Eslohe/Wenholthausen. Dass es Pfadfinder in Wenholthausen gibt, verdankt das Dorf Martin Kies. Nun wird der Stammesgründer für seine Arbeit ausgezeichnet.
Der Zufall brachte Martin Kies damals nach Wenholthausen - vor mittlerweile 50 Jahren wurde ihm nach dem Studium eine Stelle an der Grundschule in Wenholthausen zugewiesen. Geboren und aufgewachsen ist er in Gladbeck, ist dort als Kind in die Pfadfinder reingerutscht und dann dort zum Leiter aufgestiegen. „Als ich dann hier war, wollte ich das noch nicht an den Nagel hängen“, erinnert er sich. „Und als ich dann gesehen hab, dass es hier keine Pfadfinder gibt, habe ich mir eben einen eigenen Stamm aufgebaut.“ Und auch heute noch, 49 Jahre später, gibt es die Sankt-Georgs-Pfadfinder (DPSG) in Wenholthausen - ohne Martin Kies wäre das nicht möglich gewesen.
Er fühlt sich als „Hölter“, hat mit seiner Frau Marianne Schmidt ein kleines Haus am Ortsrand, blickt raus auf Weiden am Waldrand, auf den Windknochen. „Da oben habe ich am 8. Mai 1975 meine erste Gruppenstunde abgehalten“, erinnert er sich. Zwei weitere Junge Menschen hatte er gefunden, die mit ihm die Stammesleitung übernahmen; in Eigenregie haben sie Flyer verteilt und dann die Gruppe gegründet. Durch seine Arbeit an der Grundschule konnten die Pfadfinder nur wenige Jahre später ihren Gruppenraum beziehen, der auch heute noch im Wenholthauser Schulgebäude ist: Der Raum unterm Dach wurde nur für die Pfadfinder ausgebaut.
Internationale Kontakte auf über 100 Stammefahrten gepflegt
In seinen vielen Pfadfinderleiterjahren ist Martin Kies auf weit über 100 Pfadfinderlager und Stammesfahrten gefahren - die führten ihn und seine kleinen Gruppen von Kindern und Jugendlichen durch ganz Europa. Schon in den 1980ern pflegten sie zum Beispiel eine enge Freundschaft mit einem Pfadfinderstamm aus Nizza in Frankreich, aber auch nach Italien gibt es heute noch enge Kontakte. „Ich wollte immer, dass die Pfadfinder lernen, über ihren eigenen Kirchturm hinwegzuschauen“, sagt Martin Kies. „In den anderen Ländern ist vieles anders - aber es sind alles Menschen. Und die Fahrten zeigen immer wieder, wie schnell aus Fremden Freunde werden.“
Seit 49 Jahren unterstützt Martin Kies also die DPSG Wenholthausen - als Gründungsmitglied, als Stammesleiter, als Gruppenleiter. Seit einiger Zeit schon eher im Hintergrund: Mit über 70, so meint er, müsse er den Jüngeren den Vortritt lassen. Aber er finanziert und unterhält die Vereinsautos, und auch die Pressearbeit übernimmt er weiterhin. In seinem Haus hat er ein wahres Pfadfinderarchiv: Ein ganzes Bücherregal ist gefüllt mit DVDs, auf denen die Videos der Stammesfahrten für die Nachwelt festgehalten wurden. Ein weiteres Regal steht voller Ordner, in denen die Tagebücher der einzelnen Fahrten die Zeit überdauern. Derzeit digitalisiert er das alles. Über 68.000 Fotos finden sich auf der Website des Stammes, die Martin Kies mit seinen Kindern noch selbst gebaut hat.
Bundesverdienstkreuz für DPSG-Stammesarbeit
Für diese Arbeit erhält Martin Kies nun am 26. Februar das Bundesverdienstkreuz. Doch für Martin Kies ist das keine Auszeichnung, die er selbst erhält für seine jahrzehntelange Jugendarbeit. „Ich bekomme diesen Orden stellvertretend für alle, die in den letzten 50 Jahren mit mir zusammengearbeitet haben, und für jeden Pfadfinder aus Wenholthausen.“ Denn die Arbeit, die sie verrichten und verrichtet haben, die ist so aktuell wie nie.
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Schon in den 1990ern sind die DPSG Wenholthausen auf die Straße gegangen: „Damals haben wir für Migration in Eslohe protestiert.“ Beim Digitalisieren seines Stammesarchivs hat Martin Kies alte Aufkleber gefunden: „Pfadfinder gegen Fremdenfeindlichkeit“ und „Stoppt rechts“. Für ihn ist das ganz klar: Auch bei der kommenden Demo in Eslohe am 2. März wird der Stamm vor Ort sein - da wird er für sorgen, denn Kontakt zur Stammesleitung hat Martin Kies bis heute. „Wir müssen wehrhaft ohne Waffen sein“, sagt er - ein alter Spruch aus Kriegsdienstverweigererzeiten. „Wir müssen rechtzeitig auf die Straße gehen und protestieren, bevor es zu spät ist.“
Das bedeutet es für ihn, Pfadfinder zu sein: Sich zu engagieren und einzusetzen. „Ich habe mich für Kinder und Jugendliche eingesetzt“, sagt er. „Wir als Stamm haben uns für andere eingesetzt. Jeder mit seinen Fähigkeiten.“ Auch darum gehe es bei den Pfadfindern: Zu entdecken, zu erkunden, Dinge auszuprobieren - und auch mal zu scheitern. In der heutigen Zeit sei das so aktuell wie nie. „Wir können eine Welt weit ab von der Digitalisierung bieten: Die Realität.“
Zur feierlichen Verleihung des Bundesverdienstkreuzes wird Martin Kies selbstverständlich in Pfadfinderkluft kommen: Mit dem hellroten Halstuch und dem Knoten sowie dem Woodbadge - sein letztes pfadfinderisches Highlight. Denn das erhielt er dafür, dass er 2013 die Ausbildung zum internationalen Pfadfinderleiter bestand. Die Frage seiner wissenschaftlichen Abhandlung dafür: „Wie viel Alter braucht ein Pfadfinderstamm?“ Die Antwort: So viel, wie das Alter den Jungen noch Wissen zu vermitteln hat.