Meschede. . Es ist ein Fall mit zwei Opfern, aber vielleicht bleibt am Ende offen, wer der Täter ist. Im April 2010 bricht ein Feuer in einer Wohnung in Meschede aus, dabei stirbt ein 14 Monate altes Mädchen. Die Mutter sollte es gewesen sein, sie kam auf die Anklagebank. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft einen neuen Tatverdächtigen. Doch ob sie ihn jemals überführen kann, ist offen.
Es hätte so ideal ins Klischee gepasst: Die damals 22-jährige Mutter, eine Prostituierte, lässt ihr Kleinkind nachts daheim, um in einem Bordell zu arbeiten. Hastig zieht sie noch an ihrer Zigarette, die Glut fällt in die Möbel und entfacht einige Stunden später einen verheerenden Zimmerbrand. Ein Gutachter, von der Staatsanwaltschaft beauftragt, hatte sich dieses Szenario so vorstellen können. Zudem schwieg die Frau. Das reichte, um sie anzuklagen. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung. Das Kind war zwei Tage nach dem Feuer an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben.
Im Juni 2011 sitzt die blonde Frau, umringt von Fotografen und Kamerateams, auf der Anklagebank des Amtsgerichts Meschede. Beinahe wäre das Verfahren mit einem Schuldspruch geendet, und zurückblickend bleibt festzuhalten: Die Frau, wohl wissend, dass sie unschuldig ist, hätte die angekündigte Geldstrafe akzeptiert - nur damit dieser Prozess vorbei ist. Ihr Verteidiger befand sich schon in einem vorbereitenden Rechtsgespräch mit Staatsanwaltschaft und Richter.
Vater war ein Zuhälter
An dieser Stelle kommt der Vater des Kindes ins Spiel. Er passt auch ins Klischee: ein Zuhälter zum damaligen Zeitpunkt. Einer, der seine Ex-Frau bei sich arbeiten ließ. Einer, der ein Kind sexuell missbraucht haben soll und deshalb in ein eigenes Ermittlungsverfahren verwickelt war. Einer, dem man eigentlich nicht glaubt. Der dann auch noch Verwirrung stiftet: Er verhindert erst ein Urteil gegen seine Ex-Frau, weil er als Nebenkläger einer milden Strafe nicht zustimmt, worauf der Prozess unterbrochen wird. Bald darauf beschuldigt der Kindsvater einen Mann als Täter, er ist ein Bekannter der Mutter. Er spricht von Mord.
Die Staatsanwaltschaft nimmt die Vorwürfe wahr, überprüft sie und verwirft diese Theorie. Aber: Sie beauftragt einen neuen Gutachter, sich die Brandursache noch einmal anzuschauen. Es handelt sich um einen erfahrenen Experte, er gilt als erste Wahl in Kreisen der Ermittler. Und er bringt die Wende in den Fall. Sein Fazit: Nein, es war keine Zigarettenasche, der Brand wurde nicht versehentlich gelegt. Sondern vorsätzlich. Weil die Mutter ihr Schweigen bricht, steht bald fest: Sie kann es nicht gewesen sein. Es saß die Falsche auf der Anklagebank.
Seitdem haben Polizei und Staatsanwaltschaft den Fall wieder aufgerollt. Dabei haben sie auch die alte Spur noch einmal verfolgt: jenen Mann, der in der Nachbarschaft wohnte. Der ein Motiv gehabt haben könnte. Der sogar einen Schlüssel zu der Wohnung besaß.
Brand und Löschwasser
„Es gibt einen Tatverdächtigen“, bestätigt Oberstaatsanwalt Thomas Poggel jetzt. „Aber es gibt keinen dringenden Tatverdacht.“ Das heißt mit anderen Worten: Die Beweise reichen bisher nicht. Davon sind damals viele zerstört worden. Der Brand, das Löschwasser. Es ist viel Zeit verloren gegangen durch die Ermittlungen in die falsche Richtung.
Im neuen Jahr wird sich die Mutter noch einmal wegen fahrlässiger Tötung verantworten müssen. Das Verfahren muss formell beendet werden, es wird ein Freispruch.
Am Ende aller Ermittlungen stehen zwei Opfer fest, ein Täter wahrscheinlich nicht.