Burbach. . Der Skandal um die Misshandlungen in der Siegerlandkaserne war deutschlandweit ein beherrschendes Thema. Zeit für einen Rückblick – und eine Bilanz.
Es ist der 27. September, als vormittags im Polizeipräsidium Hagen dieses Bild an die Wand geworfen wird. Es zeigt die Misshandlung eines Menschen, der vor Krieg und Gewalt geflohen ist. „Wer Menschen in Not bedroht und schikaniert, muss hart bestraft
werden“, sagt NRW-Innenmister Ralf Jäger und fordert zügige und umfassende Aufklärung.
Der Sicherheitsdienst wird sofort ausgetauscht. Der Betreiber des Heims, European Homecare, später durch das DRK ersetzt. Die Bezirksregierung verabschiedet einen Acht-Punkte-Plan, um Missstände in Unterkünften künftig zu vermeiden. Das Land stockt Hilfen für Flüchtlinge auf.
Bilanz: Nach dem großen Medienrauschen wird es deutlich leiser in Düsseldorf. An der chronischen Überbelegung ändert sich lange Zeit nichts. Weitere Initiativen zur Verbesserung der Lage kommen vielmehr aus Burbach und Siegen-Wittgenstein.
Die Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft Siegen nimmt die Ermittlungen gegen fünf ehemalige Wachleute wegen des Verdachts der Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung auf. Später wird die Zentrale des Ex-Betreibers European Homecare durchsucht, ebenso Büros auf dem Gelände der Unterkunft. Ermittlungen richten sich jetzt unter anderem auch gegen den European-Homecare-Geschäftsführer und den ehemaligen Heimleiter.
Bilanz: Die Ermittlungen dauern an. Gegen wen Anklage erhoben wird, steht noch nicht fest. Sorgfältigkeit vor Tempo.
Der Bürgermeister
Christoph Ewers macht eigentlich nur das, was ein Bürgermeister für seine Gemeinde tun muss – er macht es aber durchaus gut. In den Tagen und Wochen nach dem Skandal findet er die richtigen Worte. Er bagatellisiert nichts, dramatisiert auch nichts. Ewers spricht vor regionalen und überregionalen Medien druckreif. Wo von manchen Politikern Worthülsen zu hören sind, hat Ewers tatsächlich etwas zu sagen. Er prangert die dauerhafte Überbelegung der Unterkunft an, verweist darauf, dass das für die Menschen im Ort, aber auch für die Menschen in der alten Siegerlandkaserne kein haltbarer Zustand ist. Er benennt auch die Probleme im Ortskern mit Diebstählen in Supermärkten und Ladenlokalen. Den Status als Notunterkunft spricht er immer wieder an – und erreicht am Ende in Zusammenarbeit mit dem Landrat und Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, das zum 1. Mai 2015 der Abschied vom Provisorium beschlossen wird. Ewers drängt mit anderen Bürgermeistern auf einen Flüchtlingsgipfel in Düsseldorf – und bekommt ihn.
Bilanz: Das Regionalmanagement nach dem Misshandlungs-Skandal in der Flüchtlingsunterkunft. Das verdient die Note 1.
Das Ehrenamt
„Wir können hier den Menschen zeigen, wie man mit solchen Situationen umgeht. Je mehr Probleme es gab, desto größer wurde auch die Hilfsbereitschaft.“ Ein Satz von Burbachs Bürgermeister, der den Kern zu treffen scheint. Das ehrenamtliche Engagement war bereits vor dem 27. September, dem Tag als die Misshandlungen bekannt wurden, groß. In den Wochen und Monaten nach dem Skandal wurde es noch einmal größer. Viele Spenden erreichen die Menschen, so dass zwischenzeitlich sogar dazu aufgerufen werden muss, keine Kleider mehr zu spenden, weil die Kammern voll sind. Die Kirchengemeinden tun enorm viel, um vor Ort zu helfen. Es wird ein Deutschunterricht initiiert. Und, und , und.
Bilanz: Diese Menschen in der Region sind ein Vorbild.
Die Bürgerinitiative
Ihre Gründung steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Mit unglücklichen Formulierungen, wie Flüchtlinge sollten über „Verhaltensregeln, Sitten, Recht und Ordnung in Deutschland“ aufgeklärt werden, ziehen die Initiatoren Kritik auf sich. Der Großteil der Burbacher Politiker blickt skeptisch darauf und fragt, ob das der richtige Weg ist, die Probleme anzugehen. Immerhin: Es gibt schon den Runden Tisch, an dem Probleme rund um die Flüchtlingsunterkunft diskutiert werden. Dabei ist ihr Anliegen nicht unberechtigt. Dass es im Ortskern zu Problemen wegen Diebstählen gekommen ist, beunruhigt viele Bürger. Immer wieder betonen die Initiatoren, dass rechtes Gedankengut bei ihnen keinen Platz habe. Bei der Gründungsversammlung im Bürgerhaus demontiert sich die Initiative. Einem Gründungsmitglied wird ein rassistischer Text auf seiner Facebookseite zum Verhängnis. Der Mann distanziert sich zwar, der Schaden für die Glaubwürdigkeit bleibt.
Bilanz: Aus der Bürgerinitiative wurde nichts – und das ist auch gut so.