Meschede/Oeventrop. . Ein ungewöhnliches Projekt: Eine Blinde im Heißluftballon. Gaby Borutzki wagt den Versuch: „Es ist ein Abenteuer für mich“, sagt sie.
- Besonderes Projekt des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands und bundesweit 30 Ballonfahrern
- Sie wollen herausfinden, wie Menschen mit Sehverlust eine Fahrt im Heißluftballon erleben
- Modellballöner Jupp Hein aus Meschede gibt die Idee dafür
„Vorsicht, es wird laut“, ruft Hermann Löser und dreht den Brenner auf. Eine Stichflamme zischt laut und füllt den Ballon mit heißer Luft. Der Stoff spannt sich und die Helfer richten den Korb auf. Stolze 28 Meter ragt das Fluggerät in die Luft. Noch steht es am Boden auf dem Segelflugplatz Oeventrop. Das wird sich gleich ändern, denn der bunte Ballon soll die Gruppe aus Fahrer und drei Personen über das Sauerland tragen. Ein Mescheder gab die Anregung dafür.
Mescheder hat die Idee
Von der Farbenpracht der Ballonhülle sieht Gaby Borutzki nichts - die 64-Jährige ist blind. Sie nimmt Teil an diesem besonderen Projekt vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und bundesweit 30 Ballonfahrern. Sie wollen gemeinsam herausfinden, wie Menschen mit Sehverlust eine Fahrt im Heißluftballon erleben. Die Idee entstand im Gespräch zwischen Gaby Borutzki und Modellballöner Jupp Hein aus Meschede.
Gaby Borutzki ist vor dem Start aufgeregt: „Es ist das erste Mal für mich. Karussellfahrten mach ich nicht mehr, da wird mir schwindelig“, sagt sie lachend. „Es ist ein Abenteuer für mich.“ Begleitet wird die Neheimerin von ihrem Mann Bernd. Zusammen mit Ballonfahrer Hermann Löser und dem Reporter macht das vier Insassen in dem etwa 1,10 Meter mal 0,80 Meter großen Korb.
Korbmaße erfühlen
Der Einstieg erfolgt durch das Klettern über die Seitenwand des Korbes. Fahrer Löser gibt Frau Borutzki Tipps: „Da ist ein Spalt im Korb, da kannst du den Fuß rein setzen. Etwas weiter links... genau da.“ Vor dem Start nimmt er ihre Hand und führt sie am Korb entlang, so dass Borutzki die Maße und die Beschaffenheit der Gondel erfährt. Dann geht es los: Der Brenner zischt und langsam hebt sich der Korb vom Grasboden ab. Meter um Meter steigt er in die Luft - binnen von wenigen Minuten schwebt die Gruppe in 300 Metern über dem Boden.
Die fantastische Aussicht über die Wälder, Wiesen, die Ruhr und die A46 entgeht Gaby Borutzki, aber sie ist trotzdem begeistert: „Es fühlt sich alles so leicht an. Die Luft ist schön.“ Mit sieben Stundenkilometern bewegt sich der Ballon durch die Luft, kaum merklich. Bernd Borutzki schaut in die Landschaft und sagt: „Man sieht an den Häusern, dass wir uns bewegen.“ Seine Frau entgegnet scherzend: „Ja, IHR seht das.“
Ausrichten nach dem Wind
Die Fahrtrichtung eines Heißluftballons ist nicht ohne Weiteres zu ändern, da sich das Gefährt nach dem Wind richtet. Da aber in verschiedenen Höhen unterschiedliche Winde herrschen, kann durch Steigen oder Sinken ein Richtungswechsel beeinflusst werden. So geht es von Oeventrop über die Autobahn und Arnsberg.
Nach etwa einer Stunde in der Luft sucht Hermann Löser einen geeigneten Landeplatz. Der 64-Jährige erklärt, worauf es für eine Landung ankommt: „Generell können wir überall landen, aber wir sollten aufpassen, dass wir in keinem abgeschlossenen Gelände herunterkommen. Auch Getreidefelder sollten wir natürlich vermeiden. Der Ort muss außerdem für die Verfolger zugänglich sein.“
Überraschende Landung
Die Verfolger sind in diesem Fall eine Gruppe aus zwei Autos, die dem Ballon zu Land hinterher fahren. Die „Bodencrew“ hatte bereits vor dem Start beim Aufbau mitgeholfen. Jetzt gibt Löser ihnen die Position durch, indem er per WhatsApp seinen GPS-Standort verschickt. Der Ballon schwebt noch über einen Steinbruch und eine Hochspannungsleitung, dann beginnt Löser mit dem Anflug auf eine Wiese bei Müschede.
„Noch drei Meter, noch zwei Meter...“, sagt Hermann Löser. Für Sehende ist die Landung schon aufregend, doch für Gaby Borutzki kommt der Moment des Aufsetzens überraschend. Nach dem kurzen Schrecken fällt ihr Fazit aber positiv aus: „Ich fand es ganz toll, es war eine tolle Erfahrung. Ich habe die Ruhr, die Autobahn und den Steinbruch gehört und den Wald gerochen.“ Auch Fahrer Löser hat Spaß: „Für mich war das was neues und eine sehr interessante Erfahrung.“
Taufe und Erhebung in Adelsstand
Die Verfolger kommen schließlich zum Landepunkt und der Korb und die Ballonhülle werden verladen. Im Auto geht es zurück zum Startpunkt in Oeventrop.
Dort erfolgt die obligatorische Taufe und die Erhebung in den Adelsstand der Ballonfahrer. Ein würdiges Ende für ein Abenteuer, das keiner der Fahrer so schnell vergessen wird.
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