Deuz. . Bernhard Ott aus Netphen-Deuz gibt sich nicht mit Spaziergängen um den Lahnhof ab. 2031 Kilometer an 59 Wandertagen legte er bis nach Nordwales zurück.
Wandern? Bernhard Ott zuckt die Achseln. „Wenn jemand 20 Kilometer mit mir gehen will, gehe ich mit.“ Irgendwie rund um Deuz, um den Lahnhof, nach Siegen. Eigentlich aber ist das mit dem Wandern für dieses Jahr vorbei, will er damit sagen. 2031 Kilometer hat er in diesem Sommer an 59 Wandertagen hinter sich gebracht und ist damit von Deuz bis nach Prestatyn im Norden von Wales gelangt. Und jetzt? „Trainiere ich für den Silvesterlauf.“ Rund um die Obernau. Zwei Drittel seien da schneller, ein Drittel langsamer als er. „Ich finde das immer noch relativ gut.“ Bernhard Ott ist 74.
Das Ziel
Er war schon überall. In Andorra. Santiago de Compostela. Rom. Istanbul. Gibraltar. Pyrenäen. 22 000 Kilometer bei den insgesamt zwölf Fernwanderungen, die er unternommen hat, um als Rentner in Form zu bleiben. Von Istanbul, fügt er hinzu, könnte man bis an die syrische Grenze wandern. „Aber da traue ich mich nicht hin.“ Und nun Wales? „Das Wetter ist nicht so schön wie im Süden. Aber ich wollte mal was anderes sehen.“
Der Weg
In Deuz losgehen und am Ziel ankommen? So wandert Bernhard Ott nicht. Er nimmt Anlauf, im zeitigen Frühjahr, so lange, bis die 50-Kilometer-Tagesetappe kein Problem mehr ist. Und dann geht es los, mit Pausen: Zwei Mal ist Ott auch diesmal wieder nach Hause zurückgekehrt, um ein paar Tage auszuruhen und sich neu auszustatten. Da ist der Wahl-Deuzer mit Wurzeln in Baden-Württemberg, der als Personalleiter bei Thyssen Krupp gearbeitet hat, auch überhaupt kein Purist: „Drei Mal bin ich auch ein Stück mit dem Taxi gefahren.“
1. Etappe: Calais
Für den unspektakulärsten Teil braucht Bernhard Ott 13 Tage. Das geht aus dem Schreibheft hervor, in dem er sich die Übernachtungsstationen abstempeln lässt. Teil des kleinen Gepäcks, das aus Karten, Medikamenten, Ladegeräten für Handy und Kamera, Waschzeug, Notverpflegung und einem Minimum an Kleidung besteht.
Von Netphen nach Nordwales in 59 Tagen
Über den Brüderweg nach Köln, Aachen, mitten durch Brüssel, Calais. Und dann wieder mit dem Zug zurück. Zu Hause werden die Gasthöfe oder Hotels auf den nächsten Stationen vorgebucht. Jemand wie Ott, der nur laufen will, verzichtet auf die Romantik abendlicher Quartiersuche. „Für mich ist das auch eine sportliche Leistung.“ Das EKG ist in Ordnung, die Waage wird nach der Rückkehr fünf Kilo weniger anzeigen.
2. Etappe: Lands End
Jetzt ist es Mitte Mai. Mit dem Eurostar durch den Kanaltunnel nach Dover, an der Küste entlang bis Eastbourne, dort auf den 160 Kilometer langen South Downs Way. „Das war eigentlich der Weg der Küstenwache, um Schmuggler aufzuspüren.“ Soll heißen: Bis Lands End geht es 25 Tage immer an der Küste entlang, Bucht für Bucht. Das macht den Weg lang und manchmal mühsam. Bei Plymouth kapituliert er vor dem starken Wind. „Da bin ich nicht mehr weitergekommen.“ Taxi. Trotzdem: Die Farben des Wassers, die Felsen... „Am Meer entlang zu gehen, ist schon sehr schön.“
Auch interessant
Die Abende sind geregelt: Kleidung waschen, damit sie auch am nächsten Morgen trocken ist, im Pub essen und trinken. Direkt am nächsten Morgen weiter. Lands End; am Etappenziel, verliert Ott seinen Kamerachip. Fotos wird es erst ab hier geben.
3. Etappe: Prestatyn
Nach dem nächsten Abstecher in die Heimat geht es an den Küsten von Devon entlang, von Lands End bis Minehead auf dem South West Coast Path. Mit dem Wandern wie mit dem SGV, dem Ott und ebenso seine Frau Margarete angehört, die in der Deuzer Abteilung im Vorstand mitarbeitet, hat das nichts zu tun. Die Wege sind nicht durchgehend gekennzeichnet, „da brauchen Sie schon eine gute Karte.“ Manchmal ist der Pfad schon ausgetreten, manchmal bahnt sich Ott den Weg selbst durch Brennnesseln. Es geht über Weiden und Wiesen, immer durch Holztore abgetrennt. Um die 100 Mal am Tag sind Treppchen zu steigen und Türen zu öffnen. Gelernt hat Ott, nach dem Vieh zu schauen. Vor einem Bullen, sagt er, „haben Sie in einem Hohlweg keine Chance.“
Was anders ist in England? „Die fahren nicht so schnell wie in Deutschland.“ Was sich auf den von hohen Hecken gesäumten Single Track Roads in Devon auszahlt. Der Weg ist so schmal, dass er dem Traktor hinter sich nicht ausweichen kann. Der Fahrer bleibt geduldig. Überhaupt: „Gehupt hat da niemand.“ Auch die englischen Hunde seien „äußerst brav“, berichtet Ott. „Die Leute haben sich entschuldigt, wenn mich mal einer angebellt hat.“
Auch interessant
Für den Weg von England nach Wales über den Bristol Channel nimmt Bernhard Ott Bus und Bahn,das Wanderabenteuer durch die Großstadt schenkt er sich. Der Offa’s Dyke Path folgt der englisch-walisischen Grenze durch die Berge. „Da habe ich die Abschnitt ein bisschen kürzer gemacht.“ Nach 284 Kilometern und 21 Tagen lässt Ott sich am Ziel auf der Promenade von Prestatyn fotografieren. Einen Tag ist er dann noch mit dem Zug durch Wales gereist. Und dann war Bernhard Ott wieder zu Hause.
Zuhause
Wie gesagt: Die Saison ist gelaufen. Und seinen SGVern ist Ott anscheinend davongewandert. Er habe früher immer mal eine 50-Kilometer-Wanderung für den Wanderplan angeboten. Die Zahl der Teilnehmer, sagt er, sei stetig geschrumpft. Nächstes Jahr wird er wieder allein aufbrechen. „Ich weiß noch nicht wohin“, sagt Bernhard Ott. „Sicher wieder irgendwo in den Süden.“
- Die Lokalredaktion Siegen ist auch auf Facebook.