Weidenau. . Forscher an der Uni Siegen erarbeiten eine Brille, mit der per virtueller Realität in Zukunft das Lernen und Vertiefen erleichtert werden soll.
Kaum ist die Schulzeit vorbei und das Abitur erfolgreich in der Tasche, geht das Büffeln für das Studium weiter. Mit viel Mühe, Geduld und Zeit werden neue Lerninhalte angeeignet und eingeprägt. Schnell wird deutlich, dass der Erwerb von Wissen und Kompetenz sich nicht auf die Zeit der Jugend beschränkt – das Sprichwort sagt: Ein guter Mensch bleibt Lehrling lebenslang.
Die Fragen
Theoretisch sehen die Formeln und Abläufe auf dem Papier so einfach aus. Alles wurde sorgfältig auswendig gelernt. Aber wie sieht die Umsetzung konkret aus? Die Realisierung des Lernstoffs gestaltet sich schwieriger, da meist die Routine fehlt – und man hat sich bereits das eine oder andere Mal den Kopf daran zerbrochen.
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Was wäre also, wenn man nicht die kopierten Stichpunkte eines Kommilitonen zum Thema „Geschäftsprozessmanagement“ mühselig auswendig lernen müsste, sondern alles live durchleben könnte?
Die Initiatoren
Getreu dem Motto „learning by doing“ hat sich das Verbundprojekt „ELISE“ (Entwicklung eines interaktiven und emotionssensitiven Lernsystems zur Kompetenzerhaltung im Bereich des Geschäftsmanagements) in Kooperation mit der Software AG, Limbic Entertainment und dem Forschungskolleg der Universität Siegen (FoKoS) ein Konzept überlegt, das Lernen mithilfe von Virtual Reality Brillen ermöglichen soll.
Ebenso beteiligen sich der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und das Center for Responsible Innovation & Design (CRID) – beide unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Björn Niehaves – am Projekt. Darüber hinaus trägt der Lehrstuhl für Medizinische Informatik (Prof. Rainer Brück) und die Forschungsgruppe zur Mustererkennung (Prof. Marcin Grzegorzek) ihr Fachwissen bei, um die Virtual-Reality-Brillen für den Einsatz fit zu machen.
Der Ablauf
Ausgestattet mit zwei Controllern und großen Kopfhörern hat man die Möglichkeit, sich in einer fiktiven Umgebung zu bewegen, nach Gegenständen zu greifen und jegliche Abläufe aus allen möglichen Bereich durchzuführen, so Henrik Kampling, Koordinator des Projekts. Es könne beispielsweise das Programmieren von Maschinen erlernt werden. „Wenn sie dabei kaputt gehen – kein Problem. Das Ganze spielt sich ja nur im virtuellen Raum ab“, erklärt Kampling.
Für den Projektkoordinator stellt sich die ethische Frage, inwieweit Nutzer unter Umständen das „keine-Konsequenzen-Verhalten“ in die Realität übertragen. Dazu könne man Schockmomente einbauen, die den Lernenden daran erinnern, was im Notfall passieren könne, schlägt Kampling vor.
Zunächst wird die jeweilige Situation auf dem Computer hergestellt, um sie schließlich auf der Virtual-Reality-Brille abspielen und simulieren zu lassen. Positiv zu bewerten sei die neue Erfindung dahingehend, dass „durch das Tragen der Brille ein sehr starker Fokus auf die virtuelle Welt entsteht. Somit kann man die Inhalte produktiver lernen“, erklärt er weiterhin.
Die Auswirkungen
Außerdem zeigen erste vorläufige Untersuchungen des Lehrstuhls, dass beim Lernen mit der Brille jegliches Zeitgefühl verloren gehe, keine Ablenkung von der Außenwelt bestehe und sich die Gegebenheiten somit positiv auf das Lernen auswirken, so Kampling – er ist sichtlich begeistert von dem Konzept. Künftig soll die Hightech-Brille mit Sensoren erweitert werden, die die Körpersignale wie Puls und Herzrate aufnehmen, um daraus emotionale Zustände ableiten zu können.
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Beeinträchtigende Emotionen wie Langeweile oder Frustration können dadurch erkannt und der Lernrhythmus dementsprechend angepasst und variiert werden. „Unsere Forschungen dazu laufen bereits“, berichtet er.
Die Nutzung
Der Projektkoordinator und sein Team haben Ideen zusammengetragen, wo mögliche Einsatzbereiche der neuen Technologie liegen könnten. Einer sei beispielsweise die berufsbegleitende Bildung, wenn ein neuer Mitarbeiter geschult werde und Prozessmanagementkompetenzen erlernen soll. „Auch in der Hochschulbildung ist die Verwendung der Brillen denkbar“. Dadurch können Zeit und Kosten seitens des Unternehmens oder der Schuleinrichtung gespart werden, denn das Vermitteln des Lernstoffs übernehme somit die Brille, so Kampling.
Ursprünglich für den Gaming-Bereich der Computerwelt konzipiert, hat die Virtual-Reality-Brille bereits im vorigen Jahr ihren Hype erlebt und wird nun durch ihre divergente Verwendungsweise neugeboren – als eine Art von Lehrerersatz?
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„Nein, die Brille kann keinen Lehrer ersetzen. Sie kann vielleicht 60 bis 80 Prozent des zu lernenden Inhalts vermitteln, aber die restlichen Prozent werden durch den Menschen beigebracht, zum Beispiel durch soziale Interaktion“, erklärt Kampling. Für ihn fühlt sich der Blick durch die Brille wie eine zweite Realität an, denn „obwohl man die Möglichkeit hat, durch einen virtuellen Tisch zu laufen, macht man es nicht.“
Vielleicht ist durch das Projekt eine neue Ära des innovativen Lernens entstanden, denn die Brille lässt den Benutzer in andere Welten eintauchen.
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