Siegen. . Baustein der lokalen Verkehrswende: Brennstoffzellen-Wagen können ab sofort im Siegener Industriegebiet Oberes Leimbachtal Wasserstoff tanken.
Die erste Wasserstofftankstelle Südwestfalen steht im Siegener Gewerbegebiet Oberes Leimbachtal. Die Station ist für den Bund ein Baustein, um die flächendeckende Versorgung mit der neuen Technologie sicherzustellen. Stadt und Region schlagen mit der Station einen weiteren Pflock in Sachen lokaler Mobilitätswende ein.
Warum eine Wasserstofftankstelle für Siegen?
Dass Siegen den Zuschlag erhielt, geht maßgeblich auf die Bewerbung des Netzwerks „H2 Siegerland“ zurück, die von Stadt, Kreis, Uni und Wirtschaft unterstützt wurde. Federführend war Dominik Eichbaum, Siegener Wirtschaftsförderer, der das Modellvorhaben „emobilityhoch3“ koordiniert hat. Die Initiative will dabei unterstützen, Elektromobilität im Alltag der Menschen zu verankern – unter anderem auch mit einem rein elektrischen Carsharing-Fuhrpark in Siegen.
Top-Thema Sicherheit
Nachdem in Norwegen Anfang des Monats eine Wasserstoff-Tankstelle explodiert ist, betonen Hersteller und Betreiber der Siegener Station, dass Sicherheit oberste Priorität habe: So gebe es eine Vielzahl redundanter Sensoren, die Leckagen registrieren und melden können, um den Wasserstoff im Ernstfall kontrolliert ablassen zu können.
Tankstelle und Fahrzeug sind während des Tankens über eine Infrarot-Schnittstelle miteinander verbunden, um etwaige Fehlerquellen zu finden.
Wasserstofftankstellen seien sicherer als Benzin-Stationen, so Lorenz Jung: Das Gas sei sehr flüchtig, es könnten sich also keine Pfützen bilden, es verteile sich sehr schnell an der Luft. „Ein Wasserstofftank kann nicht bersten.“
„Siegen als Großstadt und Regiopole verfügt mit der neuen Wasserstofftankstelle über ein echtes Alleinstellungsmerkmal“, so Bürgermeister Steffen Mues – Siegen sei Universitäts- und Pendlerstadt, Oberzentrum, bedeutender Wirtschaftsstandort. Elektromobilität sei ein wichtiges Zukunftsthema, aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch mit Blick auf die regionale Wettbewerbsfähigkeit. „Es gilt, aus dem Leitbild der autogerechten Stadt der 60er und 70er Jahre auszusteigen und stattdessen Lösungen für eine nachhaltige Verkehrs-, Mobilitäts- und Energiewende zu entwickeln“, so die Überzeugung des Bürgermeisters. Laut Rechnung von Landrat Andreas Müller würden mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen von der lokalen Wirtschaft verursacht, ein Großteil davon von Pendlern.
Elektro-Ladesäulen gehörten inzwischen zum Siegener Stadtbild – etwa an den Rathäusern, 22 weitere sollen in den kommenden Monaten folgen – eine wichtige andere Säule künftiger Mobilität ist aber eben auch die Brennstoffzellentechnik. „Hier liegt großes Potenzial“, betonte Philipp Braunsdorf, Vertreter des Bundesverkehrsministeriums.
