Olpe/Netphen. . Neue Funde aus dem Siegerland beweisen: Eisen aus Südwestfalen war schon in der Steinzeit begehrt. Hämatit spielte damals eine große Rolle.

Fred Feuerstein muss ins Siegerland, wenn er rote Farbe braucht. Hämatit, das Eisenerz, durch dessen Abrieb Farbpulver gewonnen werden kann, ist bereits in der Steinzeit ein begehrter Artikel. Neue Funde in Netphen verändern jetzt das Bild der frühesten Menschheitsepoche in Westfalen.

„Das ist der älteste Platz für den Mittelgebirgsraum des Sauer- und Siegerlandes, an dem wir eine jungsteinzeitliche Nutzung nachweisen können“, beschreibt Prof. Dr. Michael Baales, der Leiter der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen, die Fundstelle bei Dreis-Tiefenbach.

Die ältesten Siedlungsplätze der Jungsteinzeit befinden sich rund 5300 v. Chr. fast ausschließlich auf den fruchtbaren Lössböden am Hellweg und rund um Warburg. In den Mittelgebirgen dominiert undurchdringlicher Urwald. Er ist das Revier von mobilen Jägergesellschaften.

Die neuen Forschungsergebnisse verändern die Sicht auf die Epoche nachhaltig. Denn sie belegen, dass schon vor 6500 bis 6700 Jahren Ackerbauer das Siegerland zu wirtschaftlichen Zwecken aufsuchten.

Dauerhafte Siedlungen haben sie jedoch nicht angelegt. Aus welchem Grund also wagen die Bauern periodisch Expeditionen in die unwirtlichen Wälder? „Der Hämatit könnte eine große Rolle gespielt haben, er könnte eine Ursache für die Nutzung dieser Plätze gewesen sein“, vermutet Baales.

Älteste Nutzungsphase für Eisen im Siegerland

Damit wäre die älteste Nutzungsphase für Eisen im Siegerland nachgewiesen. Eisenerz wird damals nur als Farbrohstoff verwendet; die rote Farbe ist begehrt und vielfach gebräuchlich: bei der Körperbemalung, zum Bemalen von Tierfellen und Häusern und für kultische Zwecke.

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„Wir haben an den Fundstellen in Dreis-Tiefenbach ein ganz exotisches Rohmaterialspektrum“ listet der Archäologe weiter auf. Denn die saisonalen Besucher hinterlassen ihrerseits Steinartefakte, die von der Ruhr und aus Belgien stammen, und, wie allerneueste Funde belegen, sogar eine bearbeitete Steinklinge aus Bayern.

„Es gab weitgespannte Austauschnetze“, analysiert Baales. Die Archäologen spekulieren nun, dass die jungen Männer der Bandkeramiksiedlungen im Sommer ins Siegerland geschickt wurden, um Hämatit zu suchen und dabei vielleicht noch zu jagen, Felle zu gewinnen und Holz zu verarbeiten.

Was ist im Sauer- und Siegerland mit den Jägerkulturen passiert? 

Doch parallel stellt sich eine weitere Frage: Was ist mit den Jägerkulturen passiert, die im Sauer- und Siegerland heimisch sind, bevor die Bandkeramik-Landwirte vom Balkan einwandern? Bisher ging man davon aus, dass die neueren Gesellschaften die älteren einfach assimiliert haben. Doch nun gibt es Belege dafür, dass die Jäger und Fischer über längere Zeit hinweg parallel zu den Sesshaften existiert haben können.

Baales: „Die Blätterhöhe in Hagen hat hier ganz neue Forschungsergebnisse geliefert. Dort gibt es mittelsteinzeitliche und jungsteinzeitliche Menschenreste. Das sind Belege, dass hier Jäger und Fischer neben Ackerbauleuten gelebt haben. Das heißt, dass es bis 3500 vor Chr. noch eigenständige Jägergemeinschaften gab. Die können sich im Sauer- und Siegerland lange gehalten haben, weil hier Ackerbau und Viehzucht nicht möglich waren.“

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Um 1950 war das Siegerland mit nur vier bis fünf Fundstellen ein weißer Fleck in der Steinzeit-Archäologie. Heute gibt es fast 100. Das ist das große Verdienst des Heimatforschers Helmut Baldsiefen aus Netphen. „Wir verdanken Herrn Baldsiefen ganz viele neue Informationen“, lobt Prof. Baales. „Durch sein jahrzehntelanges Engagement ist ein außergewöhnliches Inventar zusammengetragen worden, dessen Auswertung erstmals Informationen zur ältesten neolithischen Wirtschaftsweise im Siegerland liefert.

Bald keine ehrenamtlichen Sammler mehr

Sein Beispiel regt an, dass auch andere in dieser Richtung aktiv werden.“ Baales sorgt sich, dass es bald keine ehrenamtlichen Sammler für die Steinzeit mehr gibt. „Die sind heute alle als Metallsondengänger unterwegs. Die alten Trüffelschweine, die Steine und Scherben auf den Ackerflächen suchen, die kommen nicht mehr nach. Das ist schade für die Denkmalpflege.“