Siegen. Im Prozess berichten die Geschädigten der Brandstiftungen in Siegen von bleibenden Folgen ihrer Angst. Ein Angeklagter bittet um Entschuldigung.

Die Gefährlichkeit der beiden jungen Siegener, die weitgehend zugegeben haben, für eine beispiellose Brandserie im Mai 2017 verantwortlich zu sein, lässt sich nachdrücklich an der Aussage eines Polizisten am dritten Verhandlungstag festmachen. „Wenn die beiden losgezogen sind, dann hat es gekracht. An allen Ecken und Enden. Dann kamen die Anzeigen bündelweise“, sagt der Zeuge am Montagvormittag.

Hunderte Ermittlungsverfahren

Deutlich wird an diesem Tag auch, dass vor allem der Jüngere in den Augen der Beamten die treibende Kraft hinter den Taten war. Während sein älterer Kumpel (18) bis dahin kaum im Fokus der Polizisten stand, erklären gleich mehrere Beamten, den heute 15-Jährigen schon seit Jahren zu kennen.

Er sei mit einer Gruppe zumeist älterer Jugendlicher herumgezogen, deren Mittelpunkt gewesen. Unter anderem habe die Gruppe in leerstehenden Häusern randaliert, etwa die Türen und die gesamte Heizung im alten „Straßen.NRW“-Gebäude herausgerissen.

„Hunderte von Ermittlungsverfahren“ seien gegen den „Intensivtäter“ geführt worden und meistens „im Block“ anhängig geworden, überwiegend Hausfriedensbruch, Beleidigung oder auch Körperverletzung. Mit den Bränden habe er ihn nicht in Verbindung gebracht, „dafür war er mir zu clever, zu kon­trolliert“, erklärt einer der Ermittler.

Einer seiner Kollegen fügt allerdings auch an, den jungen Mann „aus einer früheren Brandserie“ gekannt zu haben. Nach der Verhaftung habe dieser nach kurzem Zögern vieles eingeräumt. Der zweite Angeklagte hingegen sei anfangs störrisch und unkooperativ gewesen.

Abweichungen in den Einlassungen

Nachdem die Öffentlichkeit vor zwei Wochen bei der Vernehmung des 15-Jährigen ausgeschlossen wurde, wird in den Aussagen der Polizisten deutlich, dass es gewisse Abweichungen in den Einlassungen des Duos gibt. Unter anderem hat der Jüngere angegeben, dass der Ältere auch bei jenen Taten dabei war, die dieser abstreitet.

Schlaflose Nächte

„Ich bin nicht ängstlich, aber ich schaue immer noch jede Nacht bei Geräuschen erst einmal überall nach“, berichtet die 75-jährige Siegenerin, deren Carport angezündet wurde. Schon vor der Aufklärung der Brände hätten die Nachbarn, die auch nicht schlafen konnten, Nacht für Nacht am Fenster gestanden.

Die Polizei habe ihr erklärt, „unheimliches Glück gehabt“ zu haben, weil der Brand sehr früh auffiel. Drei Häuser hätten einfach so abbrennen können. Ärztliche Unterstützung nehme sie nicht in Anspruch: „Damit muss ich so fertig werden.“

Nach den Ermittlern werden einige Geschädigte gehört. Der erste ist pikanterweise selbst Polizist (28), der vom Nachtdienst zu einem Feuer gerufen wurde – und sein eigenes Motorrad zerstört vorfinden musste. Das Fahrzeug habe zum Verkauf gestanden.

„Am nächsten Tag wollte ein Interessent kommen“, berichtet der Zeuge. Der potenzielle Käufer habe die Geschichte gar nicht glauben wollen. Er nimmt es vergleichsweise gelassen, eine Rentnerin (73) hat der Brand ihres Carports deutlich stärker mitgenommen. „Dass die Frau hätte tot sein können, ist Ihnen jetzt klar“, sagt Staatsanwalt Philipp Scharfenbaum in Richtung der Angeklagten und legt ihnen nahe, vielleicht „etwas sagen“ zu wollen.

Der Jüngere reagiert und entschuldigt sich. „Ich habe mir damals keine Gedanken gemacht“, murmelt er. Von der Polizei seien ihm die möglichen Folgen vor Augen gehalten geworden: „Es tut mir sehr leid“. „Ok“, nickt die Seniorin und verlässt den Raum. Der andere Angeklagte wirkt nachdenklich, sagt aber nichts. Am 14. Dezember wird die Verhandlung fortgesetzt.

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