Meschede/Hochsauerlandkreis. Wer während des Hackerangriffs im Hochsauerlandkreis geblitzt wurde, muss vielleicht keine Strafe zahlen. Unter dieser Voraussetzung.
Es ist eine der konkreten Folgen des Hackerangriffs auf die Südwestfalen-IT: Denn bei der Kreisverwaltung des Hochsauerlandkreises in Meschede hat es dadurch Ausfälle bei der Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten gegeben, etwa im Straßenverkehr. Es ist verwirrend: Wer zum Beispiel geblitzt wurde, könnte Glück gehabt haben und muss keine Strafe bezahlen - aber nicht jeder hat dieses Glück. Drucker spielen dabei die entscheidende Rolle.
Drei Monate als Frist für Behörde
Die Lage ist kompliziert und hat mit juristischen Fragen zu tun. Eine Behörde muss im Fall einer Ordnungswidrigkeit, wie berichtet, innerhalb einer bestimmten Frist ihre Ansprüche geltend machen. Sonst verjährt dieser Anspruch, wie es offiziell heißt. Tatsächlich ist der Begriff „Verjährung“ irreführend: Der Hochsauerlandkreis hat gerade einmal drei Monate Zeit, um sich wegen eines Bußgeldbescheides bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung beim Halter des Autos zu melden.
Durch die Auswirkungen der Cyber-Attacke konnten damit im Kreishaus nicht alle Fälle verfolgt werden: „Manche Autofahrer, die eigentlich zu schnell unterwegs waren, werden Glück gehabt haben und nicht belangt“, sagt HSK-Sprecher Martin Reuther.
Die Sache mit den verschwundenen Schreiben
Bei manchen ist die Frist inzwischen abgelaufen, sie müssen nicht zahlen. Doch das gilt nicht pauschal. So freute sich ein Leser, der im Dezember geblitzt wurde, Ende März darüber, dass seine Ordnungswidrigkeit vermeintlich verjährt war: „Angesichts der noch anhaltenden Folgen der Cyber-Attacke hielt ich dies für durchaus plausibel“, schreibt er. Er hatte sich aber zu früh gefreut: Im April kam doch noch ein Schreiben – und die Mitteilung, dass dieses schon die zweite Erinnerung sei.
Der Leser ist sich dabei aber sicher, zuvor gar kein erstes Schreiben erhalten zu haben. Er fragt, ob dies ein Zufall sei – oder ob dies gar eine Systematik der Kreisverwaltung wäre: Denn ihm sei ein anderer Fall bekannt, wo sich ebenfalls jemand zu früh über eine Verjährung freute, der im Januar geblitzt worden sei – und wo auch kein vorheriges Schreiben eingetroffen sei.
Beim HSK ist das Problem bekannt. Kreis-Sprecher Martin Reuther klärt auf. Es ist keine Systematik, sondern Zufall. Denn wer geblitzt wird, erhält von der Bußgeldstelle eine schriftliche Verwarnung oder einen Anhörungsbogen mit dem berüchtigten Foto, das beim Blitzen entstanden ist. Das ist das erste Schreiben in jedem Ordnungswidrigkeiten- oder Bußgeldfall. Wer den Vorwurf einräumt und zahlt, für den ist der Fall erledigt. Es besteht natürlich auch die Gelegenheit, Stellung zu nehmen.
Zum Drucker senden reicht für Kreis aus
Entscheidend ist aber: Sobald der Kreis tätig geworden ist, gilt eben keine Verjährung, sie ist – wie es amtlich heißt – unterbrochen. Und um tätig zu werden reicht es schon aus, wenn angeordnet wird, das Schreiben zu versenden oder wenn der Druck automatisiert im Fachverfahren angestoßen wird: „Das reicht juristisch aus, um als Behörde anzuzeigen: Ich will etwas tun.“ Das Problem allerdings: „Wir wissen durch den Hackerangriff aber nicht, welche Schreiben tatsächlich herausgegangen sind – und welche nicht“, sagt Reuther. So kann es durchaus sein, dass an ein und demselben Tag manche Schreiben auch verschickt wurden, aber andere eben nicht.
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Das zweite Schreiben wiederum ist eigentlich etwas, was der Hochsauerlandkreis gar nicht verschicken müsste: „Andere Behörden machen das gar nicht“, so Martin Reuther. Der HSK betrachtet es aber als Erinnerungsschreiben an die, die bislang nicht gezahlt haben – und dem Hinweis, dass man jetzt doch besser zahlen sollte, bevor es anschließend noch teurer für den betroffenen Autofahrer wird. So kann es sein, dass jemand das erste Schreiben, den ursprünglichen Bescheid, gar nicht erhalten hat, aber dann das zweite Schreiben. Das bedeutet: Besser zahlen!
Der finanzielle Schaden durch den Hackerangriff allein für den Hochsauerlandkreis ist enorm. Unter anderem die Bußgeldstelle beziffert die Mindereinnahmen für 2023 auf 800.000 Euro, für den Haushalt 2024 kann nicht einmal eine Schätzung abgegeben werden. Weil das Statistikprogramm der Südwestfalen-IT noch nicht wieder läuft, kann bislang auch nicht genau gesagt werden, wie viele Fälle insbesondere aus den Monaten Oktober und November verjährt sind.