernen, anbietet.

Soziale Ungleichheit

Zurück aus Brasilien geraten Anissa El Tahiri, Laura Ehgartner und Arne Krampe schnell ins Schwärmen, wenn sie von ihrem Auslandssemester erzählen. Nicht zuletzt, weil sie durch schulische und außerschulische Praktika das Leben außerhalb der Uni kennlernen konnten: El Tahiri arbeitete in einem Projekt für junge Mütter, die einen Schulabschluss nachholen wollen. Krampe kümmerte sich um Kinder, die wegen einer Dialyse-Behandlung viel Zeit im Krankenhaus verbringen müssen, und Ehgartner arbeitete in einer Kita. Oft wurden die drei Austauschstudierenden auf Deutschland angesprochen: Sind dort alle so reich? Wie viel verdient man bei euch?

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Die soziale Ungleichheit in Brasilien fiel den Siegener Studierenden schnell ins Auge. Auch an der Universität. „Nicht nur, weil wir durch das Stipendium ziemlich privilegiert waren, sondern weil uns die Kommilitonen erzählt haben,wie schwierig in Brasilien der Weg an die Uni sein kann“, erzählt Krampe. Begehrt sind Plätze an staatlichen Universitäten. Paradoxerweise ebnen den Weg dorthin allerdings die Privatschulen. Sie bereiten ihre Absolventen gezielt auf die schweren Aufnahmeprüfungen (Vestibular) vor. Wer von einer staatlichen Schule kommt, braucht häufig extra Vorbereitungskurse. Die sind teuer. Wer allerdings einmal drin ist, erhält – vor allem an der UNICAMP – eine Spitzenausbildung.

Sicherheitsdienst im Wohnheim

„Die Universität ist hochmodern und technisch exzellent ausgestattet“, erzählt Laura Ehgartner. Und auch das Studentenleben hat „Sterne-Niveau“. Die Studierenden bewohnen oftmals ganze Häuser, sogenannte Repúblicas, in der Regel mit Pool im Garten. Am Campus gibt es Geschäfte, Cafés, Sportangebote, Partys, sogar einen eigenen Markt – und einen Sicherheitsdienst. „Was am Anfang etwas irritierend ist“, sagt Laura Ehgartner. Sie habe sich aber in Brasilien immer sicher gefühlt. „Ich habe sogar eine Favela mit Einheimischen besucht.“

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Anissa El Tahiri ist Muslima. Mit ihrem Kopftuch sei sie zwar aufgefallen, habe aber nur positive und interessierte Reaktionen bekommen, betont sie. „Auf dem Campus ist man ohnehin sehr tolerant“, so Arne Krampe. Eine sehr bunte Community sei das. „Das kann außerhalb der Uni-Szene in Brasilien auch anders sein.“ Krampe ist nach dem Semester einige Wochen gereist und hat das Land mit seinen vielen Gegensätzen noch einmal von einer anderen Seite kennengelernt.

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Intensive Vorbereitung

Liane Bächler und Jan Breuer, wissenschaftliche Mitarbeiter der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, sind die Projektkoordinatoren der deutsch-brasilianischen Hochschulkooperation an der Uni Siegen. „Der Aufenthalt bietet vielseitige Einblicke in wissenschaftliche, kulturelle und soziale Bereiche“, betonen sie. Die Studierenden werden über ein binationales Seminar fachlich sowie formell intensiv auf das Semester in Brasilien vorbereitet, begleitet und ihr Aufenthalt anschließend nachbereitet.

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