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Denn Gute Ideen reichten nicht aus, man müsse sie auch umsetzen – gerade im Themenkomplex Mobilität, Umwelt und Nachhaltigkeit, forderte auch Landrat Müller. „Es liegen so viele Vorschläge auf dem Tisch, was man tun könnte – der entscheidende Schritt zur Umsetzung fehlt oft.“ Umso mehr sei die Wasserstofftankstelle ein „Meilenstein“, so Müller. Der Standort im Industriegebiet, die Unterstützung durch die Wirtschaft zeige: „Klimaschutz und Ökonomie sind keine Gegensätze.“
Von einer Vorreiter-Rolle Siegens für die Region bei der Mobilitätswende sprach Regierungsdirektor Jörn Guddat von der Bezirksregierung Arnsberg, die die Anschaffung von fünf städtischen Brennstoffzellen-Fahrzeugen mit 225.000 Euro fördert: Die Tankstelle sei ein ermutigendes Zeichen, leiste einen wichtigen Beitrag zum Luftreinhalteplan – „und nebenbei hat Siegen das Henne-Ei-Problem gelöst“, so Guddat: Es wurde gleichzeitig eine Nachfrage und die dazu nötige Infrastruktur geschaffen. Ein Problem ist nämlich oft: Wo keine Tankstelle ist, kauft keiner ein Auto. Wo keine Autos sind, lohnt sich keine Tankstelle.
Wer hat die Tankstelle gebaut?
Bauherr ist „H2Mobility“, die als Projektgesellschaft des Bundes und von Unternehmen aus der Öl- und Automobilindustrie für den flächendeckenden Aufbau von Wasserstofftechnik-Infrastruktur in Deutschland zuständig ist. Bis Jahresende sollen es 100 Tankstellen sein. Nun sei die Automobilindustrie gefragt, die Technologie in die Breite zu bringen, meinte Thomas Gaksch, Linde AG, die die Tankstellentechnik herstellt.
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Die Höhe der Gesamtinvestition beträgt rund 1,5 Millionen Euro, vom Bundesverkehrsministerium kamen fast eine Million an Fördermitteln. Der 200-Kilo-Tank der Station wurde von der Kreuztaler Firma Vako hergestellt. Die Stadt stellte das Grundstück zur Verfügung, „das passt in den Industrie- und Gewerbepark Oberes Leimbachtal“, so Steffen Mues: Hier gebe es weitere Pläne im Bereich künftiger Mobilität, etwa für Ladeinfrastruktur, bessere ÖPNV-Anbindung oder einen Radschnellweg zum Siegener Bahnhof.
Wie funktioniert das Tanken technisch?
Wasserstoff-Autos haben eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern pro Tankfüllung, die Tanks fassen meist rund fünf Liter flüssigen Wasserstoff. Mehr als 40 Fahrzeuge können hier am Tag betankt werden. Der recht intuitive Tankvorgang dauert zwischen drei und fünf Minuten und funktioniert ähnlich wie das Tanken von Autogas (LPG). Benötigt wird zum Freischalten der Zapfsäule eine deutschlandweit gültige Tankkarte. Kraftwerk der Fahrzeuge ist eine Brennstoffzelle; ein metallener Energiewandler, der aus dem flüssigen Wasserstoff und der einströmenden Luft Energie gewinnt.
Gibt es überhaupt Autos, die dort tanken?
Zumindest schon mal fünf: Der Entsorgungsbetrieb der Stadt Siegen (ESi) hat gerade zwei neue Fahrzeuge bekommen, drei weitere folgen. Die Lage im Dreiländereck könnte für Fachkräfte auch aus den angrenzenden Bundesländern attraktiv sein. Große Nutzfahrzeuge können im Leimbachtal noch nicht tanken, grundsätzlich ist die Station aber so ausgelegt, dass sie dahingehend erweitert werden kann. Außerdem ist die Tankstelle Strategie von H2Mobility, eine flächendeckende Infrastruktur in Deutschland bereitzustellen: Die Station liegt nahe der A45 und fungiert gewissermaßen als „Bindeglied“ zwischen Frankfurt und dem Ruhrgebiet.
Für den kommunalen Bereich könnte die Technik durchaus interessant sein, etwa im Lieferverkehr oder im Krankendienst, für Polizei, Feuerwehr oder Müllfahrzeuge. „Bei Nutzlasten und längeren Strecken ist die Technologie im Vorteil“, sagt Lorenz Jung, Betreiber von H2Mobility. Abhängig von Nutzungsweisen und Fahrverhalten liege die Zukunft im Miteinander von Wasserstoff- und „herkömmlicher“ Elektromobilität.
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