Eversberg. Ampel-Sparmaßnahmen sollen Förderungen für Landwirte in Milliardenhöhe kippen. Dann steht der Milchviehbetrieb Eversberger Landmilch vor dem Aus.
Verzweiflung. Angst. Wut. Traurigkeit. All das und vieles mehr, was gar nicht in Worte gepackt werden kann, fühlt Landwirtin Steffi Möller-Winter vom Milchviehbetrieb Eversberger Landmilch, wenn sie die Entwicklungen betrachtet, die sich in Deutschland anbahnen: Die Sparmaßnahmen des Staates sollen sich auch auf die Förderungen auswirken, die die Landwirte erhalten.
Der „Agrardiesel“ soll abgeschafft werden - hier bekommen Landwirte auf Antrag 21 Cent pro Liter getanktem Diesel zurückerstattet. Und auch die Befreiung von landwirtschaftlichen Kraftfahrzeugen von der Kfz-Steuer soll aufgehoben werden. Das Landwirtschaftsministerium geht von einer steuerlichen Belastung von fast einer Milliarde Euro aus - insgesamt will die Ampel-Koalition drei Milliarden Euro einsparen.
Mehrkosten von 10.000 Euro pro Jahr
„Das bedeutet für einen durchschnittlichen Betrieb Mehrkosten von rund 10.000 Euro im Jahr“, sagt Steffi Möller-Winter. Wo sie das hernehmen sollen? Das weiß sie nicht. Für einen Liter Milch der rund 60 Milchkühe auf dem Hof erhalten die Möller-Winters aktuell rund 44 Cent. Für ein Bullenkalb, das sie vier Wochen lang aufgezogen haben, 100 Euro - ein paar weitere Einnahmen ergeben sich aus den Verkäufen im Hofladen.
Aber auch sie sind betroffen von den hohen Strom- und Gaspreisen, von den gestiegenen Löhnen, von den hohen Futterkosten, von den hohen Baukosten. „Ganz ehrlich? Wenn die Sparmaßnahmen so greifen, dann schaffen wir das hier kein Jahr mehr.“
Familiärer landwirtschaftlicher Betrieb: Landwirtschaft ist Leidenschaft
Der Betrieb von Familie Möller-Winter ist ein kleiner: Die Kühe haben alle noch Namen, am liebsten würde Steffi Möller-Winter nicht eine einzige Kuh abgeben - auch, wenn sie mal nicht trächtig geworden sind oder nicht mehr so viel Milch geben, auch wenn es Bullen sind. „Früher haben wir keine Kuh abgegeben - heute können wir uns das schlicht und ergreifend nicht mehr leisten.“ Ihre älteste Kuh wurde erst vor wenigen Wochen zum Schlachter gegeben, den ganzen Sommer war sie noch mitgelaufen, weil es die Familie nicht übers Herz gebracht hatte, sie abzugeben. „Ich habe so geweint, als sie weggegangen ist.“
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Im Hofladen erfahren die Kunden, von welchem Tier das Fleisch stammt. „Jetzt für Weihnachten haben wir die Anna geschlachtet“, verrät Steffi Möller-Winter. Manche Kunden wollten das gar nicht wissen, erzählt sie - aber genau darum gehe es für sie eben auch bei der Landwirtschaft. „Wir haben keine Wochenenden, keine Feiertage - wir erwarten noch ein paar Kälber, wer weiß, vielleicht kommt eines an Weihnachten, dann stehen wir da auch im Stall. Landwirtschaft ist Leidenschaft.“
Große Unsicherheit: Gibt es in Zukunft noch einen Hof, den der Sohn übernehmen kann?
Das sieht auch der Sohn so: Mit 19 Jahren ist er bereits aus der Lehre raus, nächstes Jahr besucht er die Fachschule für Agrarwirtschaft, um staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt zu werden. „Ich wollte nie, dass er das macht. Aber er hat gesagt: ‚Mutti, das ist doch mein Traum!‘“ Nur ob es den Hof noch gibt, wenn er dann den Landwirtschaftsmeister gemacht hat, das weiß sie nicht. Wieder ist die gestandene Frau den Tränen nah. „Was sollen wir denn noch alles erdulden?“
Seit Jahren türmen sich immer neue Vorschriften für Landwirte, das erschwere die Arbeit täglich. Lange schon darf nicht mehr so gedüngt werden, wie es die Feldfrüchte brauchen. Gepflügt werden darf nur noch bei der Wechselfrucht von zum Beispiel Mais auf Getreide. Dazu kommt die immer aufwändiger werdende Bürokratie - allein für die Büroarbeit könnte Familie Möller-Winter wohl eine Vollzeitkraft einstellen, aber auch dafür fehlt das Geld. „Ich habe das Gefühl, dass die glauben, wir wissen nicht, was wir machen.“ Dass auf deutschem Boden kaum noch Backweizen wächst, weil er nicht genug gedüngt werden darf, das kommt aus ihrer Sicht nicht in der Politik an.
„Wenn die so weiter machen, hält das keine zwei Jahre mehr, dann knallt es.“ Da ist sich Steffi Möller-Winter sicher. Schon jetzt gehen die Landwirte auf die Straße, vor allem in Norddeutschland, wohin sie viele Kontakte hat. Auch die Möller-Winters wollen am Montag nach Berlin fahren - dort findet eine große Demonstration gegen die geplanten Sparmaßnahmen gegen die Landwirte statt. Steffi Möller-Winter vermutet, dass wohl jeder zweite Landwirtschaftsbetrieb existenzbedroht sei, wenn die Subventionierung vom Diesel und die Kfz-Steuerbefreiung gestoppt würden. „Ich weiß nicht, was noch passieren muss“, sagt sie. „Manchmal glaube ich, die Politik will uns Landwirte gar nicht haben, die versuchen uns in den Ruin zu treiben.“
Was passiert, wenn es ein Deutschland ohne Landwirte gibt?
Doch was dann? Steffi Möller-Winter malt es sich aus: „Dann gibt es in Deutschland nur noch genverändertes Soja - das wir unseren Kühen übrigens nicht füttern dürfen - und Fleischprodukte aus dem Ausland. Aber wer kontrolliert denn da das Tierwohl?“ Sie kennt Farmen, in denen hunderte Kälberiglus in der prallen Sonne stehen und Tiere in viel zu kleinen Boxen gehalten werden - Dinge, die in Deutschland längst zurecht verboten sind. „Außerdem wird das dann alles noch viel teurer. Und was ist dann? Jetzt geht es scheinbar nur die Landwirte etwas an. Aber dann wird es eine Sache von allen.“
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Deswegen muss Steffi Möller-Winter hoffen: Darauf, dass der Aufschrei der Landwirte in ganz Deutschland etwas bringt und der Sparplan so nicht verabschiedet wird. Und auch darauf, dass sich in der Gesellschaft etwas tut. „Ich kann nur immer wieder appellieren: Liebe Leute, kauft regional, kauft saisonal, versucht so viel wie möglich, eure Landwirte vor Ort zu unterstützen! Achtet darauf, was ihr kauft: Kauft nicht aus dem Ausland, sondern aus Deutschland.“