Siegen. . Neue Technik, zeitgemäße Vermittlung: Das neue Modell von Stadt, Uni, Siegerlandmuseum und dessen Förderverein ist weit mehr als Spielerei.
- Stadt, Universität und Museum entwickeln interaktives Modell zur Siegener Geschichte
- Kernstück ist ein 3D-Modell mit berührungssensitiven Gebäuden
- Stadt-Wiki ermuntert Bürger zur Mitgestaltung und Erweiterung
Einen Augenblick ruht der Finger auf dem weißen Modell der Nikolaikirche, dann färbt es sich blau. Auf den großen Bildschirmen links und rechts des neuen 3D-Stadtmodells in der ehemaligen Kutschenhalle im Siegerlandmuseum erscheinen Informationen zum Gebäude und seiner Historie, auf den Tablets an den Ecken des Tischs lassen sich vertiefende Ausführungen anzeigen. 24 weitere Orte sind so auf dem Modell ansteuerbar: Ein Fingerzeig öffnet Fenster in die Stadtgeschichte.
Moderner lässt Geschichte sich derzeit wohl kaum in einem Museum präsentieren. Das 3D-Stadtmodell ist Kernstück des Projekts „Zeit.Raum Siegen“, einer Kooperation der Stadt, des Museums, seines Fördervereins und der Universität Siegen. Fachleute von drei Fakultäten haben daran mitgearbeitet: Der Lehrstuhl für praktische Geodäsie und Geoinformation (Prof. Monika Jarosch) lieferte die topografischen Daten zur maßstabsgerechten Nachbildung des Siegbergs, die Didaktik der Geschichte sammelte die Daten zu den Orten und bereitete sie auf – und ein Team des so genannten Fab Labs („Fabrication Laboratory“) um Prof. Volkmar Pipek (Computerunterstützte Gruppenarbeit und Soziale Medien), entwickelte die Technik.
Weg von statischen Info- und Schautafeln, hin zu einem interaktiven Konzept steckt hinter dem 3D-Modell weit mehr als lediglich eine Hightech-Spielerei – auch wenn es als solche wunderbar funktioniert. Vor dem Betrachter – oder in diesem Fall passender: User – breitet sich im Maßstab 1:850 der Zentralbereich der Siegener Innenstadt aus. Faktisch ist das nicht mehr als ein weißer Tisch, auf dem einige ebenfalls weiße Gebäudemodelle aus dem 3D-Drucker stehen. Eine ausgeklügelte Beamer-Technik projiziert aber ein Luftbild der realen Innenstadt so auf den Untergrund, das er erstaunlich plastische Wirkung hat. Nutzer sollen den Inhalt aber nicht einfach nur konsumieren, sondern im Idealfall sogar daran mitarbeiten.
Durch die Koppelung an ein eigens für das Projekt angelegtes Stadt-Wiki (wiki.zeitraum-siegen.de) erhält das Vorhaben eine weitere interaktive Dimension. Das Team von Prof. Bärbel Kuhn stützte sich für die Aufbereitung auf das Konzept der „Erinnerungsorte“. Dabei handelt es um Ankerpunkte, die für die Identität einer Gesellschaft fundamental sind, um „Symbole, die eine Gemeinschaft zusammenhalten“, sagt die Wissenschaftlerin. Der Ansatz ist so offen gefasst, dass dazu auch Personen, Ereignisse oder Traditionen gehören können. Auf dem Modell lassen sich darum neben Oberem Schloss, Rathaus und Martinikirche auch – via Button am Rand – Walter Krämer oder der 16. Dezember 1944 anwählen.
Die 25 Orte der Startkonfiguration wählte Kuhns Team aus. Es sei aber nur ein erster Anstoß, der Aufruf an die Siegener laute „bitte mitdiskutieren, weitere Vorschläge machen“. Das geht zunächst über das – moderierte und redaktionell betreute – Stadt-Wiki, für das User-Beiträge ausdrücklich gewünscht sind. Und bei Bedarf kann auch das 3D-Modell um weitere Gebäude und Orte ergänzt werden.
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Geschichte ist in manchen Fällen vielleicht eine staubige Angelegenheit. Doch gerade das soll sie im Siegerlandmuseum eben nicht sein. Das Projekt könne „über Siegen hinaus richtungsweisend sein“, sagt Ulf Stötzel, 1. Vorsitzender des Fördervereins. Der Verein steuerte 70 000 Euro zu dem Vorhaben bei, weitere 180 000 Euro – in Form von zwei wissenschaftlichen Stellen – kamen von der Uni Siegen. Das Modell ist an die neue stadtgeschichtliche Abteilung des Museums angekoppelt. Diese wird am Sonntag, 23. April, um 11 Uhr offiziell eröffnet. Zeitreisen per Zeigefinger inklusive.
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