Schmallenberg. Norbert Otto setzt sich seit fast 40 Jahren für die Erinnerung an den Holocaust in Schmallenberg ein. Dafür wurde er nun ausgezeichnet.
„Als ich das Manuskript für die Geschichte von Werner Jacob fertig hatte, konnte er es nicht lesen - es war zu aufwühlend für ihn. Und dann sagte er zu mir: ‚Herr Otto, ich vertraue Ihnen, dass Sie das Richtige schreiben.‘ Das ist mein Leitsatz - und bis heute halte ich mich daran.“ Das Buch ist heute 26 Jahre alt: „Ich trage Nummer 104953: Ein letztes Zeugnis“ erzählt die Geschichte von Werner Jacob, der aus Lehnhausen im Kreis Olpe stammt und nach seiner Deportation und der Flucht aus Auschwitz wieder in seine Heimat zurückkehrte. „Seine Familie kam nach seinem Tod zu mir und sagte, dass Jacob mit niemandem so offen darüber gesprochen hat wie mit mir - von meinem Buch hatten sie noch Dinge über ihn erfahren.“
Das begeistert Norbert Otto - und das motiviert ihn auch, weiter zu machen. Der gebürtige Hannoveraner und studierte Historiker landet schließlich in Schmallenberg, wird dort Direktor des Städtischen Gymnasiums, bis er 2006 pensioniert wird. Schon da setzt er sich an der Schule für die Aufklärung ein. „Niemand aus unserer und den folgenden Generationen kann für das verantwortlich gemacht werden, was damals passiert ist. Aber es liegt in unserer Verantwortung, uns daran zu erinnern und zu verhindern, dass so etwas nochmal passiert.“
Nur ein Scherz? Die Reaktion auf die Einladung zur Verleihung
Genau für diesen Ansatz hat Norbert Otto Anfang April im Schmallenberger Ratssaal das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. „Ich hab erstmal gedacht, jetzt käme ein Knöllchen. Und dann hielt ich es für einen Scherz - die Einladung kam einen Tag nach Aschermittwoch“, erzählt der 81-Jährige. Doch auf seine Anfrage im Kreishaus wird ihm bestätigt: Doch, das ist für ihn und durchaus ernst gemeint. „Ich bin da schon zwiegespalten. Natürlich freue ich mich sehr, aber ich habe auch nicht damit gerechnet. Es gibt genügend andere Menschen, die das viel mehr verdienen würden.“
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Im Grunde, so ist er sich sicher, ist das Bundesverdienstkreuz nicht nur eine Auszeichnung für ihn selbst, sondern für viele Menschen: Für seine Frau, die Anfang des Jahres verstorben ist, für die vielen Menschen, die ihn auf seinem Weg unterstützt haben, und natürlich für all die Jüdinnen, Juden und all denen, denen in der Zeit des Nationalsozialismus schlimmes angetan wurde. „Das Thema ist heute aktueller denn je“, sagt Norbert Otto. Es stimmt ihn nachdenklich. Gerade deswegen, glaubt er, war es ein wichtiges Zeichen, die Verleihung im Ratssaal stattfinden zu lassen - das zeige, dass die Erinnerung an die Geschichte der Juden in Deutschland und speziell in Schmallenberg nicht nur seine Privatsache sei, sondern eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit.
Doch eigentlich ist Norbert Otto nicht nur für seine Arbeit über das jüdische Leben in Schmallenberg ausgezeichnet worden, sondern auch für sein Engagement als Schulleiter am Städtischen Gymnasium in Schmallenberg und für seinen ehrenamtlichen Einsatz im Lions Club. „Ich finde nicht, dass ich für meine Lehrertätigkeit einen Orden bekommen sollte - ich hab immer gedacht, dafür bekommt man Gehalt.“
Begeisterung für ein wichtiges Thema
Wenn Norbert Otto über seine Arbeit spricht, über seine Recherchen zu den drei Büchern, die er geschrieben hat, dann vertieft er sich in seine Ausführungen, ist vertieft in seinen Erinnerungen. Alle Geschichten, die er in seinen Büchern aufgeschrieben hat, kann er auswendig erzählen: Von Werner Jacob, dem letzten Juden im Kreis Olpe, der aus dem Konzentrationslager Auschwitz geflohen ist; von den Funkes und den Sterns, die das Leben in Schmallenberg geprägt haben, und von all den anderen Familien, die schließlich aus Schmallenberg vertrieben wurden. Ihre Geschichten hat er nach der Verlegung der Stolpersteine aufgeschrieben, die Familienchronik der Sterns ist 2021 erschienen.
Und immer arbeitet er mit dem Versprechen, dass er Werner Jacob gegeben hat: Er wird schreiben, was richtig ist. „Da geht es nicht um eine objektive Darstellung - sondern um subjektives Wahrnehmen.“ Denn nur, wer sich erinnert und wer mitfühlt, könne verhindern, dass rechtes Gedankengut nochmal stark werden kann. Und dafür hat Norbert Otto ein Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen.