Grevenstein/Berlin. Carl-Clemens Veltins berichtet, warum er jetzt seine Schwestern verklagt. Er behauptet: „Ich wurde betrunken zum Notar geschleppt.“
29 Jahre und 11 Monate habe er gewartet und gehofft, dass seine Schwestern auf ihn zukommen, sagt Carl-Clemens Veltins, der als oft als schwarzes Schaf der Brauerei-Familie aus Grevenstein bezeichnet wird. Jetzt, bald 30 Jahre nach dem Tod seiner Mutter Rosemarie, läuft die Zeit ab, um den Pflichtteil noch einklagen zu können. Der 61-Jährige, der heute in Berlin lebt, spricht im Interview über seine Kindheit in Grevenstein und die Summen, um die es jetzt geht.
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Warum klagen Sie ausgerechnet jetzt? Man könnte denken, das hat etwas mit dem 200. Jubiläum der Brauerei zu tun?
Nein, das hat es tatsächlich nicht. Das war mir gar nicht klar. Aber vor bald 30 Jahren, am 30. April 1994, starb meine Mutter und 30 Jahre nach ihrem Tod läuft die Zeit ab, die mir bleibt, um gegen das Testament vorzugehen, das mich quasi enterbte. Lange waren mir die Hintergründe auch gar nicht klar, bis mir vor einigen Jahren meine Finanzamtsunterlagen in die Hände fielen, die das Vorgehen belegen.
Sie verlangen jetzt Ihren Pflichtteil?
Ja, nur, das, was mir zusteht und was mir an meinem 18. Geburtstag genommen wurde. Ich hatte reingefeiert, war noch halb betrunken, als meine Mutter mich morgens um 9.30 Uhr zum Anwalt nach Menden schleppte, wo ich das mir vorgelegte Verzichtsdokument unterschrieb, weil sie mir erklärte, es sei wichtig für den Fortbestand der Brauerei, dass das Unternehmen nicht gedrittelt werde. Das habe ich auch eingesehen, nicht aber, dass ich als Jüngster gar nichts bekomme. Ich hätte mir gewünscht, dass meine Schwestern auf mich zukommen.
Warum haben Sie nicht früher versucht, einen Pflichtteil einzuklagen?
Anfangs war es mir nicht wichtig. Als meine Mutter mit gerade einmal 56 Jahren starb, brauchte ich es nicht. Damals liefen meine Geschäfte gut. Von ihrer Krankheit habe ich übrigens aus der Bild-Zeitung erfahren. Ich fuhr direkt zu ihr. Damals erkannte sie mich schon nicht mehr und hielt mich für meinen Vater. Nur so viel zum Verhältnis innerhalb der Familie: Niemand sonst hatte mich informiert. Als ich zur Testamentseröffnung gar nicht erst eingeladen wurde, wurde mir klar, dass etwas nicht stimmte. Später, als ich mit meinen Geschäften pleiteging, konnte ich es mir schlicht nicht leisten für eine Klage in Vorleistung zu gehen. Es geht dabei um viel Geld, ich rechne mit rund 30 Millionen Euro. Und um diese Zivilklage überhaupt anstrengen zu können, brauchte ich rund eine Million Euro.
Und jetzt haben Sie das Geld?
Ich mache es jetzt, weil sich gute Freunde gefunden haben, die an mich glauben und mich unterstützen.
Es heißt, Sie haben drei oder vier Millionen Mark bis zum Tod Ihrer Mutter erhalten. Was ist denn damit passiert?
Das Geld war schon bei ihrem Tod verbraucht. Ich hatte nach der Wende eine Diskothek in Leipzig, ein Diskozelt in Chemnitz und die Barbarossa-Brauerei in Artern an der Unstrut gekauft. Aber wie gesagt, erst liefen die Geschäfte gut, dann gab es Probleme. Wir mussten eine Asbest-Sanierung übernehmen und der Pachtvertrag wurde nicht verlängert. Das war damals im Osten wie im Wilden Westen. Der Rechtsstaat existierte nicht. Das war eine sehr spannende und aufregende Zeit. Wer im Westen einen geraden Weg genommen hat, der kann sich das nicht vorstellen.
Sie haben ja auch mal mit einem sehr geraden Weg angefangen.
Die ersten Jahre in Grevenstein waren ganz wunderbar. Bis zu meinem zehnten Geburtstag habe ich die Grundschule dort besucht, mit den Jungs auf der Straße Fußball gespielt, jeder kannte jeden. Mit der fünften Klasse bin ich zum Gymnasium nach Sundern gewechselt. Während einer Afrikareise mit meinem Vater - übrigens auf die Severin-Lodge in Kenia - erkrankte ich an Salmonellen und war rund ein halbes Jahr nicht in der Schule. Im Anschluss schickte mich meine Mutter aufs Internat. Eine reine Jungenschule in Garenfeld. Das war grauenhaft. Das hat übrigens wohl auch meine Mutter später erkannt. Denn sie hat meiner Frau das Versprechen abgenommen, unsere Kinder nie aufs Internat zu schicken.
Nach der Mittleren Reife haben Sie eine Schreinerlehre in Siedlinghausen gemacht - auch noch der gerade Weg.
Die habe ich übrigens ganz normal abgeschlossen. Auch das war eine schöne Zeit. Anschließend habe ich mich für vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet. Ich war da in der Funkerausbildung tätig. Als sich die Grenze öffnete, bin ich mit Freunden in den Osten.
Es folgte dann diese wilde Zeit mit den Diskotheken in Lippstadt, Leipzig und Chemnitz, mit Kokain und der Verurteilung in Paderborn zu zwei Jahren Haft - und danach sind sie sesshaft geworden?
Sesshaft war ich ja eigentlich immer. Ich hatte ein Haus in Lippstadt - dort sind auch unsere Kinder aufgewachsen.
Die 17.000 Euro Gerichtskostenvorschuss zur Feststellung des Streitwertes haben Sie überwiesen. Die Klage müsste also zugestellt sein. Gab es denn jetzt schon Kontakt zu Ihren Schwestern?
Nein. Keinerlei Reaktion. Und wissen Sie, was mich besonders geärgert hat? Als ich irgendwann das Testament in den Händen hielt und darin stand, dass nicht nur ich von jeglichen Tätigkeiten in der Brauerei ausgeschlossen werden sollte, sondern auch alle meine Nachkommen.
Hätten denn Ihre Kinder daran Interesse gehabt?
Sie wussten ja davon und haben sich deshalb frühzeitig anders orientiert.
Was machen Sie jetzt? Wovon leben Sie?
Ich bin glücklich geschieden, Vater von zwei erwachsenen Kindern und habe fünf Enkel. Ich bekomme Bürgergeld. Aber ich plane noch ein Buch über mein Leben zu schreiben und bei TikTok will ich aktiv werden. Das kann ich natürlich nicht selbst, dafür habe ich mir Unterstützung eingekauft.
HINTERGRUND
Die Redaktion hat die Pressestelle der Brauerei angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten. Ulrich Biene, Veltins-Pressesprecher, erklärte dazu, die Brauerei sehe der Klage von Carl-Clemens Veltins sehr gelassen entgegen, zumal es in dem ganzen Verfahren ja nicht um das Unternehmen, sondern die Familie gehe.
Noch habe die Brauerei auch offiziell keine Kenntnis von der Klage. Ansonsten betonte er erneut: „Wir äußern uns nicht zu Angelegenheiten der Familie.“