Meschede. Der Mescheder Kinderarzt Dr. Armbrust schließt seine Praxis für fünf Wochen. Die Ausweichpraxen sind im ganzen HSK verteilt - das sagt die KVWL.
Ab Montag, 20. November, wird die Praxis von Kinderarzt Dr. Ralph Armbrust in Meschede vorübergehend bis zum Ende des Jahres geschlossen bleiben und voraussichtlich Anfang des neuen Jahres wieder geöffnet werden. Eine Hüftoperation mit anschließender Reha-Maßnahme zwingt ihn dazu. Ein Arbeiten in der Praxis war zum Schluss nur noch mit Unterarmgehstützen und unter großen Schmerzen möglich, so der Kinderarzt.
Im Vorfeld hat Dr. Armbrust und sein Team sämtliche Vorsorge- und Impftermine für den Rest des Jahres bereits abgearbeitet oder nach Rücksprache mit den Eltern ins neue Jahr verlegt. Durch diese Maßnahme sollen die vertretenden Kinderärztinnen und Kinderärzte aufgrund der bereits jahreszeitlich sehr hohen Arbeitsbelastung möglichst entlastet werden. Die Vertretung in akuten Krankheitsfällen haben laut Dr. Armbrust die Kinderarztpraxen in Brilon, Olsberg, Bad Fredeburg, Bestwig, Oeventrop, Hüsten und Neheim zugesagt, wie auch die Kinderarztpraxis in Warstein-Belecke.
Um eine Krankheitsvertretung hatte sich Dr. Armbrust längerfristig bemüht. Allerdings weder von professionellen Vermittlungsfirmen von Vertretungsärzten, noch aus dem Vertreterpool der Kassenärztlichen Vereinigung in Dortmund oder dem Berufsverband der Kinderärzte hatte sich eine Kollegin oder ein Kollege für eine Vertretung im Hochsauerlandkreis gefunden.
Sorge: Sind die Kinder im HSK unterversorgt?
Ist das ein Symptom einer schon länger vorherrschenden Sorge der Bürgerinnen und Bürger? In diesem Jahr haben bereits zwei Kinderarztpraxen, im benachbarten Sundern sowie in Arnsberg, ihre Schließung bekannt gegeben. Dr. Slilo, Kinderarzt in Sundern, geht nach Essen, wartet aktuell auf Erlaubnis, die Praxis zwei Tage in der Woche weiterführen zu können. Bei der zweiten Schließung spricht der Betreiber, das Klinikum Hochsauerland, von einem „Umzug“: Da keine Nachfolge für die Kinderarztpraxis in Arnsberg gefunden werden konnte, zieht die Praxis nach Hüsten - wenn auch ohne Kinderärztin, die hat nämlich gekündigt. Eine neue Kinderärztin, die ab Anfang 2024 das Praxisteam verstärken wird, steht aber bereits unter Vertrag.
Dennoch sprechen die Zahlen, die die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) erhoben hat, von einer „Überversorgung“ im Hochsauerlandkreis. In der Bedarfsplanung auf Bundesebene wird festgelegt, wie viele Fachärzte, also auch Kinderärzte, in einem Kreis benötigt werden. Laut der letzten Erhebung aus Mai dieses Jahres ergibt sich eine Versorgung von 113,1 Prozent, so die KVWL auf Anfrage dieser Zeitung. Sie erfasst derzeit 16,75 Vollzeitstellen von Kinderärztinnen und -ärzten. So sagt die KVWL: „Die kinderärztliche Versorgung im Hochsauerlandkreis ist gesichert.“ Jegliche andere Wahrnehmung sei subjektiv, aber faktisch nicht belegbar.
Zu Engpässen in Arztpraxen kann es kommen, wenn diese besonders in Anspruch genommen wird, so die KVWL: „Mit Blick auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beispielsweise kommt es zu vermehrter Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen aufgrund gesunkener Gesundheitsbildung in der Bevölkerung und erhöhter Migration. Auch nimmt zum Beispiel das Erstellen von Gutachten bei den Ärztinnen und Ärzten immer mehr Zeit in Anspruch.“ Die Ärzte müssten politisch entlastet werden - dafür setzt sich die KVWL ein, erklärt sie weiter.
Wo gehe ich hin, wenn der eigene Kinderarzt geschlossen hat?
Wenn ein Kinderarzt für eine Weile die Praxis schließen muss, muss er sich um eine Vertretung kümmern - so wie es Dr. Armbrust getan hat. Das geht auch über die Kreisgrenzen hinaus - wie man am Beispiel von Kinderarzt Dr. Sander in Warstein-Belecke sieht. Meschederinnen und Mescheder könnten also auch zum Beispiel nach Soest oder Lippstadt ausweichen - allerdings dürfen Praxen kreisfremde Patientinnen und Patienten außerhalb eines Notfalls auch ablehnen, wenn keine Kapazitäten bestehen. Auch zum Hausarzt könne man mit dem Kind gehen, erklärt die KVWL - das stelle kein Problem dar.
„Als Gesellschaft müssen wir uns von dem Bild lösen, dass die vertragsärztliche Versorgung direkt vor der Haustür stattfindet“, appelliert die KVWL - und impliziert damit, dass Eltern mit ihren Kindern einen weiten Weg auf sich nehmen müssen, um einen Kinderarzt zu besuchen.
Das bedeutet im Klartext: Von Meschede aus muss man bereit sein, bis zu einer Stunde zu fahren, sollte die Versorgung vor Ort wegfallen: Nach Olsberg braucht man etwa 20 Minuten mit Auto oder ÖPNV, nach Brilon, Bad Fredeburg, Arnsberg, Sundern oder Warstein etwa 30 Minuten mit dem Auto und etwa eine Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die nächsten Praxen liegen in Bestwig oder Freienohl: Hier braucht man nur etwa 15 Minuten mit dem Auto, nach Freienohl 30 Minuten mit dem ÖPNV, nach Bestwig nur 15 Minuten.